Mit der Bildungsreform kommen neue Regeln auf die Schulen zu - vielen mobilen Beratungslehrern fehlt "Klarheit".
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Wien. Am Dienstag trafen sich rund 300 der rund 2000 im Sonderschul- und Förderbereich tätigen Lehrer im Stadtschulratsgebäude in der Wipplinger Straße, um auf ihre Befürchtungen in Bezug auf die Umsetzung der Bildungsreform aufmerksam zu machen. Der Saal war voll. Viele der Gäste standen mitten im Türstock oder mussten am Gang draußen bleiben.
Konkret befürchten die Lehrer, dass im Zuge der Zusammenlegung von Schulen in Bildungsdirektionen und Bereichsleitungen - wie es die Bildungsreform vorsieht - neue Zuständigkeiten entstehen würden, beziehungsweise die vielen mobilen Förder- und Beratungslehrer eingespart werden. Die Vertreter des Stadtschulratbüros - drei anwesende Inspektoren - standen Rede und Antwort und gaben Entwarnung: Man wisse zwar nicht, was nach dem Wahltag kommt, Einsparungen beim begleitenden Lehrpersonal seien aber keine vorgesehen.
Stigmatisierung von Sonderschülern
Der Inspektionsbezirk 17 ist für allgemeine Sonderschulen und 18 für Kinder zuständig, die - wenn auch nur vorübergehend - in keiner Regelschule betreut werden können. "Bis jetzt war es so, dass extrem verhaltensauffällige Schüler aus ihren Klassen vorübergehend herausgenommen werden konnten und maximal zwei Jahre lang in kleinen Gruppen in einer Sondererziehungsschule betreut wurden", sagte ein Lehrer, der anonym bleiben möchte, zur "Wiener Zeitung". Ziel sei es dabei aber immer gewesen, den Kontakt zur Stammschule zu erhalten, und das Kind dann wieder in seine ursprüngliche Klasse zu integrieren. "Das ist ja auch die Aufgabe von uns, mobilen Beratungslehrern, wir sind die Nabelschnur sozusagen, halten Kontakt mit dem Kind und besprechen mit der Klasse das Problem. Wenn dann der Schüler wieder zurückkommen kann, ist das ein Highlight für alle. Er hat soziale Kompetenzen erhalten und kann wieder im Klassenverband bestehen", so der Lehrer.
Was ist passiert? Mit der neuen Bildungsreform werden nun all diese Schüler formal nicht mehr der Regelschule, sondern der Sondererziehungsschule zugewiesen. Das Argument des Bildungsministeriums dabei ist: "Keine Schule ohne Schüler". Die mobilen Beratungs- und Förderlehrer sehen darin aber ein massives Problem: "Damit erhält das verhaltensauffällige Kind das Zeugnis statt wie bisher von der Regelschule nun von der Sondererziehungsschule samt Adresse. Das ist eine Stigmatisierung. Dieses Kind wird, obwohl es vielleicht hochbegabt ist oder viel dazu gelernt hat, keinen Platz in einer weiteren Schule seiner Wahl bekommen. Denn jeder sieht im Verwaltungsprogramm, dass dieser Schüler von einer Sondererziehungsschule kommt", erklärte der Lehrer.
Die Inspektoren des Stadtschulrates versuchten zu beruhigen und sprachen von "Rückführungsschulen". Man werde sich bemühen, trotz des formalen Aktes, diese Kinder wieder in Regelschulen zu integrieren, hieß es. Viele der Lehrer bezweifelten jedoch, dass diese Schüler je wieder in ihre ursprünglichen Klassen zurückkommen können.
Und ein weiteres Problem wurde angesprochen: Vor langer Zeit habe es in Wien nur Beratungslehrer gegeben. Diese waren unabhängig und konnten so als externe mobile Berater an Schulen Hilfestellung leisten. Heute gibt es nicht nur Beratungslehrer. Eine Fülle von Berufen tummelt sich an Wiens Schulen, und es wird mehr: Schulpsychologen, Schulsozialarbeiter, Beratungslehrer, Förderlehrer oder Psychagogen. "Und wir kämpfen alle um dasselbe Aufgabengebiet. Hier braucht es viel mehr Klarheit, wer was zu tun hat. Es gibt ständig Überschneidungen", so eine Lehrerin.
Doch auch die Schulinspektoren konnten an diesem Tag nicht hundertprozentig sagen, wie es weitergehen wird. Die Lehrer der Inspektionsbezirke 17 und 18 sollten auf jeden Fall so weiter arbeiten können wie bisher, hieß es. Das erhoffte man sich überhaupt für das gesamte Wiener Fördermodell: Im großen Rahmen weiterarbeiten zu können.