Österreichs Versicherungsbranche steht wirtschaftlich zwar gut da. Der massive Wettbewerb, die neuen europaweiten Eigenkapitalvorschriften und das Zinstief stellen die Assekuranzen jedoch vor Herausforderungen.
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Wien. Gleich zwei Vorstandschefs großer heimischer Versicherungsgesellschaften räumen per Jahresende vorzeitig ihren Sessel. Bei der börsennotierten Vienna Insurance Group (VIG) ist es Peter Hagen, der von Elisabeth Stadler, der bisherigen Chefin der Konzerntochter Donau Versicherung, beerbt wird. Und bei der Generali Österreich scheidet Peter Thirring aus - für ihn kommt Alfred Leu, der bisherige Chef der Generali Schweiz.
Über beide Fälle hat die "Wiener Zeitung" bereits berichtet. Hagens und Thirrings Abgang kam selbst für Brancheninsider überraschend. Zu Hagen hieß es vonseiten der VIG, er nehme den Hut wegen Differenzen "über die weitere strategische Ausrichtung und Führung des Konzerns". Zu Thirring gab die Generali zwar offiziell bekannt, er gehe "aus persönlichen Gründen". Aber auch hier dürften Auffassungsunterschiede der Anlass gewesen sein.
"Solvency II" kommt
Dass mit Hagen und Thirring zwei Versicherungschefs, die erst relativ kurz im Amt waren, vorzeitig das Feld räumen, scheint kein Zufall. Denn ähnlich wie in der Bankenbranche herrscht auch bei den österreichischen Versicherern im Kampf um Marktanteile ein massiver Wettbewerb - vor allem etwa in der Autoversicherung, aber auch beim Altersvorsorgeprodukt Lebensversicherung, wo es in Österreich noch großen Aufholbedarf im Vergleich zu Westeuropa gibt. Vor dem Hintergrund stehen Versicherungsmanager vor ständigen Herausforderungen.
Dazu kommt, dass das Versicherungsgeschäft europaweit ab 2016 einer wesentlich strengeren Regulierung unterliegt. Die schärferen Eigenkapitalvorschriften des neuen Regelwerks "Solvency II" umzusetzen (vor allem für Veranlagungen in Aktien und Immobilien), sind für jeden Versicherer mit relativ hohen Kosten verbunden - allein bei der VIG ist von mehr als 100 Millionen Euro die Rede. Jeder Versicherer ist gefordert, sich entsprechend aufzustellen und sein Geschäft auf "Solvency II" abzustimmen. Für die volle Umsetzung der Regelungen sind mehrere Etappen und eine Frist von bis zu 16 Jahren vorgesehen.
Weitere Marktbereinigungen
Jedenfalls müssen Versicherer in Zukunft genug Eigenmittel haben, um Verluste aus ihren Risiken begleichen zu können, ohne dass die Ansprüche der Versicherten beeinträchtigt werden. So wollen es die Regulierer.
Branchenexperten gehen davon aus, dass "Solvency II" Marktbereinigungen bringt. Begonnen hat dieser Prozess jedoch schon vor Jahren. Gezeigt hat sich dies in vermehrten Zusammenschlüssen von Gesellschaften, wobei es sich meist um kleinere Fusionen innerhalb von Versicherungsgruppen handelte. Gab es 2010 hierzulande noch insgesamt 105 Versicherer, so ist deren Zahl seither auf 94 geschrumpft, wie in einem Pressegespräch der Finanzmarktaufsicht (FMA) unlängst mitgeteilt wurde. Im vergangenen Jahr gab es Fusionen bei der Ergo, außerdem schlossen sich die Prisma und die OeKB Kreditversicherung zu einer neuen Gesellschaft, der Arcadia Versicherung AG, zusammen.
Künftig könnte es aber auch zu Verkäufen kommen. Wie die "Wiener Zeitung" im November berichtete, gibt es Gerüchte, wonach japanische Versicherer bei der börsennotierten Uniqa-Versicherung, mit 25 Prozent einsteigen wollen. Größter Kernaktionär der Uniqa ist Raiffeisen.
Die Zahl der Beschäftigten in der hiesigen Versicherungsbranche ist indes seit 2011 leicht steigend. Das hat vor allem damit zu tun, dass die großen Assekuranzen wie Uniqa, VIG ("Städtische"), Generali und Allianz Österreich bestrebt sind, ihr Vertriebspersonal aufzustocken, während Jobs in der Verwaltung tendenziell eingespart werden. 2014 zählte der gesamte Versicherungssektor gut 26.520 Mitarbeiter, was um eineinhalb Prozent mehr war als im Jahr davor.
Seit 1945 kein Pleitefall
Grundsätzlich geht es der Branche gut. Im vergangenen Jahr - neuere Zahlen hat der Versicherungsverband VVO noch nicht - kam die österreichische Versicherungswirtschaft auf Prämieneinnahmen von insgesamt 17,1 Milliarden Euro (plus 3,3 Prozent). Unter dem Strich wird im Regelfall ein kumulierter Jahresgewinn von mehr als einer Milliarde Euro eingefahren. Detail am Rande: Anders als bei den Banken gab es in der Zweiten Republik noch nie eine Versicherungsgesellschaft, die pleitegegangen wäre.
Keine Freude haben heimische, aber auch andere europäische Assekuranzen mit dem anhaltenden Zinstief. Anleihen werfen für deren Veranlagungsgeschäft im Deckungsstock, wo die weitgehend als sicher geltenden Renten mit einem hohen Anteil dominieren, schon seit längerem nur mickrige Erträge ab. Folgen hat das in der Lebensversicherung, bei Polizzen mit Garantiezins. Den hat die FMA wegen des Niedrigzinsumfelds zuletzt über eine Verordnung weiter gesenkt - von 1,5 auf maximal ein Prozent per 1. Jänner 2016. Versicherer wie die Uniqa sind bereits dazu übergegangen, in der Lebensversicherung Produkte anzubieten, die nicht mehr die Verzinsung, sondern nur noch das eingesetzte Kapital garantieren. Indes halten die meisten heimischen Versicherer an ihren traditionellen Garantieprodukten fest. 2014 war die Lebensversicherung trotz der mikroskopisch niedrigen Zinsen ein Wachstumstreiber für die Branche: In Summe stieg das Prämienvolumen um knapp vier Prozent auf 6,8 Milliarden Euro.
Hoffnungsmarkt Osteuropa
Da für Versicherer zusätzliche Marktanteile in Österreich nur schwer zu holen sind, haben vor allem große Player wie VIG und Uniqa (aber auch Grazer Wechselseitige) in der Vergangenheit auch ins Ausland expandiert - hauptsächlich nach Osteuropa. Heute haben sie dort laut FMA 108 Beteiligungen, die Hälfte der Gesamtprämien stammt aus dem Ausland. Osteuropa ist für VIG und Uniqa bisher profitabel. Wegen des höheren Wachstums der dortigen Wirtschaft setzen beide weiter auf diese Region.