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Wiens Trinkwasser als Unesco-Welterbe

Von David Manolo Sailer

Gastkommentare

Die Eröffnung der ersten Wiener Hochquellleitung durch Kaiser Franz Josef jährt sich heuer zum 150. Mal - und die Bedeutung des kristallklaren Goldes für Wien ist seitdem ungebrochen.


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Wasser ist ein Weltthema. Und in der Epoche des anhebenden Anthropozäns eine Aufgabe von weltpolitischem Ausmaß. Allein heute leben noch immer 2 Milliarden Menschen ohne sichere Trinkwasserversorgung, darunter 1,2 Milliarden ohne die fundamentalste Grundversorgung. Zahlen, die sich bis 2050 noch weiter steigern könnten und die Welt auf eine globale Wasserkrise zusteuern ließen. Es sind Zeiten, in denen die Wasserthematik merklich an globaler Relevanz und auch an alltäglicher Bedeutung gewinnt - und so ganz alltäglich ist die Verfügbarkeit des kristallklaren Goldes in der Geschichte Wiens auch nicht.

Die wertvollste Ressource der Welt

Im Lichte des Klimawandels geht es um ein Wechselspiel aus globaler Achtsamkeit und regionaler Subsidiarität. Zugleich ist der Mensch im Anthropozän selbst zur Naturgewalt geworden, zur "geological force": Und so ist der Schneemangel des aktuellen Winters die Trockenheit des nächsten Sommers. Das hat Konsequenzen für die Landwirtschaft, bei der Nahrungsmittelproduktion sowie im Bereich der Güterlogistik, wo niedrige Flusspegelstände auf den Wasserstraßen die Transportkosten steigen lassen und die Produktionspreise weiter anheizen.

Nicht zuletzt erscheint die Wasserknappheit in der Energiewirtschaft - egal ob bei der Kühlung französischer Atomkraftwerke, bei norwegischen Wasserkraftwerken oder bei der gesamteuropäischen Stromproduktion (Stichwort: Strom aus Erneuerbaren oder aus Gas) - hochproblematisch.

Österreichs natürlicher Wasserreichtum

Durch den natürlichen Wasserreichtum Österreichs und kluge infrastrukturelle Investitionen über Generationen kommt Wien eine deutlich privilegierte Stellung zu. Ein Privileg, aus dem allerdings auch Verantwortung erwächst. Denn wo - wie in Teilen Europas bereits - der Verteilungskampf ums Wasser beginnt, dort gibt es meist nur Verlierer. Umso wichtiger erscheint der aktuell in Ausarbeitung befindliche Vorsorge- und Notfallplan für die Trinkwasserversorgung im Falle (zugegebenermaßen unwahrscheinlicher) überregionaler Engpässe - ja, auch und gerade im Lichte einer aktuell gesicherten Wasserversorgung Österreichs.

Denn das Lebenselement gerät zunehmend unter Druck, auch in Österreich. Und so steht die Geschichte des Wiener Hochquellwassers sinnbildlich für zivilisatorische Errungenschaften und eine Daseinsvorsorge, die wir heute als selbstverständlich erachten: Bereits seit 1973 sind die Einzugsgebiete der Hochquellenleitungen Schutz- und Schongebiet, seit 2001 schützt die Stadt Wien das Trinkwasser mit einer eigenen Verfassungsbestimmung (Wiener Wassercharta).

Und wenn Wien nunmehr die Verdoppelung der Wasserspeicherkapazitäten auf 2 Milliarden Liter in Angriff nimmt, so ist das angesichts einer wachsenden Bevölkerung, Trockenheit und sinkender Grundwasserspiegel elementar. Denn Verantwortung ist auch eine Generationenaufgabe, und so wäre es - anlässlich des 150-jährigen Jubiläums der Eröffnung der ersten Wiener Hochquellleitung - wohl ein charmantes Zeichen von zukunftsweisender und generationenübergreifender Weitsicht, dieser bedeutsamen Natur- und Kulturstätte letztendlich und letztgültig ebenjenen Platz zuzuweisen, den sie für Generationen von Wienern schon immer hatte: als Weltkulturerbe.

Die Wiener Hochquellleitungen und damit das Wiener Trinkwasser in den Status eines Weltkulturerbes zu erheben - als 13. österreichische Welterbestätte -, das wäre der Vorschlag. Ein Antrag seitens der Österreichischen Bundesregierung zur Aufnahme in die sogenannte Tentativliste der Unesco wäre als eine erste Absichtserklärung - und vor Beibringung der nötigen Studien und hydrologisch-baulichen Gutachten - im ersten Schritt bereits ausreichend.

Eine Meisterleistung und ein aquatischer Leuchtturm

Denn die Kriterien der Einzigartigkeit und Authentizität dieser architektonisch-technologischen Meisterleistung ihrer Zeit scheinen im Falle der Hochquellleitung ebenso erfüllt wie ihre Versiertheit und Innovationskraft in puncto Versorgungssicherheit: Das Leitungssystem bringt das hochreine Gebirgswasser in freiem Gefälle, klimaneutral, nach Wien und ist zudem von internationaler Strahlkraft, steht das Wiener Wasser doch für eine der besten Trinkwasserqualitäten weltweit. Ein aquatischer Leuchtturm und ein Wassererbe, mit dem wir ressourcen- und generationengerecht umgehen sollten.

Es ist ein ernstes Ansinnen, das von einem nachhaltig stil- und verantwortungsvollen Politikhandeln durchströmt und beseelt wäre. Denn die Geschichte des Wiener Wassers bietet nicht nur nachhaltige Impulse für eine kluge Stadtentwicklung, ein achtsames Miteinander und eine verantwortungsvolle Wirtschaft. Sie ist vielmehr auch die Erzählung eines bedrohten und begrenzten Naturelements, das in den Adern der Wiener Stadtkultur fließt. 150 Jahre, in denen schon viel Wiener Stadtgeschichte die Donau herabgeflossen ist. Dem Wiener Trinkwasser im Jubiläumsjahr den Status eines Weltkulturerbes zuzuerkennen, wäre charmant. Denn wenn wir über Wiens Lebensqualität sprechen, denken wir da nicht unweigerlich auch an den Wert unseres Trinkwassers?