Tradition und Moderne im Südafrika der Weißen. | Auch Weißen mangelt es oft an Perspektiven. | Schweres Erbe des Rassismus. | Port Elizabeth. "Hier in diesem 6000 Hektar großen Gehege haben wir unsere Big Five, also Büffel, Leopard, Löwe, Elefant und Nashorn." Lawrence Baker ist Ranger im Kamala Game Reserve. Der private Safari-Park liegt etwa 150 Kilometer nördlich von Port Elizabeth, der Hauptstadt der Provinz Eastern Cape in den Ausläufern der großen Karoo-Steppe.
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Es ist kurz nach 7 Uhr Früh, die Luft ist noch frisch, als unser Safari-Jeep das mehrfach gesicherte Tor mit der Aufschrift "Achtung Wilde Tiere" passiert. Der Frühnebel verzieht sich schließlich und gibt den Blick frei auf die üppige und sehr abwechslungsreiche Buschlandschaft, die beeindruckende Bergkulisse, den strahlend blauen Himmel und den einen oder anderen Vertreter der Big Five.
Bevor man daran denken könne, auf den regelmäßig im ganzen Land statt findenden Wildtier-Auktionen einen stattlichen Büffel oder ein schwarzes Rhinozeros zu ersteigern, müsse zuerst erst einmal das Gelände umzäunt werden. Und das sei sehr teuer, erklärt Johan de Bran. Der großgewachsene, blasse Bure ist Besitzer und Manager des Kamala-Game-Parks. In der Provinz Eastern Cape sind freilaufende Tiere nicht erlaubt, erzählt er, Zäune sind demnach eine rechtliche Verpflichtung. Es gibt sehr genaue Höhenangaben, so wie auch die Abstände zwischen den Streben und die Anzahl der Pfosten genau vorgeschrieben sind. Die Volt und Ampere-Stärke der elektrischen Zäune sind streng festgelegt.
Zecken als Management Tool
Es gibt Inspektoren, die alles kontrollieren kommen. "Wir haben ungefähr zwei Jahre gebraucht, um die 60 Kilometer Umzäunung für den 4000 Hektar Big-Five-Park fertig zu stellen. An diesem Bergmassiv, auf 1800 Meter Höhe, musst du das alles mit der Hand machen." Es hat sich ausgezahlt, finden wir, und genießen unseren Safari-Trip und die sich ständig verändernde Landschaft.
Johan de Bran hat vor fünf Jahren die Leitung des Kamala-Game-Reserve von seinem Vater übernommen. Begonnen habe der Senior im Jahr 1975 mit einer Rinder- und Schaffarm, erzählt der Bure. Im Laufe der Zeit kam immer mehr Land in der Nähe des verschlafenen Städtchens Somerset West dazu - finanziert durch den Verkauf von Antilopen und Springböcken, die sich schnell vermehrten und dann zur Jagd freigegeben wurden. An die hundert Rinder hält Johan de Bran heute. Sie dienen ihm als Management-Werkzeug für seinen Tierpark, sagt er, um die für die Wildtiere gefährlichen Zecken zu kontrollieren. Besonders die Elen-Antilopen, auch Elands genannt, profitieren von den Kühen. Wenn die Antilopen Kälber haben, sitzen die Zecken auf ihren Eutern. Die Jungtiere können nicht trinken und sterben dann an Unterernährung. "Da die Elands Wildtiere sind, können wir sie nicht fangen und behandeln. Deshalb verwenden wir unsere Kühe als Ziel für die Zecken. Die Insekten sitzen dann alle auf den Kühen, die wir im Stall mit Pestizid-Sprays gut behandeln können." Das Gift mache die Zecken steril, so Johan de Bran, sie können sich also nicht weiter vermehren. "So kontrollieren wir die Zeckenpopulation und stellen sicher, dass unsere Elands säugen können."
