Pessimistisch wegen Konjunktur. | Für Wienerberger gilt nun: Absichern statt expandieren. | Vorstand auf allfälliges Übernahmeszenario vorbereitet. | "Wiener Zeitung": Im Gefolge der Finanzmarktkrise ist auch die Wienerberger-Aktie stark unter Druck geraten. Wie lange wird diese Instabilität der Finanzmärkte und Börsen noch anhalten*
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Wolfgang Reithofer: Ich glaube, länger als uns lieb ist. Ich gehe nicht von einer Erholung im nächsten Jahr aus. Und wie es sich 2010 entwickeln wird, werden wir erst sehen.
Klingt ziemlich pessimistisch.
Ich bin sicher, dass irgendwann eine Erholung kommen wird - aber nicht so bald.
Wie reagiert ein großes, multi-nationales Industrieunternehmen auf ein Umfeld, in dem die Konjunktur schwächelt, Kredite knapp sind und jeden zweiten Tag eine Bank pleite geht?
Unsere Maßnahmen sind relativ simpel: Wir achten besonders genau auf den freien Cash-Flow, die Dividende und eine solide Finanzierung. Das ist mehr oder weniger das, worauf alle vernünftigen Unternehmen jetzt schauen.
Cash is King?
So kann man das sagen. Dass der Finanzsektor angeschlagen ist, war ja nicht unbekannt. Das Dilemma bei einer Entwicklung wie der gegenwärtigen ist, dass man zwar weiß, dass irgendwann ein Rückgang der Konjunktur kommen wird, aber der Zeitpunkt lässt sich nicht prognostizieren. Sie können heute nicht mehr voraussagen, was im nächsten Quartal passiert. Sie können, wenn man ehrlich ist, nicht einmal voraussagen, was morgen passiert.
Sie wurden von manchen Analysten trotzdem kritisiert, dass die im Sommer veröffentlichte Gewinnwarnung zu spät gekommen sei, weil die Abschwächung der Konjunktur in den USA schon länger sichtbar war.
Hinsichtlich unserer Aktivitäten in den USA haben wir sicher früher als alle anderen reagiert. Wir haben dort erhebliche Kapazitäten bereits letztes Jahr stillgelegt oder eingemottet und haben in der Zwischenzeit den Mitarbeiterstand um weit mehr als 50 Prozent reduziert.
Natürlich wussten wir, dass es in Amerika mit der Konjunktur schlecht läuft. Aber das galt auch im ersten Quartal, und wir haben trotzdem das Vorjahr übertroffen.
Was war der Grund für den abrupten Gewinnrückgang?
Die Ursachen dafür liegen in Großbritannien. Dort begann der Markt im April einzubrechen. Und in Deutschland ist die von den Wirtschaftsforschern erwartete Erholung nicht gekommen.
Bekommen Privatleute und Immobilienentwickler keine Kredite mehr, um Häuser zu bauen, oder hat der Rückgang im Ziegelgeschäft andere Ursachen?
Die Verunsicherung auf den Finanzmärkten führt zu einer zunehmenden Verunsicherung der Menschen. Wenn die künftige Entwicklung so unsicher ist, dann ist es weniger wahrscheinlich, dass ich ausgerechnet jetzt die Entscheidung treffe, ein Haus zu bauen oder eine Wohnung zu kaufen, und damit langfristige Verpflichtungen auf mich nehme.
Die April-Ergebnisse von Wienerberger waren knapp unter Vorjahresniveau, also relativ gut. Der Mai war schlechter, allerdings gibt es im Mai die Feiertage und die damit verbundenen Urlaube waren mehr. Da war noch immer keine eindeutige Richtung erkennbar. Sobald wir aber dann die Juni-Umsätze hatten, haben wir gesehen, dass es schlechter geht. Wir haben versucht, das Ergebnis abzuschätzen, und das dann unverzüglich dem Kapitalmarkt mitgeteilt. Bei Konjunktureinbrüchen sind Sie immer der Verlierer.
Welchen Einfluss hat es auf die Atmosphäre in einem Unternehmen, das jahrelang expandiert und steigende Gewinne erwirtschaftet hat, wenn plötzlich der Rückwärtsgang eingelegt werden muss und Sparmaßnahmen sowie Werksschließungen auf der Tagesordnung stehen?
Erstens muss man sich möglichst rasch auf die neuen Rahmenbedingungen einstellen und darauf aufbauend die Strategie adaptieren. Zweitens, und das ist genau so wichtig, muss man die eigenen Leute, das Management und die Mitarbeiter, auf die künftige Entwicklung einschwören.
Es muss den Leuten bewusst sein, dass jetzt die Wirtschaft insgesamt und nicht nur Wienerberger schlechter läuft. Dass wir alle kleinere Brötchen backen müssen, dass jetzt die Absicherung und nicht die Expansion im Vordergrund steht.
Dieses Bewusstsein gilt es, im Unternehmen möglichst rasch zu schaffen. Und das gelingt am ehesten, indem man es auch selbst vorlebt, wo es möglich ist.
Wie lebt man das vor?
Indem man selbst anfängt, möglichst alle Ausgaben und vielleicht auch Dinge, die in die Kategorie "Nett zu haben" fallen, ernsthaft hinterfragt und dann auch wirklich streicht.
