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Wiener Finanzjongleur legt Pause ein

Von Peter Muzik

Reflexionen

Sein Gegenspieler ist Viktor Vekselberg. | Das Pokerspiel bringt Millionen. | Wien. Kurz vor der heute, Dienstag, in Luzern stattfindenden Hauptversammlung der Oerlikon Corporation AG hat sich das Investoren-Duo Ronny Pecik/Georg Stumpf mit dem Oligarchen Viktor Vekselberg geeinigt, wer in Zukunft bei dem Schweizer Traditionsbetrieb das Sagen haben wird. Der 46jährige Finanzjongleur und sein 35jähriger Partner Georg Stumpf, der noch als Präsident des Oerlikon-Verwaltungsrats fungiert, verkaufen ein Aktienpaket von 14,1 Prozent an Vekselberg. Der in Zürich lebende Russe, der auf 12 Milliarden Dollar geschätzt wird, erhöht damit den Anteil seiner Renova Industries Ltd. beim Schweizer Technologiekonzern auf rund 39 Prozent. Pecik & Stumpf bleiben nur mehr mit rund 13,5 Prozent an Oerlikon beteiligt. Ob sie in Zukunft auch dieses Aktienpaket an Vekselberg abgeben, ist nicht bekannt. Fest steht, dass Stumpf als Präsident nicht mehr kandidieren wird.


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Die Oerlikon-Gruppe, die im Vorjahr mit 19.000 Mitarbeitern und 170 Standorten in 35 Ländern weltweit 5,6 Milliarden Franken umsetzte, steht jedenfalls für das bislang schillerndste Kapitel in der Blitzkarriere des cleveren Ex-Bankers: Im Jahr 2005 war Ronny Pecik, gemeinsam mit seinem damaligen Partner Mirko Kovats, in die - wie sie damals hieß - Unaxis Holding AG eingestiegen. Die Österreicher übernahmen, als Oerlikon wieder halbwegs in Schuss war, um knapp zwei Milliarden Franken den Textilmaschinen- und Getriebehersteller Saurer, womit sie erneut Aufsehen erregten.

Nach dem Ausstieg von Kovats schienen Pecik & Stumpf außer Rand und Band zu geraten: Zunächst beteiligten sie sich im Jänner 2007 mit rund 20 Prozent am Berner Telekomzulieferer Ascom - ihre Wiener Beteiligungsgesellschaft Victory war damit größter Ascom-Aktionär. Im April folgte der nächste Coup: Erstmals gemeinsam mit dem russischen Investor Vekselberg, der von ihnen bei Oerlikon relativ bald an Bord geholt und im Juni 2006 mit mehr als zehn Prozent der Anteile ausgestattet worden war, sicherten sie sich dann als Draufgabe ein knappes Drittel am eidgenössischen Pumpenhersteller Sulzer. Daraufhin galten sie in der Schweiz beinahe als Staatsfeinde.

"Gierige Finanzhaie"

"Die Art und Weise, wie sie die Unternehmen unter ihre Kontrolle gebracht haben", schrieb "Der Bund", habe bei den Eidgenossen "Misstrauen erzeugt". Es sei nicht tolerabel, hieß es in anderen Medien, wie einfach man es den beiden Spekulanten aus Wien gemacht hatte, sich stillschweigend riesige Aktienpakete unter den Nagel zu reißen. Als "Abzocker" wurden sie bezeichnet, "gierige Finanzhaie" und "Unternehmensfledderer". Konsequenz: Im Mai verkauften sie schlagartig ihr Aktienpaket an Ascom, was bei der betroffenen Firma für Erleichterung sorgte; und im August 2007 reichten sie ihren Sulzer-Anteil an Vekselberg weiter. Wenn der Russe ihnen nunmehr auch die Oerlikon abnimmt, wäre das für Pecik & Stumpf kein schlechtes Geschäft: Wenn sie für die Aktien, deren Kurs regelrecht eingebrochen ist, zwischen 400 und 500 Millionen erhalten, würden sie abzüglich der Finanzierungskosten mit einem ordentlichen Reibach aussteigen.

Eine solche Summe dürfte Pecik, dem eine Vorliebe für ebenso komplizierte wie riskante Finanzkonstruktionen nachgesagt wird, auch dringend benötigen. Denn neben seinem turbulenten Siegeszug in der Schweiz war er auch an anderen Fronten aktiv: Die Victory setzte sich im Vorjahr beispielsweise auch in Deutschland in Szene, als sie das auf Facility Engineering und Facility Management spezialisierte Stuttgarter Technologieunternehmen M+W Zander aufkaufte. Die seit fast hundert Jahren bestehende Firmengruppe, die etwa als Generalunternehmer für schlüsselfertige Hightech-Produktionsstätten zuständig ist, erzielt mit 8000 Mitarbeitern und weltweit 40 Standorten einen Umsatz von 2,5 Milliarden Euro.

