Sieben von zehn Müttern arbeiten Teilzeit. Ohne Ausbau der Kinderbetreuung ist der Gender-Pay-Gap nicht zu schließen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 3 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Das traditionelle Modell "Vater geht arbeiten, Mutter kümmert sich um die Kinder" ist Geschichte. Heute heißt es: "Vater geht arbeiten, Mutter kümmert sich um die Kinder - und geht auch arbeiten." Zumindest ein bisschen. In der Lebensrealität der durchschnittlichen österreichischen Familie arbeiten die Väter Vollzeit, die Mütter Teilzeit.
Österreich liegt bei der Teilzeitarbeit EU-weit im Spitzenfeld. 28 Prozent der in Österreich Beschäftigten arbeiten weniger als 40 beziehungsweise 38 Stunden pro Woche. Nur in den Niederlanden ist die Teilzeitquote mit 43 Prozent höher. Und: Teilzeit ist hierzulande Frauensache; erst recht, wenn Kinder dazu kommen.
Zuwachs nur bei Teilzeit
"Frauenberufstätigkeit ist in Österreich Teilzeitarbeit", sagt Gundi Wentner, Partnerin beim Unternehmensberater Deloitte. Laut Statistik Austria war im Vorjahr fast jede zweite Frau in Teilzeit beschäftigt, während es bei den Männern im Schnitt einer von zehn war. Bei Eltern steigt dieses Ungleichgewicht noch einmal ordentlich an. 78,7 Prozent der Mütter mit Kindern zwischen 3 und 6 Jahren arbeiten in Teilzeit. Bei den Vätern sind es lediglich 8,5 Prozent.
Und noch ein Phänomen bringt die Erwerbsstatistik zutage: Während die Vollzeitbeschäftigung seit 1994 stagniert, basiert der gesamte Beschäftigungszuwachs auf Teilzeitstellen (siehe Grafik). Ein erheblicher Anteil davon entfällt einmal mehr auf Frauen. "Der Anstieg der Frauenerwerbstätigkeit ist ausschließlich auf die Teilzeit zurückzuführen", sagt Katharina Mader von der Arbeiterkammer Wien.
Während 1994 rund 61 Prozent aller Frauen berufstätig oder zumindest auf Jobsuche waren, sind es heute 72 Prozent, so Mader. "Tatsächlich war die Teilzeitarbeit eines der ersten Instrumente, das Frauen überhaupt in Beschäftigung gebracht hat", meint sie. Viele, die zuvor nach der Geburt zu Hause geblieben seien, hätten sich so nach der Karenz etwa halbtags etwas dazuverdient.
Baustelle Kinderbetreuung
Um den Anteil der bezahlten und unbezahlten Arbeit zwischen den Geschlechtern gerechter aufzuteilen, haben Arbeiterkammer und Gewerkschaft am Montag einen Vorschlag zur Verteilung von Teilzeitarbeit vorgestellt. Laut dem Modell für eine "Familienarbeitszeit" soll es 250 Euro monatlich für jeden Elternteil geben, wenn nicht nur einer davon die Arbeitszeit reduziert, sondern beide zwischen 28 und 32 Stunden pro Woche arbeiten, so der Wunsch.
"Es scheint, als wäre eine gleichere Verteilung von allein nicht möglich", verteidigt Mader den Vorschlag. Das Modell soll aus Steuergeld finanziert werden und auf höchstens vier Jahre begrenzt werden. Dadurch würden auch Männer stärker in die Kinderbetreuung eingebunden, und Frauen könnten mehr Erwerbsarbeit verrichten.
"Das Modell ist okay, aber es löst nicht das große Problem der Kinderbetreuung", meint Wentner von Deloitte dazu. "Wenn zu Mittag die Schule oder der Kindergarten schließt, kann ein Elternteil nicht in Vollzeit arbeiten. Dass wir die Ganztagsschule nicht als Regelschulmodell haben, ist ein Skandal." Außerdem seien die 250 Euro pro Monat ein Anreiz für die unteren Einkommen, aber eher nicht für Väter mit hohen Gehältern.
In eine ähnliche Richtung geht auch die Kritik von Monika Köppl-Turyna, Direktorin des Forschungsinstituts Eco Austria. Der steuerfinanzierte Bonus, wenn Männer ihre Arbeitszeit reduzieren, löse nicht das Problem, dass Frauen sehr lange in einer Teilzeitbeschäftigung bleiben, meint sie. "Wir schaffen hier einen Ausgleich nach unten, statt die Rahmenbedingungen zu ändern, sodass Eltern tatsächlich frei entscheiden können, wer wie viel arbeitet", sagt die Ökonomin. Das Geld wäre besser in den Ausbau der Kinderbetreuung und vor allem in die Ausweitung der Öffnungszeiten von Kinderbetreuungsstätten angelegt, meint sie.
Tatsächlich wurde die Kinderbetreuung in den vergangenen Jahren in Österreich stark ausgebaut. Aber: Die Zahl der ganztägig betreuten Kinder hat sich in den vergangenen Jahrzehnten nicht wesentlich geändert. Der Großteil des Ausbaus entfällt auf Halbtags- und Teilzeitbetreuung. Nur 48 Prozent der vorschulischen Kinderbetreuungseinrichtungen in Österreich erfüllen die sogenannten VIF-Kriterien, die es beiden Eltern ermöglichen, in Vollzeit zu arbeiten. Sie haben also 9,5 Stunden täglich, 45 Stunden pro Woche, 47 Wochen im Jahr offen und bieten ein Mittagessen an. Und dabei gibt es große Unterschiede zwischen den Bundesländern: In Wien trifft das auf 93 Prozent der Kindergärten zu, in Niederösterreich und Oberösterreich nur auf etwa ein Fünftel.
Fördert Fachkräftemangel
Die hohe Teilzeitquote wirkt sich auf das Einkommen aus. Während Männer hierzulande im Schnitt 35.840 Euro brutto verdienen, ist das Jahresgehalt von Frauen mit 22.800 Euro um 36,4 Prozent geringer. Bei den Pensionen ist der Pay-Gap mit 39 Prozent noch klarer. Laut Wentner verschärft die Teilzeit zudem den Fachkräftemangel im hochqualifizierten Bereich. Akademikerinnen, die nach der Geburt ihre Arbeitszeit stark reduzieren, stehen nicht mehr für Führungs- und Schlüsselpositionen zur Verfügung, die dann schwer zu besetzen sind.