Politische Lage: "In Wien herrscht Frust." | Wien. "In der Stadt herrscht extremer Frust", erklärt die Klubobfrau der Wiener Grünen, Maria Vassilakou. Damit gibt sie die Stimmung der Bevölkerung zur derzeitigen Situation in der Bundespolitik wider, wie sie sie wahrnimmt.
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Vor allem die SPÖ habe einen schlechten Stand und werde immer unglaubwürdiger - "das färbt auch auf Bürgermeister Michael Häupl ab", meint die Politikerin. Bis vor zwei Jahren habe die Stadtregierung gute Arbeit geleistet. "Jetzt hat man den Eindruck, dass sich Häupl verabschiedet hat. Er ist nicht präsent, indifferent, zynisch, demotiviert, ausgebrannt und hat seine Mannschaft nicht im Griff", so Vassilakou. Die Psychiatrie-Kommission, der Skandal um den Prater-Vorplatz und die ständigen Gebührenerhöhungen würden das verdeutlichen. Die Grünen erwarten daher auf Wiener Ebene eine Regierungsumbildung im Herbst.
Aus der Wiener ÖVP hört man Ähnliches. "Häupls Rolle ist geschwächt und er hat immer mehr Gegenwind", meint ÖVP-Stadtrat Norbert Walter. Häupl sollte sich besser auf seine Aufgaben in der Stadt konzentrieren, anstatt erfolglos in der Bundespolitik mitmischen zu wollen.
In Wiener SPÖ-Kreisen sieht man das natürlich anders. Die Geschehnisse auf Bundesebene sollen demnach Häupls Macht nicht angekratzt haben: "Das haben ja eigentlich auch nur drei Journalisten behauptet", heißt es. Und die Stadtregierung arbeite tadellos.
Auch dass Häupl von Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und Verkehrsminister Werner Faymann - "sein" ehemaliger Wohnbaustadtrat - über den Tisch gezogen worden sei, weil er sich stets gegen eine Doppelführung auf Bundesebene ausgesprochen hatte, wäre Unsinn, lautet es aus der Wiener Partei: "Nach der Präsidiumssitzung sind Häupl und Faymann sehr freundschaftlich aufeinander zugegangen; Faymann hat in Häupl auf jeden Fall einen Unterstützer".
Sehr wohl sei allerdings der parteiinterne Frust in der SPÖ zu spüren. "Alle sind fassungslos", heißt es da. Und: "Was die Partei denkt, das interessiert den Gusi nicht. Er mag die Partei nicht mehr, die Partei mag ihn nicht mehr - so ist die Stimmung".
Angesprochen auf den plötzlichen Schwenk in der EU-Politik der SPÖ, meint man intern: "Da hat sich Faymann mit seinem Unterstützer Dichand zusammengesetzt, um die doch sehr zahlreiche Leserschaft des Boulevardsblattes auf die Seite der SPÖ zu ziehen."
In einem Punkt sind sich sowohl SPÖ, ÖVP als auch Grüne einig: Neuwahlen wird es so schnell keine geben. Das könnten sich nämlich weder SPÖ noch ÖVP leisten. Einziger Nutznießer wäre die FPÖ. Sehr wohl könne aber im Herbst mit einem neuen Bundeskanzler namens Werner Faymann gerechnet werden. Gusenbauer wolle zwar bleiben, aber das werde ihm letzten Endes nicht helfen. Die Variante der Doppelführung sei schon länger diskutiert worden. Gusenbauer habe sie nur deshalb so schnell vorangetrieben, damit er einen Aufschub bekommt. "Aber das wird nicht lange halten", heißt es aus der Partei.
An der Wiener Spitze soll wenigstens alles beim Alten bleiben. Häupl könne Renate Brauner noch nicht das Feld überlassen - dafür sei sie noch zu schwach, ist man sich bei der Opposition einig. Spekuliert wird aber mit dem Abgang von Vizebürgermeisterin Grete Laska, Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely und der Ablöse von Gemeinderatsvorsitzenden Johann Hatzl durch Landesparteisekretär Harry Kopietz. Und angesichts des "angeschlagenen" Bürgermeisters will die Opposition nun ihre Themen mit besonderer Vehemenz am Kochen halten - auch über den Sommer.