Höhere Zahlungen Wiens an Brüssel fix. | Kürzungen bei ländlicher Entwicklung wären "Fehler". | Österreich zahlt heuer knapp 620 Milliarden Euro. | Brüssel/Wien. Ob doppelt oder drei mal so viel, ist noch nicht klar. Doch eines ist fix: Österreich wird in der kommenden Finanzperiode mehr Geld nach Brüssel überweisen als bisher. Laut schwedischen Berechnungen würde es sogar zum zweitgrößten Nettozahler werden: Die Differenz zwischen EU-Beiträgen und Rückflüssen für Förderungen läge im Schnitt bei 950 Millionen Euro - 118 Euro pro Kopf jährlich. Das entspräche 0,38 Prozent der Wirtschaftsleistung.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 18 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Den Leiter des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), Karl Aiginger, wundert das kaum. "Österreich ist eines der fünf reichsten Länder Europas und muss daher einen Nettobeitrag zahlen", sagt Aiginger im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Er verweist auf den Solidaritätsgedanken: "Ärmere Länder müssen aufholen können, was auch den Reicheren zu Gute kommt." Und die neuen EU-Staaten wachsen immerhin um zwei Prozent pro Jahr schneller als die alten.
Von dem Aufholprozess würde Österreich besonders profitieren, betont der Wifo-Leiter. Wien müsste nämlich auch für die Entwicklung ärmerer Regionen im Süden Europas mehr zahlen. Davon hätte es aber weit weniger als vom Aufschwung der neuen EU-Staaten, von denen vier an Österreich grenzen. Schon bisher hat das Land mit seinen wirtschaftlichen Beziehungen zu den neuen Mitgliedern von der Osterweiterung der Europäischen Union Nutzen gezogen.
Den Trend, dass alle EU-Staaten nun weniger zahlen wollen als im ambitionierten Vorschlag der Kommission vorgesehen, hält der Experte daher für wirtschaftlich nicht sinnvoll.
Strukturen verändern
Wenig kann Aiginger aber auch den Plänen zur Kürzung der ländlichen Entwicklung abgewinnen. Die Mittel dafür wollten die Briten auf knapp 75 Milliarden Euro beschränken - etwa acht Milliarden weniger als im Kompromissvorschlag der Luxemburger vom Juni veranschlagt. Dies wäre "ein Nachteil für Österreich und ein Fehler für Europa", meint der Wifo-Leiter. Denn im Gegensatz zur starren Agrarförderung - die weder mit dem Ziel der Wettbewerbsförderung noch der Stärkung Europas zu argumentieren sei - könne die ländliche Entwicklung Strukturen verändern und etwa zur Ökologisierung der Landwirtschaft beitragen.
Der Bedeutung der produktionsunabhängigen Förderung ist sich auch die Bundesregierung bewusst. In Diplomatenkreisen kursieren bereits Pläne, die ländliche Entwicklung aus nationalen Mitteln zu stützen, sollten die Förderungen aus Brüssel gekürzt werden.
Minister in Zwickmühle
Auch wenn die Nettozahlungen der EU-Staaten von Jahr zu Jahr schwanken (siehe Artikel rechts) - die Beiträge aus nationalen Budgets zum gemeinsamen EU-Haushalt wachsen. Damit sind die Finanzminister in der Zwickmühle. Einerseits müssen sie mehr Geld nach Brüssel abliefern. Andererseits müssen sie darauf achten, die im Euro-Stabilitätspakt festgelegten Kriterien zu erfüllen. So darf das Budgetdefizit eines Landes drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht überschreiten.
Laut Wifo-Leiter Aiginger wäre daher eine eigene Steuerbasis für die EU sinnvoll. Denkbar wäre etwa eine Kerosin- oder Tobin-Steuer (auf bestimmte Finanztransaktionen).
Die Einführung einer EU-Steuer hatte unter anderem auch Bundeskanzler Wolfgang Schüssel mehrmals angeregt. Für eine unabhängige Einnahmenquelle der Europäischen Union zeigen mittlerweile immer mehr Mitgliedsstaaten Sympathie.
Siehe auch:Zahlungen schwanken von Jahr zu Jahr
+++ Hartes Ringen um Finanz-Einigung