Sparen ist eine jener Tugenden, die sich im Privat- und Geschäftsleben sehr viel größerer Beliebtheit erfreut als in der Politik - auch wenn einen da angesichts der ständig steigenden Zahl von Privat- und Firmenkonkursen mitunter durchaus Zweifel befallen könnten.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Zusätzlich verkompliziert wird diese Analogie zwischen privatem und öffentlichem Handeln noch durch die unterschiedliche Situationsdynamik: Während die Bürger in guten Zeiten durchaus spendabel agieren - und im Sinne der Konjunktur auch sollen - und in schlechten den Gürtel enger schnellen, ist der Staat vor allem in wirtschaftlich schwierigen Zeiten gefordert, sein Börserl zu öffnen, um belebende Impulse an das schwächelnde Wachstum auszusenden.
Für ihn gilt daher das Sparsamkeitsgebot für Hochkonjunkturphasen, wie wir sie derzeit gerade erleben. So sieht es zumindest die in Österreich den Ton angebende keynesianische Wirtschaftstheorie.
Die dazugehörige Praxis erfüllt dagegen nicht immer die in sie gesetzten Erwartungen. Zwar haben sich Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und Vizekanzler Wilhelm Molterer in seltener Einigkeit den zahlreichen Begehrlichkeiten diverser Gruppen, die für 2010 geplante Steuerreform vorzuziehen, entgegengestemmt. Mit dem Sparen - das in der Politik fast immer gleichbedeutend ist, jemandem etwas wegzunehmen - hapert es allerdings, um gar nicht erst von strukturellen Reformen zu reden. Hier müht sich die versammelte Republik an Kleinstschritten ab.
Verdienstvollerweise hat nun der Bundesrechnungshof (RH) gezählte 206 Einzel-Sparvorschläge vorgelegt und damit die im Sommerloch dahindümpelnde Innenpolitik vorübergehend wieder mit etwas Substanz gefüttert. Auf stolze vier Milliarden Euro beziffert RH-Präsident Josef Moser das summierte Einsparungsvolumen, allein 2,9 Milliarden entfallen dabei auf den Gesundheitsbereich, mehr als eine weitere Milliarde durch ein Weiterdrehen am Pensionsreformrad, insbesondere in den Bereichen mancher Länder sowie bei den ÖBB.
Die Reaktion der unmittelbar Betroffenen war ebenso klar wie vorhersehbar: Die Eisenbahnergewerkschaft, die jetzt unter dem Namen Vida auftritt, packte gleich den Holzhammer aus und drohte mit Streik; die Reform-faulen Länder denken auch weiter nicht im Traum daran, ihren Landesbeamten die gleichen sozialen Grausamkeiten anzutun wie der Bund den seinen.
Und über die fast drei Milliarden Effizienzsteigerungspotenzial, die der Rechnungshof im Gesundheitswesen zu erkennen glaubt, wollen die betroffenen Interessenvertreter nicht einmal diskutieren. Schließlich ist die Botschaft in den Köpfen drinnen, dass der Apparat mehr Geld braucht. Im Rahmen der laufenden Finanzausgleichsverhandlungen wird ja nur noch über die Höhe der Mehrzuwendungen verhandelt. Ein schöner Kommunikationserfolg der Gesundheitsbranche, der dazu führt, dass jedes kritische Hinterfragen bestehender Ausgabenstrukturen automatisch mit dem Schandmal des Asozialen gebrandmarkt wird. Das spart viel Hirnschmalz und noch mehr unpopuläre Entscheidungen gegen die eigenen Klientels.
Tatsächlich würde die Umsetzung der RH-Reformvorschläge einen endgültigen Schlussstrich unter jene politische Kultur der verwaschenen Kompetenzen und verwobenen Interessen bedeuten, die manche als Grundpfeiler der Zweiten Republik verwechseln. Aber gemach: Das revolutionäre Feuer, mit dem der Rechnungshof spielt, wird sicher nicht den nötigen Sauerstoff bekommen.