Der Staat gibt eine Menge Geld für die Parteienfinanzierung aus, aber in Wien errichten sich die Wahlwerber eine zweite Säule aus lukrativen Finanzierungen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Die politische Elite Wiens - egal ob man es als Bundeshauptstadt, Landeshauptstadt oder Großgemeinde definiert - hat ein geschlossenes System der Selbstfinanzierung entwickelt. Das Wort "selbst" ist freilich eine glatte Lüge. Es handelt sich um eine lautlose Methode, aus Steuergeldern und Quasi-Schutzgeldern, die an Aufträgen interessierte Firmen an kommu-nale Organisationen und Medien abzuliefern haben, ein nahezu paradiesisches Glück zu schöpfen.
Die neueste Auflage des wissenschaftlich erarbeiteten Buches "Politikfinanzierung in Österreich" des Innsbrucker Politikwissenschafters Hubert Sickinger - das Sachbuch wurde in der "Wiener Zeitung" bereits besprochen - ist eine Fundgrube für Fakten, die die finanzpolitische Ausnahmesituation Wiens gegenüber anderen Bundesländern nachweisen. Vor der Gemeinderatswahl 2010 und nach den soeben veröffentlichten "Rechenschaftsberichten" der Parteien über ihre Schulden ist es angezeigt, dieses System näher zu durchleuchten.
"Die Stadt Wien hat im Bundesländervergleich die mit Abstand höchste staatliche Parteien- und Klubförderung", weist Sickinger nach. 31,2 Millionen Euro gehen 2009 an diejenigen, die Politik treiben. Zumeist sind diese Sätze indexgebunden, steigen also automatisch Jahr für Jahr. Zum Vergleich: Oberösterreich kommt mit 21,4 Millionen Euro aus, Niederösterreich mit 19,5 Millionen Euro.
Natürlich ist die Wiener SPÖ als Partei mit absoluter Mehrheit die Hauptnutznießerin der Geldflüsse. Von der Parteienförderung in der Höhe von 25,6 Millionen kassiert sie in diesem Jahr die Hälfte. Alle zusammen scheinen aber höchst zufrieden zu sein, zumal die genannten Zahlen ja längst nicht den Plafond dessen bilden, was in Wien zu ergattern ist. Laut Sickinger ist das dichte Gewebe der Zuwendung von Vorteilen unterschiedlichster Art so undurchsichtig wie nirgends sonst. Nicht einmal die offizielle Parteienförderung ist im Gemeindebudget ausgeschildert, sondern macht sich zwischen allen möglichen Beiträgen an Verbände, Vereine und Organisationen unsichtbar.
Das scheint im Sinne aller Parteien so gehandhabt zu werden, denn sie haben sich seit 1993 darauf geeinigt, die Parteienförderung nicht zu thematisieren. Es wird einfach nicht darüber gesprochen, also auch nicht darum gestritten. Das Füllhorn arbeitet ohne Lärm. Die Gemeinde hat den Parteiklubs nach einem ausgeklügelten System Dienstposten zur Verfügung gestellt, die aus dem Budget beglichen werden. Die Jobs können auch in Geld abgelöst werden. Allein der Anschluss der Klubs an Datenbanken und Nachrichtenagenturen wird mit monatlich je 7000 Euro vergütet.
Für Sickinger ist es überhaupt keine Frage, dass Stadt- und Partei-PR dank des mit zweistelligen Millionenbeträgen ausgestatteten Presse- und Informationsdienstes der Stadt Wien geölt laufen. Das Marketing habe ein deutliches Übergewicht gegenüber den personell spärlich ausgestatteten Lokalredaktionen der Medien.
Somit nimmt die Stadt Wien im politischen Gefüge Österreichs eine bedeutende Spitzenstellung nicht nur für die SPÖ ein. In der Bundeshauptstadt gelingt oder misslingt es jeder einzelnen wahlwerbenden Partei, neben den im Bundesbudget vorgesehenen Subventionen eine zweite Säule ihrer finanziellen Basis aufzubauen.
Resümee: Es fließt eine Menge Geld, dies reicht aber dennoch nicht. Parteien geben für ihre Wahlwerbung grundsätzlich mehr aus, als sie bekommen. Die Gier nach mehr ist systemimmanent.