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Wilders großer Gegner heißt Europäische Union

Von Frederik Hartig

Europaarchiv

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Den Haag. Geert Wilders hat seinen Wahlkampf auf das Thema Europa ausgerichtet. Der Gegner heißt nicht mehr Islam, sondern Brüssel. Seine Position ist so deutlich wie radikal: Er will, dass die Niederlande aus der EU austreten. Auch soll das Land seine alte Währung, den Gulden, zurückerhalten, denn "der Euro ist kein Geld, sondern kostet Geld", wie es der Rechtspopulist  ausdrückt. In einer äußerst komplexen Krise, die Politiker damit überfordert, den Bürgern zu erklären, welche Lösungen denkbar und welche Konsequenzen daran verbunden sind, probiert Wilders mit einfachen Slogans zu punkten. Kein Geld mehr nach Griechenland und dafür keine Kürzungen im Sozialsystem der Niederlande. "Lass nicht die Kranken die Rechnung bezahlen, sondern die Griechen", lautet seine Formel.

Der Kurs gegen Europa ist wohlüberlegt. Die Wirtschaftskrise bereitet den Niederländern zunehmend Sorge, die Angst um die Zukunft der Niederlande und Europas, um Arbeitsplätze und Staatsverschuldung haben das Thema Immigration verdrängt. Im Februar dieses Jahres deutete sich die neue Ausrichtung der Partei für die Freiheit (PVV) bereits an, als Wilders eine "Meldestelle für Störungen durch Osteuropäer" einrichtete. Auf einer Webseite sollten Niederländer angeben, ob sie sich durch Osteuropäer belästigt fühlen und ob sie ihren Arbeitsplatz an Polen, Bulgaren oder Rumänen verloren hätten. Die Meldestelle sorgte im In- und Ausland für massive Kritik, die betroffenen Länder reagierten scharf, sogar das Europäische Parlament beschäftigte sich mit dem Fall.

Wenige Wochen vor der Wahl richtete sich die PVV mit der Webseite "Stoppt die europäischen Taschenfüller" direkt gegen die EU. Mit einem Klick können Besucher der Seite bestätigen, dass sie die Bezüge von EU-Beamten und Europarlamentariern zu hoch finden. Kein Geld mehr nach Brüssel, bevor "diese perverse Profitmacherei" nicht beseitigt sei, so lautet die Forderung der PVV. Seit ihrer Gründung 2006 ist die Partei deutlich anti-europäisch aufgestellt, jetzt wird dieser Programmpunkt zum dominierenden Thema.

Doch das bedeutet nicht, dass das Thema Islam für Wilders vom Tisch wäre. "Ich werde immer weiter gegen den Islam kämpfen, das ist mein wichtigste Aufgabe als Chef der PVV", verkündete Wilders im Duell der Spitzenkandidaten beim Fernsehsender RTL4 . Genau dafür aber sei der Kampf gegen die EU notwendig, erklärte er später in einem Interview mit der Tageszeitung "De Volkskrant": "Die Einwanderung einzuschränken ist innerhalb der EU nicht möglich. Also sind Europa und Einwanderung – auch  die aus den islamischen Ländern – ein und dieselbe Sache. Das kann man mit einem Mal lösen."

Ob der neue Kurs beim Wähler ankommt, muss sich am Wahlabend zeigen. Laut Umfragen könnte die PVV etwa 19 der 150 Sitze erringen, zurzeit verfügen die Rechtspopulisten über 24 Mandate. Die letzten Wahlen haben allerdings gezeigt, dass die Partei wesentlich mehr Stimmen erhalten könnte als die Demoskopen ihr voraussagen. Dass die PVV wieder an einer Regierung beteiligt wird, ist dennoch nicht zu erwarten. Indem er das Kabinett mitten in den Verhandlungen um den Staatshaushalt unerwartet fallen ließ, hat sich Geert Wilders als sehr unberechenbarer Partner erwiesen.

Mehrere Parteien, darunter die Christdemokraten (CDA) und die sozialdemokratische Arbeiterpartei (PvdA), haben eine Zusammenarbeit mit Wilders ausgeschlossen. Die rechtsliberale Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) will sich nicht definitiv festlegen, bezeichnet aber eine Zusammenarbeit mit der PVV als sehr unwahrscheinlich. In diesem Wahlkampf spielt Geert Wilders nur eine untergeordnete Rolle. Die niederländischen Medien konzentrieren sich auf die Spitzenkandidaten der in den Umfragen drei größten Parteien.