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Sieben gewinnt: Der niederländische Populist wirbt um zusätzliche Partei, um Fraktion im Europaparlament bilden zu können.
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Den Haag. Die Hoffnung hat vier Buchstaben: Ukip - United Kingdom Independence Party. Eine Woche vor den Europawahlen steht Geert Wilders, 50, Mit-Initiator der geplanten Allianz nationalistischer Parteien, der internationalen Presse zu Wort. Mehrfach äußert er dabei den Wunsch, die United Kingdom Independence Party möge sich nach dem Votum doch noch seinem Bündnis anschließen. Nicht nur, weil sie eine der stärksten Parteien im europafeindlichen Spektrum ist oder wegen des integrativen Potenzials ihres Vorsitzenden Nigel Farage. Die anvisierte European Freedom Alliance braucht vor allem dringend ein siebtes Mitglied.
Wilders’ Partij voor de Vrijheid (PVV) und der Front National der Französin Marine Le Pen sind die Initiatoren und Zugpferde der "European Freedom Alliance" (EFA), die sich als "Faust gegen Europa" sieht. Jedwede weitere Integration von innen heraus verhindern, das ist das erklärte Ziel des Bündnisses. PVV und FN haben gute Chancen, im jeweiligen Land stärkste Partei zu werden. Als sicher gilt, dass sich die FPÖ, die eine vergleichbar gute Ausgangslage hat, anschließt, sowie der deutlich schwächere Vlaams Belang aus Belgien. Wahrscheinlich ist auch die Beteiligung von Schwedendemokraten und Lega Nord, mit denen Wilders, der 2013 auf Suche nach Bündnispartnern durch Europa reiste, entsprechende Gespräche führte.
Um im EU-Parlament eine Fraktion zu bilden, sind mindestens 25 Sitze nötig. Diese Hürde stellt für die Allianz kein Problem dar, sie dürfte zwischen 30 und 40 Abgeordnete haben.
Entscheidend wird dagegen das zweite Kriterium: Ein Viertel der 28 Mitgliedsstaaten müssen in der Fraktion vertreten sein. Um dies zu erfüllen, sucht die Vereinigung "patriotischer Parteien" (Marine Le Pen) in diesen Tagen dringend Verstärkung.
Es liegt nahe, dass man dabei Mitgliedern einer anderen Fraktion Avancen macht: der "Europe of Freedom and Democracy" (EFA), einem Bündnis euroskeptischer, rechtspopulistischer Parteien, dem nicht nur Lega Nord angehört, sondern auch Ukip. Nur: Ukip sieht sich selbst als libertäre Partei, die sich von Wilders’ Tiraden gegen Muslime, vor allem aber von der antisemitischen Vergangenheit des FN abgestoßen fühlt. Erst im April wies man die Einladung von Marine Le Pen ab, sich dem Bündnis anzuschließen.
Kaum Hoffnung muss man sich auch auf einen alten Verbündeten Wilders’ machen: die Dänische Volkspartei (DF), für die eine Kooperation mit dem Front National aus den gleichen Gründen nicht in Frage kommt. Auch die deutsche AfD (Alternative für Deutschland) hat Wilders und Le Pen einen Korb gegeben. Rechtsextreme Parteien wie British National Party, die griechische Goldene Morgenröte und die ungarische Jobbik lehnte Wilders vergangene Woche zum wiederholten Male als Bündnispartner ab. Diese Ansage ist durchaus glaubhaft, denn der inhaltliche Unterschied ist enorm, auch wenn FPÖ, Vlaams Belang und FN rechtsextreme Ränder haben.
Als mögliches siebtes Mitglied gilt die slowakische Nationalpartei (SNS). Berechnungen von Vote Watch Europe zufolge läge man damit bei 38 Sitzen. Eine feste Zusage aus Bratislava gibt es bisher allerdings nicht. Eine Fraktion zu bilden, bleibt indes für Wilders und Le Pen das übergeordnete Ziel der "European Freedom Alliance": "Man hat mehr Befugnisse, kommt in wichtige Kommissionen, hat mehr Redezeit und das Recht, Änderungsvorschläge zu machen. Fraktionslose Abgeordnete können dies nicht", so Wilders.
Die beabsichtigte Kooperation stellt die PVV-Galionsfigur gerne als Verteidigung nationaler Identitäten gegenüber einem "Brüsseler Monster" vor, das alle Mitgliedsstaaten gleichmachen wolle. In Den Haag demonstrierte er vergangene Woche Zuversicht. Inhaltliche Unterschiede der Rechtsparteien seien kein Hindernis, da man nicht über eine Fusion nachdenke. Am Wochenende befand sich Wilders auf Wahlkampftour in den Niederlanden. Dabei bekräftigte er, dass man die EU samt Kommission am liebsten abschaffen würde. Jenseits markiger Sprüche gab er sich betont zugänglich, nahm Passanten bereitwillig in den Arm und lächelte in zahlreiche Handy-Kameras.
Dabei bedeutete der Wahlkampf eine sehr unruhige Zeit, sowohl was die PVV betrifft als auch die European Free Alliance. Mehr als zehn Funktionsträger der PVV verließen die Partei, nachdem Wilders im März auf einer Wahlveranstaltung die anwesenden zu "Weniger Marokkaner"-Parolen angestachelt hatte. Auch die Aufregung um den FPÖ- Spitzenkandidaten Mölzer, der nach seinen rassistischen Aussprüchen zurücktrat, dürfte der Außenwahrnehmung alles andere als zuträglich gewesen sein.
"Weniger Europa"
Dass es unmittelbar vor den Wahlen noch Spekulationen gibt, sehen nicht wenige als Bestätigung der These, eine internationale Zusammenarbeit von Nationalisten sei per Definition unmöglich. Dabei wird indes leicht übersehen, dass nationalistische Parteien im Rahmen des "Europa der Vaterländer"-Konzepts längst gute Kontakte unterhalten. Und dann ist die inhaltliche Schnittmenge der EFA klein genug, um Dissens gering zu halten. Wilders beschreibt sie so: "Weniger Europa, mehr nationale Identität, weniger Immigration."