Die echte Burenwurst
Zur Ausstattung unserer "Cliffhanger Lodge" genannten Unterkunft gehört auch der obligatorische Braai-Platz, eine geräumige Grillstelle samt schön gestapelten Holzscheiten und zerknülltem Zeitungspapier. Ob er uns nicht ein Stück Fleisch verkaufen könne, fragen wir den Game-Resort- und Rinderfarm-Chef. "Kein Problem. Ich komme gegen halb acht mit Steaks und selbstgemachter Boerewors." Diese Burenwurst hat mit ihrer gleichnamigen Artgenossin aus heimischen Würstelständen gar nichts gemein. Lamm, Rind oder eine Kombination von beiden pikant gewürzt mit Kardamon, Koriander.. . Rump-T-Bone- oder Sirloin-Steak schmecken selten irgendwo besser als in Südafrika. Dazu noch ein Glas Shiraz aus der (burischen) Winzerhochburg Stellenbosch - man könne nämlich durchaus auch stilvoll braaien, betont Johan de Bran. Von der Sitte vieler junger Buren, sich mit großen Geländewagen (ein Nachfolger der Voortrekker-Planwagen?) im Halbkreis aufzustellen und literweise Bier zu trinken, während Fleischbrocken auf einem überdimensionalen Rost brutzeln und ein aktueller Hit aus dem Autoradio einem Burengeneral aus vergangenen Zeiten mit den Worten "de la Rey, de la Rey, willst du kommen und die Buren führen?" huldigt, hält der 42-jährige Großgrundbesitzer wenig. Dass seine burischen Mitbürger aufgrund der Apartheid-Vergangenheit von ausländischen Besuchern mitunter auch kritisch beäugt würden, sei ihm durchaus verständlich.
Die burische Bekundung der afrikanischen Identität aber auch, denn: "Wir sind schon seit Jahrhunderten hier, genau so lang wie die meisten Bantuvölker." Zulu und Xhosa seien schließlich auch nur Eindringlinge am Kap gewesen, so wie seine holländischen Vorfahren, die Mitte des 17. Jahrhunderts Südafrika erreichten. Heute gibt es geschätzte drei Millionen Buren im Land und etwa eine halbe Million in der Diaspora. Nicht wenige ehemalige Menschen erster Klasse beklagen heute schwarzen Rassismus im Alltag und den Mangel an Zukunftsperspektiven. Durch die seit Jahren gesetzlich verordnete Affirmative Action werden sogenannte ehemals Benachteiligte, also Schwarze, bevorzugt eingestellt. In den großen Städten wie Durban am Indischen Ozean sind erstaunlich viele weiße, Afrikaans sprechende Bettler auf den Straßen zu sehen.
Anders auf dem Land - dort scheint sich an den Verhältnissen seit Jahrzehnten kaum etwas
verändert zu haben, auch auf der Kamala-Farm der Familie de Bran. Schon immer haben die Arbeiter, ausschließlich Xhosa aus der
Region, gemeinsam mit ihren Familien in eigenen Häusern auf dem Rinderhof gelebt, betont
Johan, "und nicht so schlecht, meine ich".
Madiba über alles?
Mit der Ideologie der rechtsextremen, rassistischen Afrikaaner Weerstandsbeweging, die vor kurzem wegen der Ermordung ihres Führers Eugène Terre’Blanche international bekannt wurde, könne er nichts anfangen. "Auch für mich steht Mandela über allem, er ist eine Art Übermensch, im positiven Sinn", schwärmt er und gibt einen Toast auf Madiba, den Vater des neuen Südafrika aus. "Julius Malema aber geht zu weit", betont Johann de Bran. Der provokante Jungstar des African National Congress hatte wenige Tage vor der Ermordung Eugéne Terre’Blanches öffentlich das alte ANC-Anti-Apartheid-Kampflied "Kill the boer", "Tötet den Buren" angestimmt.
Von "Kill the British" ist im neuen Südafrika interessanterweise so gut wie nie die Rede. Die Briten kommen erstaunlich gut weg, findet Johan de Bran - auch wenn Präsident Jacob Zuma die Engländer während seines Staatsbesuch bei Queen und Premier im Februar als Rassisten und Kolonialisten bezeichnet hat. Englisch hat Afrikaans schon länger als wichtigste Verkehrssprache des Landes abgelöst und wird im Gegensatz zu Letzterer von der schwarzen Bevölkerung nicht als Sprache der Unterdrücker angefeindet. Strange enough - angesichts der zum Teil brutalen britischen Herrschaft (nicht nur) im südlichen Afrika.