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Wiener ÖVP als zartes Pflänzchen

Von Christian Rösner

Analysen

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Zuerst die Wahlschlappe vor einem Jahr, dann das Scheiden der gescheiterten Chefin, die Hilflosigkeit bei der Suche nach potenziellen Nachfolgern - und jetzt noch als Draufgabe der Versuch der Grünen, eine seit 1978 erfolgreiche parteieigene Kulturveranstaltung, das Wiener Stadtfest, abzudrehen: Es hat den Anschein, als bliebe der Wiener ÖVP momentan nichts erspart.

Der dadurch immer stärker werdende Eindruck, dass es in Wien so gut wie keine Vertretung mehr für eine bürgerliche Bewegung gibt, schadet letztlich allen politischen Playern. Und das sollte auch der Wiener SPÖ zu denken geben, schließlich gilt es, ein gewisses politisches Gleichgewicht aufrechtzuerhalten: Zwar dürfte die rot-grüne Koalition der Stadt guttun - darüber sind sich die Politikexperten einig. Denn geteilte Macht ermöglicht mehr Kontrolle, wirkt der Gefahr des Stillstandes einer absolut regierenden Partei entgegen und vermittelt der Bevölkerung ein ausgewogeneres Bild.

Aber trotzdem steht dieses Bild weit links von der Mitte - und das Gegengewicht rutscht immer weiter nach rechts außen. Vor allem, wenn noch zusätzlich versucht wird, dem mittlerweile sehr zart gewordenen Pflänzchen ÖVP das Wasser zu entziehen. Und es ist kaum vorstellbar, dass jemand in der SPÖ daran interessiert ist, die Freiheitlichen zu stärken. Aber genau das passiert mit einer immer schwächer werdenden bürgerlichen Bewegung, wenn sie zwischen FPÖ und SPÖ (neuerdings unterstützt durch die Grünen) zerrieben wird.

In der Vergangenheit hat sich die Wiener ÖVP dadurch ausgezeichnet, die vom SPÖ-Tisch heruntergefallenen Brösel aufzuklauben. In letzter Zeit wurden überhaupt nur noch Ideen zu parallel bereits laufenden Projekten präsentiert - wie etwa zum Thema U-Bahn-Bau oder der Öffi-Tarifreform. Eigene urbane Themen sind bei der Stadt-ÖVP gar nicht mehr zu finden. Wie sollten sie auch, wenn niemand mehr für die Wiener Partei arbeiten will?

Eine urbane Nischenexistenz scheint im Vergleich zum ländlichen Platzhirschentum relativ unattraktiv zu sein. Und das ist wiederum ein Problem für die gesamte Bundespartei. Denn ein Wahlerfolg hängt mitunter stark von den Städten ab. "Mit Niederösterreich alleine werden wir aber keine Bundeswahl gewinnen", erklärte unlängst Ex-Vizekanzler Erhard Busek.

Also liegt es auch an der Bundespartei, entsprechende (personelle) Akzente vor allem in Wien zu setzen. Solange das nicht passiert, wäre die SPÖ eigentlich gut beraten, sich ein wenig ums zarte Pflänzchen ÖVP zu kümmern. Denn momentan wird nur die linke Seite gegossen und die rechte im Regen stehen gelassen.