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Wiens Börse wünscht sich neue Privatisierungswelle

Von Karl Leban

Wirtschaft

Seit mehr als drei Jahren kein Börsegang mehr. | Zahl der gelisteten Firmen geschrumpft. | Wien. Die letzte Privatisierung über die Börse, die der Post AG, liegt mittlerweile fast fünf Jahre zurück. Seither ist es um weitere Verkäufe staatlichen Familiensilbers ziemlich still geworden. Der Grund: SPÖ und ÖVP blockieren sich in dieser Frage. Während die Sozialdemokraten weitere Privatisierungen strikt ablehnen, sind führende Vertreter der Volkspartei grundsätzlich dafür.


Mit dieser Pattstellung ist die Wiener Börse jedenfalls schon seit langem alles andere als glücklich. Deshalb war es wohl auch kein Zufall, dass sie am Mittwoch - einen Tag nach der Bestellung von Markus Beyrer zum neuen Chef der staatlichen Industrieholding ÖIAG - einmal mehr den Wunsch nach einer aktiven Privatisierungsstrategie öffentlich deponierte.

Das Motiv für den neuerlichen Vorstoß ist klar: Seit über drei Jahren hat es in Wien keinen einzigen Börsegang mehr gegeben. Dazu kommt, dass die Zahl der inländischen börsenotierten Unternehmen seit 2007 um ein Fünftel von rund 100 auf 81 Gesellschaften deutlich geschrumpft ist - vor allem aufgrund einer Reihe von Übernahmen (wie etwa im Fall AUA und Böhler-Uddeholm). Das hat die Liquidität der heimischen Börse beschnitten.

"Eine Stärkung des Wiener Kapitalmarkts ist dringend notwendig", sagt Peter Schiefer, Chef des Aktienforums, einer industrienahen Interessenvertretung börsenotierter Firmen. So wie die beiden Börse-Vorstände Michael Buhl und Heinrich Schaller plädiert auch er dafür, mit weiteren Privatisierungen das Interesse der Investoren zu steigern und so den Markt zu beleben.

Zahlreiche Kandidaten

Laut Buhl und Schaller ist das Privatisierungspotenzial noch lange nicht ausgeschöpft. So könnten Energieversorger, Flughäfen und andere Firmen der Länder an die Börse gebracht werden, aber auch Staatsunternehmen wie die Bundesimmobiliengesellschaft und die Münze Österreich. Daneben könnte die öffentliche Hand ihre Anteile an bereits teilprivatisierten und börsenotierten Unternehmen weiter senken - bei Post, Telekom, OMV, Flughafen Wien, EVN und Verbund.

Würde sie sich überall auf je 25 Prozent und eine Aktie - auf eine Sperrminorität mit Veto-Recht - zurückziehen, könnte sie in Summe knapp 24 Milliarden Euro erlösen. Das hat Christian Helmenstein, Chefökonom der Industriellenvereinigung (aus der auch der künftige ÖIAG-Chef Beyrer kommt), in einer Studie seines Economica-Instituts errechnet. Detail am Rande: Das Wirtschaftsforschungsinstitut nannte letztes Jahr mit 25 Milliarden Euro eine fast idente Summe.

Unbestritten ist, dass die Wiener Börse von der Privatisierungswelle ab den späten 1980er Jahren sukzessive profitiert hat. Bei internationalen Investoren, die für die Liquidität besonders wichtig sind, wird sie heute stärker beachtet. Doch zuletzt sind ihre Handelsumsätze tendenziell gesunken. Für neue Liquiditätsschübe könnten daher weitere Privatisierungen sorgen.