Zum Hauptinhalt springen

Wiens intensive Sprachförderung

Von Alexia Weiss

Politik
Expertinnen Margret Sharifpour-Langroudi, Dzenita Özcan. Foto: weiss

Elf Stunden Deutsch pro Woche zusätzlich. | In 17 Sprachen gibt es Muttersprachenunterricht | Wien. Die Wiener Schullandschaft wird sprachlich heterogener, sagt Margret Sharifpour-Langroudi. Sie ist am Sprachförderzentrum Wien für den Bereich Volksschule zuständig. Seit fünf Jahren ist für jene Kinder, die Deutsch gar nicht oder kaum beherrschen, österreichweit gesetzlich eine verpflichtende Sprachförderung verankert. So lange gibt es auch das Sprachförderzentrum.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Kinder mit mangelnden Deutschkenntnissen werden als außerordentliche Schüler geführt und haben bis zu zwei Jahre Zeit, die Unterrichtssprache Deutsch zu erlernen. Die verpflichtende Sprachförderung greift ihnen dabei seit dem Schuljahr 2006/07 kräftig unter die Arme: Elf Stunden in der Woche erhalten sie intensiven Unterricht in Deutsch als Zweitsprache, bis sie die Ziele des Sprachniveaus A, angelehnt an den Europäischen Referenzrahmen für das Fremdsprachenlernen, erreicht haben. Darauf aufbauend gibt es seit heuer die "nachhaltige Sprachförderung" von fünf Wochenstunden.

Der Sprachförderunterricht kann in Kursform oder integrativ im Klassenverband in Form von Teamteaching erfolgen, so Sharifpour-Langroudi. Speziell in der Führung von Sprachförderkursen eingeschulte Sprachvermittler - meist Volksschul- oder Hauptschullehrer mit eigener Ausbildung - hielten im Schuljahr 2009/10 an Wiener Pflichtschulen 290 Kurse.

Unterstützt werden diese Pädagogen durch das Sprachförderzentrum. Wer erstmals einen Sprachförderkurs hält, wird hier in die Grundlagen des Unterrichts für Deutsch als Zweitsprache und in das Unterrichtsprinzip "Interkulturelles Lernen" eingeführt. Hinzukommen Workshops oder Informationsveranstaltungen, zudem wertet das Sprachförderzentrum Teile einer Verlaufsdokumentation, die den Lernfortschritt jedes Schülers im Sprachförderkurs dokumentiert, quantitativ aus.

2009/10 erhielten 3230 Schüler an Wiener Volks-, Haupt- und Polytechnischen Schulen speziellen Unterricht in Deutsch als Zweitsprache. Ein Jahr zuvor waren es um 639 mehr gewesen. Sharifpour-Langroudi sieht die Veränderung im Kontext des Wiener Modells "1+1": ein Jahr Sprachförderung im Kindergarten und ein Jahr in der Vorschulklasse. Dennoch benötigten auch viele der Kinder mit anderen Erstsprachen, die bereits ein Jahr im Kindergarten waren, spezielle Förderung in Deutsch. Spracherwerb brauche eben Zeit, betont die Expertin, "und ist auch nach vier Jahren Volksschule nicht abgeschlossen". Immer wieder sei aus Kindergärten zu hören, dass die Leitung mehrsprachigen Pädagoginnen untersage, mit den Kindern in ihrer Muttersprache zu sprechen. Dabei müsste eine Hilfestellung in den Erstsprachen der Kinder doch begrüßenswert sein, meint Sharifpour-Langroudi.

15.000 Schüler besuchen den Muttersprachenunterricht

Das Sprachförderzentrum nimmt sich nicht nur des Deutschförderunterrichts an. Seit 2007/08 betreut es auch Wiener Muttersprachenlehrer. Zuständig für diesen Bereich ist Dzenita Özcan, die selbst viele Jahre lang im Unterricht für Bosnisch/Kroatisch/Serbisch (BKS) eingesetzt war. Der Muttersprachenunterricht in den BKS-Sprachen und in Türkisch wurde in den 70er Jahren eingeführt - ursprünglich um die Kinder auf die Rückkehr in ihre Heimat vorzubereiten. Seit 1992 ist dieser freiwillige Unterricht Teil des österreichischen Schulwesens.

An Wiens Pflichtschulen besuchen derzeit rund 15.000 Schüler den Unterricht in ihrer Erstsprache, den es heute in 17 Sprachen gibt: Albanisch, Arabisch, BKS, Bulgarisch, Chinesisch, Dari, Farsi, Koptisch, Kurdisch, Paschtu, Polnisch, Romanes, Rumänisch, Slowakisch, Tschechisch, Tschetschenisch und Türkisch. Özcan freut sich über ein steigendes Interesse: Nicht nur Schüler würden sich verstärkt anmelden, auch von den Direktoren würden die Muttersprachenlehrer immer mehr geschätzt. "Sie haben erkannt, dass die Muttersprachenlehrer sich auch sehr stark in der Elternarbeit einbringen können und eine Stütze für die anderen Lehrer sind", so Özcan.

210 Muttersprachenlehrer sind in Wien derzeit im Einsatz. In den vergangenen Jahren hat ein Generationenwechsel eingesetzt: Ein Drittel ging in Pension, junge Pädagogen haben übernommen. Die neu angestellten Muttersprachenlehrer werden im Sprachförderzentrum vor Dienstbeginn eine Woche didaktisch eingeschult. Ihnen bietet das Sprachförderzentrum ebenfalls eine Vielzahl fachspezifischer Veranstaltungen an.

Özcan ist es ein Anliegen, "Mehrsprachigkeit als Selbstverständlichkeit in der österreichischen Gesellschaft zu etablieren". Sie würde sich freuen, würde der Muttersprachenunterricht ausgeweitet. Das derzeitige Angebot umfasst zwei bis drei Wochenstunden, mehr wäre wünschenswert. "Es passiert aber viel", betont Özcan, und: "Jeder neue Schritt vorwärts zählt."

LinkWebsite Sprachförderzentrum Wien