Zum Hauptinhalt springen

Wikingerschiff in den Fjorden

Von Eva Stanzl

Wissen

Österreichisch-norwegisches Archäologenteam entdeckt das erste Wikingerschiff seit 100 Jahren.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 6 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Oslo/Wien. 20 Meter lang und für Raubzüge bestens gerüstet: Mit hochauflösendem Bodenradar hat ein norwegisch-österreichisches Archäologenteam die Überreste eines mindestens 1200 Jahre alten Wikingerschiffes entdeckt. Der Fundort liegt in der Nähe des Grabmonuments von Jelle in den Oslofjorden, eine der bedeutendsten archäologischen Stätten der Wikinger. Die Visualisierungen der Radardaten zeigen eine schiffsförmige Struktur. Das Schiff ist das erste in dieser Größe, das seit 100 Jahren gefunden wurde. Es liegt nur 50 Zentimeter unter dem Boden. Die Visualisierungen zeigen, dass der Kiel offenbar intakt ist.

"Schiffe waren ein elementarer Bestandteil des Bestattungsritus hochgestellter Persönlichkeiten der Wikinger", sagt Wolfgang Neubauer, Leiter des Ludwig Boltzmann Instituts für Archäologische Prospektion und virtuelle Archäologie (LBI ArchPro). Während die normale Bevölkerung nur in Booten beigesetzt worden sei, seien Wikingerhäuptlinge mit ihren Schiffen und zahlreichen Opfer- und Grabbeigaben bestattet worden. Die Untertanen fuhren mit dem Leichnam im Schiff zur Grabstätte, zogen dieses an Land und bedeckten es mit einem Grabhügel, aus dem nur der Mast emporragte.

"Auch dieses Schiff lag unter einem Grabhügel, der jedoch im 19. Jahrhundert geebnet wurde, um Landwirtschaft betreiben zu können. Die Erde wurde verbreitet, mit den Ausschüttungen wurden zum Teil Straßen angeschottert. Aus diesem Grund liegt das Schiff knapp unter der beackerten Schicht", erklärt Neubauer, mit dessen motorisiertem Bodenradar der Fund gelang. Die Arbeiten erfolgten gemeinsam mit dem norwegischen Institut für Kulturgüterforschung. Gescannt wurde eine Fläche von zehn Quadratkilometern. "Die Messungen zeigen, dass rundherum ein Grabhügelfeld war, das allerdings ebenfalls durch landwirtschaftliche Aktivität zerstört wurde", sagt Neubauer.

Aus der länglichen Form schließt das Team, dass es sich um ein großes Kriegsschiff handelt, das auch bei Raubzügen zum Einsatz kam. (Wikinger-Handelsschiffe waren kürzer und breiter.) Die Messdaten zeigen, dass das Holz, aus dem es gebaut wurde, im Boden gut konserviert ist. "Wenn wir den Boden allerdings öffnen und Luft dazu kommt, könnte das Holz zerfallen", gibt Neubauer zu bedenken. Das Baujahr schätzen die Archäologen auf das siebente bis neunte Jahrhundert, "jedoch können wir derzeit nur spekulieren".

Intensive Landwirtschaft

Es ist das erste große Wikingerschiff, das seit mehr als 100 Jahren gefunden wurde. Der reichste und wichtigste Fund aus der Wikingerzeit ist das Oseberg-Schiff, das 1904 unter einem Grabhügel auf einem Bauernhof am westlichen Ufer des Oslofjords gefunden worden war. Es war der dritte norwegische Fund nach dem Tuneschiff 1867 und dem Gokstadschiff 1870. Sie alle waren ausgegraben und zum Teil mit Hilfe von Chemikalien konserviert worden, was weiterführende Analysen mit modernen Methoden heute erschwert.

Der neue Fund kann nun bis ins kleinste Detail - von der Herkunft der Hölzer über die Bauart bis zur genauen Herkunft des Wikingerstammes - erforscht werden. Die Wissenschafter planen zunächst weitere zerstörungsfreie Analysen. "Mit magnetischer Prospektion lässt sich feststellen, wo Eisen liegt, also konkret die Eisennieten des Schiffs. Die Elektromagnetik hat im feuchteren Boden an der Fundstelle größere Eindringtiefen", sagt Neubauer. In weiterer Folge seien Ausgrabungen zur Sicherung des Fundes notwendig, da eine intensive Landwirtschaft Funde nicht überleben ließe.

Neben den Grabhügeln wurden auch Spuren von fünf Langhäusern, teilweise von beachtlicher Größe gefunden. Die österreichischen Archäologen hatten vor fünf Jahren maßgeblich zur Entdeckung eines wikingerzeitlichen Häuptlingssitzes beigetragen.