Doch damit nicht genug: Pecik erweist sich auch in Österreich - ohne den finanziell weitaus besser abgesicherten Stumpf, Erbauer des Wiener Millennium Towers, als Partner - als überaus umtriebig: Seine RPR Privatstiftung, die an der Spitze eines aus fast 30 Tochter- und Enkelbetrieben bestehenden Firmennetzes (siehe Tabelle) steht, engagiert sich zum Beispiel in den Bereichen Flugunternehmen, Immobilien und der Mittelstandsfinanzierung.

Der umtriebige, als eiskalt geltende Pecik packt in einem Jahr so viele Projekte an, die andere ein Leben lang auslasten würden. Und findet überhaupt nichts dabei, sich von manchen Engagements bald wieder zu verabschieden.

Liebe zur Fliegerei

Beispiel Sky Europe: Im Februar 2007 teilte er erstmals offiziell mit, dass seine Stiftung an der slowakischen Billigflug-Linie mit 7,82 Prozent beteiligt sei. Prompt machten zahllose Gerüchte die Runde: Er werde mit Niki Lauda, Georg Stumpf und Viktor Vekselberg die Airline komplett übernehmen, hieß es unter anderem. Pecik stockte seinen Anteil zwar kurzfristig auf - doch schon im März verabschiedete er sich von der Airline. Seine Liebe zum Fliegen bleibt ihm jedoch erhalten: Pecik, der schon lange als Laudas Anlageberater fungiert, ist, wie sich das für einen rasant aufgestiegenen Selfmademan einfach so gehört, stolzer Alleingesellschafter eines eleganten Bedarfsflugunternehmens. Die Wiener Amira Air offeriert der betuchten Klientel drei auf je acht Passagiere ausgelegte Challenger 300 sowie eine Global Express für zwölf Passagiere. Eine Challenger 604, die Martin Schlaff gehört, wird mitbetreut. Die Luxusjets sollen ihm allerdings dem Vernehmen nach allerdings ziemlich wenig Freude bereiten, wobei sich das Unternehmen diesbezüglich strikt an die Devise der Airline hält: Luxus und Diskretion.

Der höfliche Bonvivant Pecik muss seine einstige Flugangst allerdings völlig überwunden haben. Sonst hätte er wohl nicht vor wenigen Wochen weitere vier Flugunternehmen - die Caboto, die Columbus, die Diaz und die Vespucci Aircraft - ins Firmenbuch eintragen lassen.

Zur Person

Ronny Pecik wurde im März 1962 in Varazdin, Kroatien, geboren. Mit vier Jahren wanderte er mit seiner Mutter und dem Stiefvater nach Österreich aus. Mit 14 brach er das Gymnasium ab. Mit 17 zog er von Zuhause aus und hielt sich als Tankwart und Kellner über Wasser. Mit 19 wurde er Vater, machte eine EDV-Ausbildung bei IBM und bekam einen Job bei der Länderbank. Für diese durfte er beim Aufbau der österreichischen Optionsbörse Ötop mitwirken, und 1989 wurde er Optionshändler bei der Bank Austria.

Drei Jahre später wechselte er zur Grazer Wechselseitigen, und 1997 übersiedelte er zur Raiffeisen-Bezirksbank Wolfsberg (RBB), deren Wiener Filialleiter er 2000 wurde. Die Bank geriet infolge von Spekulationsverlusten im Derivatehandel in Turbulenzen - und Pecik musste gehen. Die Ermittlungen der Justiz gegen ihn überstand er heil.

Er kaufte sich mit früheren Kollegen in die M & A Bank ein und begann wenig später selbst zu investieren, etwa in Böhler-Udeholm. Dann tat er sich mit dem Industriellen Mirko Kovats zusammen: 2005 kam es zum Einstieg in den Schweizer Technologiekonzern Oerlikon. Nach der Trennung von Kovats setzte Pecik mit Partner Georg Stumpf seinen Feldzug in der Schweiz fort - was im Mai 2007 zu einer Gesetzesänderung im Schweizer Parlament führte, das die Meldevorschriften für Übernahmen drastisch verschärfte. Daraufhin zog sich das Duo von Ascom und Sulzer zurück. Jetzt hat es den Anschein, dass es bei Oerlikon gegen Vekselberg den Kürzeren ziehen wird.