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Wifo: "Es ist eine Glaubensfrage"

Von Konstanze Walther

Wirtschaft

Experten uneins über Wirkung einer Transaktionssteuer. | Oft zitiertes Wundermittel. | Wien. "Es geht ein neues Gespenst um", sagt Poul N. Rasmussen in Anlehnung an den Eröffnungssatz des Kommunistischen Manifests von Karl Marx. Rasmussen, Präsident der Sozialdemokratischen Partei Europas, präzisiert im Nachfolgesatz seine Stoßrichtung: Es sei "ein gesichtsloses Gespenst der finanziellen Mächte, das Angst verursacht". Rasmussen war am Donnerstag in Wien für den Startsschuss einer Initiative zur Regulierung der Weltfinanzmärkte. Der Vorstoß wird getragen von Europas Sozialdemokraten und den Gewerkschaftsbünden.


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Die zentralen Forderungen, die SPE-Präsident Rasmussen, Finanzstaatssekretär Andreas Schieder, Arbeiterkammer-Präsident Herbert Tumpel und ÖGB-Chef Erich Foglar am Donnerstag präsentierten, waren die Schließung von Steueroasen und die Einführung einer Finanztransaktionssteuer (FTS). "Während Regierungen noch die Folgen der Finanzkrise bekämpfen, wird schon wieder heftig spekuliert und gegen Griechenland gewettet", erklärt Schieder: "Die europäische Währung wird von Hedgefonds angegriffen."

Märkte in Watte packen

"Manisch-depressiv", nennt Stephan Schulmeister, Ökonom vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo), die Ausschläge des Finanzmarkts nach oben und unten. Er hat jene Studie angefertigt, die nun von allen FTS-Befürwortern zitiert wird. Seine Theorie: "Wenn ich ein wenig vom Gewinn kappe, mache ich die Spiele weniger attraktiv." Er tritt für eine Steuer auf sämtliche Transaktionen mit Finanzwerten wie Aktien, Devisen sowie Finanz- und Rohstoffderivaten ein (im Unterschied zu der lange Zeit bekannteren "Tobin-Steuer", die nur die Devisentransaktionen erfassen sollte). Schulmeister will aufgrund der Effizienz alle Transaktionen mit einem einheitlichen Satz besteuern, der dem einzelnen Anleger nicht allzu weh tun sollte - zwischen 0,1 und 0,01 Prozent des Basiswerts. Auf den Derivatmärkten sind die Transaktionskosten (anders als bei Aktien) derzeit sehr gering - eine FTS von 0,01 Prozent würde nach Schulmeisters Schätzung den Derivatenhandel um bis zu 40 Prozent zurückgehen lassen. Wenn eine FTS von 0,01 Prozent auf alle Transaktionen allein in Deutschland aufgeschlagen würde, könnte Berlin daraus 0,5 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts lukrieren.

Peter Brandner, Ökonom im Finanzministerium, steht der Wifo-Studie kritisch gegenüber: "Alle behaupten, dass die Trader zahlen würden, aber dazu gibt es keine Anhaltspunkte. Die Steuer würden vor allem von anderen getragen werden, als es die Befürworter der FTS intendiert haben." Eine einheitliche Steuer wäre zudem nicht marktneutral, meint Brandner. Niemand könne sagen, wie die jeweiligen Portfolios, allein von Privatpensionsfonds, umstrukturiert werden. Bei einer Abendveranstaltung im Finanzministerium warf Brandner der Wifo-Studie vor, unwissenschaftlich und ohne Empirie entstanden zu sein. Schulmeister selbst trug den Angriff mit Fassung und räumte Unklarheiten ein. "Ich bin Forscher, kein Wissenschafter. Und ich weiß, ich gehe mit der Finanztransaktionssteuer ein bisschen ins Ungewisse." Nachsatz: "Die Finanztransaktionssteuer ist eine unfassbare Glaubensfrage", so Schulmeister. Ob sie ein Allheilsbringer sei, ist sich selbst der Wifo-Experte nicht sicher.

Risiken werden teurer

Brandner hingegen erachtet es für sinnvoller, den Faktor Arbeit zu entlasten und eine Vermögenssteuer einzuführen, anstatt "Versuchsballons" auf den Märkten zu starten. Viele Derivatgeschäfte wären Sicherungsgeschäfte - etwa gegen Rohstoffschwankungen. Hier bestehe die Gefahr, risikobewusste Anleger mit bloßen Spekulanten zu verwechseln.

Transaktionssteuer: Pro & Contra

Für die Finanztransaktionssteuer (FTS) werden folgende Argumente angeführt:

* Durch zu kurzfristige Transaktionen herrscht ein Übermaß an Liquidität - das kann zu einer Überhitzung der Märkte führen.

* Spekulation kann auch langfristig wichtige Preise, wie etwa Rohstoffe, von ihrem "natürlichen" Wert wegbewegen.

* Spekulation wird als Geldgewinnung wichtiger als die Realwirtschaft.

* Eine Transaktionssteuer würde vor allem kurzfristige Geschäfte abstrafen und daher vor allem die destabilisierenden Geschäfte belasten.

* Da Finanzdienstleistungen von der Mehrwertsteuer ausgenommen sind, könnte hier mit einer FTS angesetzt werden.

* Der Steuerertrag würde erheblich erhöht.

Dagegen behaupten die Gegner einer FTS:

* Die derzeitige Liquidität ist nötig, um die Marktwerte zu bestimmen. Durch Spekulation werden die Preise gebildet - dadurch wirkt sie stabilisierend.

* Viele Transaktionen stammen von Kurssicherungsgeschäften ("hedging"): Risikomanagement, das wichtig für die Realwirtschaft ist.

* Eine FTS würde die Volatilität erhöhen - Geschäfte werden zwar nur zögernd gemacht, aber der Trend schlägt gleich stärker aus.

* Die exzessiven Spitzen werden nicht durch Spekulationen ausgelöst, sondern durch externe Faktoren (etwa Dürreperioden).

* Die Händler werden Möglichkeiten finden, die FTS zu umgehen oder sie auf den Konsumenten umwälzen.