Die Außenminister der 5+1-Gruppe kommen nach Wien, um die Verhandlungen im Atomstreit mit dem Iran zu retten.
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Wien. Als John Kerry im August 2013 in Schwechat zwischenlandete, vertrieb er Zeit mit Fußballspielen. An diesem Fußballwochenende kommt der US-Außenminister wieder nach Wien. Und: "Diesmal bleibt er nicht nur am Flughafen Schwechat", heißt es aus Diplomatenkrisen.
Kerry kommt zu einem Gipfeltreffen über das iranische Atomprogramm nach Wien. "Die Verhandlungen stecken fest. Die Lunte brennt und es müssen unsere Chefs anreisen, um den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Noch sind wir von einem endgültigen Deal entfernt", meinte ein Verhandler, der nicht beim Namen genannt werden will, am Donnerstag. Wie die "Wiener Zeitung" bereits im Vorfeld berichtete, sollen im Atomstreit die Außenminister aus den USA, Russland, China, Deutschland, Frankreich und Großbritannien am Wochenende als Krisenfeuerwehr nach Wien kommen, um den elf Jahre andauernden Konflikt rund um Irans Urananreicherung zu lösen.
Inoffiziell bestätigt wurde am Donnerstag schon, dass der deutsche Ressortchef Frank-Walter Steinmeier kommen wird. Kerry, der sich derzeit in Asien aufhält, soll dem Vernehmen nach am Samstag oder Sonntag in Wien eintreffen. Ob er auf seinem Weg von Peking noch einen Zwischenstopp in Europa plant, ist noch nicht bekannt. Für Sonntag sollen jedenfalls schon bilaterale Gespräche zwischen Kerry und seinen Amtskollegen geplant sein.
Ob Chinas Außenminister Li Wang selbst nach Wien anreist, ist noch unklar, sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow wird aber ebenso wie sein britischer Amtskollege William Hague und der Franzose Laurent Fabius an den Verhandlungen teilnehmen.
Innenstadthotels ausgebucht
Dementsprechend groß ist im Vorfeld der "Elefantenrunde" in Wien die Anspannung. Mehrere Fragen beschäftigten am Donnerstag die Organisationsabteilungen der Verhandler. Wie werden die Topdiplomaten geschützt? Wie lange haben die Außenminister vor zu bleiben?
Für die US-Botschaft soll es jedenfalls gar nicht so leicht gewesen sein, Hotel-Zimmer für Kerrys Entourage - die zahlreichen Sicherheitsbeamten, Berater, Kabinettsmitarbeiter und Mitglieder des mitreisenden Press-Pools - zu erhalten und den Fahrzeugpool für die anreisende Gruppe zusammenzustellen. Das in unmittelbarer Nähe zum Konferenzort im Palais Coburg liegende Hotel Marriott ist jedenfalls komplett ausgebucht. Auf viel Arbeit stellt man sich auch beim Bundespressedienst des Kanzleramts ein. Dort wurde eine Urlaubssperre verhängt, weil die Akkreditierungen für die Journalisten zu erledigen sind, die Wiener Polizei wird einige hundert Polizisten zum Schutz der VIPs aufbieten.
Bei den derzeitigen Expertenmeetings - übrigens die sechste Runde in Wien seit Februar - zwischen dem iranischen Außenminister Mohammad Javad Zarif und Catherine Ashton, die die Delegation der fünf UN-Vetomächte plus Deutschland leitet, geht es vor allem darum, rechtzeitig vor Ablauf des Interimsabkommens am 20. Juli einen endgültigen Text zur Beilegung des Streits zu formulieren. Noch spießt es sich an den inhaltlichen Details. Im Endeffekt soll der Iran dem Westen transparente und überprüfbare Garantien dafür geben, dass sein Atomprogramm ausschließlich friedlichen Zwecken dient. Im Gegenzug will der Westen die schmerzhaften Wirtschaftssanktionen schrittweise suspendieren. Ursprünglich war erwartet worden, dass die Außenminister erst anreisen, wenn ein Endpapier zur Unterfertigung vorliegt. Da es aber bei der Frage um die Anzahl der iranischen Zentrifugen und der Ausformulierung eines Zeitplans für die Lockerung und Suspendierung der Sanktionen erhebliche Meinungsunterschiede gibt, forderten der Iran und auch die USA, die Gespräche nicht weiter auf Experten- und Beamtenebene zu führen, um einen neuen Schub in die Verhandlungen zu bringen.
Zentrifugen im Fokus
Vor allem die Forderung des Iran, viele tausend Gaszentrifugen zur Anreicherung von spaltbarem Uran-235 betreiben zu dürfen, stößt im Westen auf großes Misstrauen. Je mehr Zentrifugen verfügbar sind, desto leichter ist es, Uran bis zur Waffenfähigkeit anzureichern.
Ein zweiter Weg zur Atombombe führt über die Produktion von Plutonium, das im Schwerwasserreaktor Arak nach dessen Fertigstellung anfallen würde. Teheran hat angeboten, den Reaktor so umzubauen, dass keine nennenswerten Mengen an Plutonium erzeugt würden. Der Westen würde aber eine Umwandlung von Arak in einen Leichtwasserreaktor bevorzugen, bei dem dieses Problem nicht besteht.
"Im Idealfall werden wir uns einig und unterfertigen den Text, aber das ist derzeit noch Zukunftsmusik. Viel wahrscheinlicher ist, dass die Chefdiplomaten das Zeitfenster für eine diplomatische Lösung erweitern und den Termin am 20. Juli als Deadline einfach verlängern", meinte ein mit den Verhandlungen befasster Diplomat im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".