Man bestellt also den bereits georderten neuen Dienstwagen wieder ab?
Zum Beispiel. Aber es geht auch um viel kleinere, banale Dinge. Bei uns hat das Office Management kürzlich ein Rundschreiben hinausgeschickt, in dem die Mitarbeiter eindringlich aufgefordert wurden, wenn sie etwas vom Computer auf Papier ausdrucken, das möglichst nicht in Farbe, sondern nur in Schwarzweiß zu tun.
Es sind viele solcher Maßnahmen, die in Summe bestenfalls ein paar tausend Euro bringen, aber die Leute zum Nachdenken anregen sollen.
Wie reagieren die Mitarbeiter auf die Pfennigfuchserei?
Ich rede mit meinen Mitarbeitern natürlich oft darüber: Überlegt bei jedem Cent, den Ihr ausgebt, ob es wirklich notwendig ist. Und da kommt dann schon verdammt viel zusammen, davon bin ich überzeugt.
Ich gebe aber zu, dass es für die jüngeren Leute, die in einer prosperierenden Zeit aufgewachsen sind, wesentlich schwieriger ist, sich an die geänderte Situation zu gewöhnen. Ich selbst habe schon einige Krisenzeiten erlebt und tue mir da natürlich leichter. Aber es gilt, ein entsprechendes Bewusstsein im ganzen Unternehmen zu schaffen.
Muss man einen solchen Konjunkturabschwung einfach hinnehmen oder versucht man - abgesehen von Sparmaßnahmen - auch Gegenmaßnahmen zu ergreifen?
Sparen allein reicht nicht. Fast noch wichtiger ist, dass man am Markt die Kundenbindung und das Service optimiert. Nach dem Motto "Ein bisserl was geht immer" bin ich sicher, dass man da Dinge finden kann, die verbesserungsfähig sind. Man überprüft die Produktpolitik, setzt neue Schwerpunkte, forciert Neuentwicklungen. Wenn man früh damit beginnt, ist eine solche Phase auch eine große Chance.
Angesichts der stark gefallenen Börsenkurse sind manche Firmen zu Übernahmekandidaten geworden. Auch bei Wienerberger könnte eines Tages ein russischer Oligarch, ein Private-Equity-Fonds oder ein Staatsfonds anklopfen.
Eines ist ganz sicher: Beim derzeitigen Aktienkurs wird kein potenzieller Investor, der Wienerberger übernehmen wollte, die Unterstützung des Vorstandes bekommen.
Die Unterstützung des Vorstands wäre für einen potenziellen Käufer zwar vermutlich hilfreich, aber unbedingt notwendig ist sie nicht.
Das ist schon richtig, darüber entscheiden am Ende die Aktionäre. Wir geben nur unsere Meinung dazu bekannt. Und die lautet: Beim derzeitigen Kurs kann es keine Unterstützung des Managements geben.
Im Übrigen haben nicht wenige der russischen Oligarchen derzeit ganz andere Probleme. Die haben im Moment alle Hände voll zu tun, weil sie hoch verschuldet sind und es auch in Russland Finanzierungsprobleme gibt.
Und Private-Equity-Fonds haben zwar viel Geld, ich habe da aber so meine Zweifel, ob sie es gerade jetzt - in einer Phase großer Unsicherheiten - in ein Unternehmen wie unseres stecken wollen.
Wie beurteilen Sie das Ergebnis der Nationalratswahl - insbesondere das starke Abschneiden von FPÖ und BZÖ?
Ich nehme das Ergebnis zur Kenntnis.
Die ÖVP hat Josef Pröll zum neuen Parteiobmann designiert, womit eine große Koalition wieder möglich erscheint. Welche Regierungskonstellation würden Sie präferieren?
Ich bin für jede Form der Regierungskonstellation, die konstruktiv arbeitet, nicht nur diskutiert und das Vertrauen der Bevölkerung, die durch die Finanzkrise verunsichert ist, in die Wirtschaft wieder stärkt. Ich persönlich halte eine Neuauflage der großen Koalition für nicht unbedingt sinnvoll.
Zur Person
Wolfgang Reithofer wurde am 30. Dezember 1948 geboren und studierte Rechtswissenschaften an der Universität Wien. Parallel dazu belegte er Vorlesungen über Technische Mathematik an der TU Wien und Betriebswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität.
Nach Abschluss des Jus-Studiums trat er als Assistent des Vorstands in die Dienste der Union Baugesellschaft. 1980 wechselte er in gleicher Funktion zur Österreichischen Realitäten AG (Örag), die zu dieser Zeit im Eigentum der damaligen Creditanstalt stand. Nach nur einem Jahr bei der Örag wurde er von der damals ebenfalls zum Einflussbereich der CA zählenden Wienerberger AG engagiert.
1985 wurde er in den Vorstand des Baustoffkonzerns und 1992 zum Vize-Generaldirektor berufen. Als für das Ziegelgeschäft zuständiges Vorstandsmitglied verfolgte Reithofer, der wegen einer schweren Nervenkrankheit auf einen Rollstuhl angewiesen ist, eine internationale Expansionsstrategie mit Zukäufen zahlreicher Unternehmen und Produktionsstätten. Im Mai 2001 wurde er als Nachfolger von Erhard Schaschl zum Vorstandsvorsitzenden von Wienerberger bestellt.