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Wiener Krankenkasse zahlt für Ausnüchterung der Jugendlichen im Spital keinen Cent

Von Brigitte Pechar

Analysen

Die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse (OÖGKK) überlegt, künftig die Kosten für Bergung und Behandlung komatrinkender Jugendlicher von den Schuldigen zurück zu verlangen. Das führte in Österreich zu einem Aufschrei.


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Zur großen Überraschung, möchte man sagen. Denn - jedenfalls in Wien ist das so - die Krankenkasse zahlt in diesem Fall ohnedies nicht. Ausnüchterung, erklärt der Rechtsexperte der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK), Werner Schröder, sei nämlich keine Krankheit laut Allgemeinem Sozialversicherungsgesetz und falle daher nicht in die Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenversicherung. Die WGKK lehnt daher einen Kostenersatz ab. Rettung und Krankenhaus schicken die Rechnung an die Unterhaltspflichtigen, also die Eltern.

Anders gelagert ist der Fall dann, wenn sich alkoholisierte Jugendliche bei einem Sturz verletzen und die Wunde im Krankenhaus behandelt wird. Dann zahlt die Krankenkasse, weil ja eine Gesundheitsversorgung damit verbunden ist. Auch bei erwachsenen Alkoholikern zahlt die Kasse, weil dem ein Suchtverhalten zugrunde liegt und das wiederum einem Krankheitsbild entspricht.

Schuld entscheidend

Die Grundregel lautet: Die Kasse zahlt jede Krankenbehandlung, außer es gibt einen Schuldigen.

Der Chef der OÖGKK, Alois Stöger, argumentiert hier lockerer als die Wiener. Die ärztliche Versorgung der Jugendlichen stehe an erster Stelle, deshalb habe die Kasse bisher solche Fälle auch übernommen. Allerdings sei in den 24 oberösterreichischen Krankenanstalten pro Monat insgesamt etwa ein Fall aufgetreten. Im Juni habe es aber neun Fälle gegeben - und diese würden nun auf Regressansprüche geprüft.

Ganz anders ist das in Wien. Abgesehen davon, dass es hier schon bevölkerungsstatistisch die meisten komatrinkenden Jugendlichen gibt, werden auch häufiger Rettung und Spital in Anspruch genommen, während auf dem Land alkoholisierte Jugendliche zur Ausnüchterung nach Hause geschafft werden.

Die Wiener zahlen nicht, also müssen sie auch keine Regressforderung stellen. Die Oberösterreicher zahlen und wollen sich im Nachhinein das Geld zurückholen. Das kann man aber laut Gesetz nur vom Schuldigen. Bei komatrinkenden Jugendlichen wird dieser nur schwer feststellbar sein - das gibt auch OÖGKK-Chef Stöger zu. Denn die meisten Alkoholexzesse finden in Parks oder privat statt.

Regress tägliches Brot

Regressforderungen an Dritte gehören aber bei den Krankenkassen ohnedies zum täglichen Brot. Nämlich immer dann, wenn bei Unfällen ein Verschulden Dritter festgestellt wird, hält sich die Krankenkasse an diesen schadlos. Das betrifft vor allem Autounfälle. Nur fällt das der Bevölkerung nicht auf, weil die Kasse ihre erbrachten Leistungen von der jeweiligen Haftpflichtversicherung regressiert.

Die WGKK bringt pro Jahr etwa sieben Millionen Euro an Regressforderungen ein. Mehr als 70 Prozent davon betreffen Verkehrsunfälle. Aber auch bei Raufhändeln und Messerstechereien werden Regressforderungen an den vom Gericht schuldig Gesprochenen gestellt. Möglich ist das, weil die Krankenkassen die Gerichtsakten in diesen Fällen anfordern dürfen.

Aber die Krankenkassen fordern nicht nur Geld zurück, sondern müssen auch Regresszahlungen leisten - nämlich an die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt. Die AUVA fordert nämlich für behandelte Freizeitunfälle Geld zurück, da sie nur für Arbeitsunfälle zuständig ist.