Regionalwahlen bringen für Regierung in Niederlanden kein gutes Ergebnis.
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Amsterdam. Eine herbe Niederlage für die Regierungskoalition, Gewinne für lokale Parteien, Liberalen und Sozialisten: Die niederländischen Kommunalwahlen am Mittwoch sendeten einige laut pfeifende Rückkopplungen in Richtung der großen Politik in Den Haag. Doch kaum war die Wahlnacht geschlagen, redeten am Donnerstag wieder alle über einen: Geert Wilders, den Chef der Partij voor de Vrijheid (PVV), auch wenn diese nur in zwei Kommunen an der Wahl teilgenommen hatte.
Drei Fragen genügten, um weit über die niederländischen Landesgrenzen hinaus Empörung hervorzurufen, drei Fragen, rhetorischer Art, mit denen Wilders am Mittwochabend in Den Haag vor seine Anhänger trat und auf die er "eine klare Antwort" forderte: "Wollt ihr mehr oder weniger EU? Wollt ihr mehr oder weniger PvdA (die niederländischen Sozialdemokraten)? Wollt ihr mehr oder weniger Marokkaner?" Es war der Bühnen-Habitus eines Rockstars, passend zum Stück "Eye of the Tiger", zu dem Wilders wie üblich eingelaufen war. Und ähnlich dem kollektiven Say yeah-yeah-yeah skandierten die PVV-Anhänger dreimal: "Weniger! Weniger! Weniger!"
Die kalkulierte Provokation war eine Anspielung auf die Auseinandersetzung am Ende des Wahlkampfs, als Wilders verkündet hatte, PVV-Wähler in Den Haag wollten "wenn möglich etwas weniger Marokkaner" in ihrer Stadt. Gegenüber einem TV- Journalisten nuancierte Wilders später in der Wahlnacht, nur "kriminelle" Marokkaner sollten das Land verlassen. Doch zurückblieben die Bilder der johlenden Menge, die Parole "Weniger Marokkaner" und ein süffisant lächelnder Wilders, der ankündigte: "Dann werden wir das regeln."
Noch in der Nacht kommentierte Premier Mark Rutte, die Wahlen hinterließen einen "üblen Geschmack", und dabei bezog er sich nicht auf die Verluste seiner Koalition. Von 15,4 Prozent Stimmanteil auf 12 Prozent fiel seine marktliberale VVD, der sozialdemokratische Koalitionspartner gar von 15,1 auf 10,2 Prozent. Der harte Sparkurs fordert offensichtlich Tribut an der Basis. Dass Rutte zuletzt immer wieder einen beginnenden Aufschwung beschwor, ist dort noch nicht angekommen.
Abstieg der etablierten Kräfte stärkt lokale Parteien
Profitiert vom Abschwung der Koalitionspartner haben unterschiedliche politische Kräfte: etwa die lokalen Parteien, die gemeinsam auf 29,3 Prozent der Stimmen kamen und ihr Ergebnis von 2010 (24,7 Prozent) noch einmal steigerten. Viel beachtet war der Sieg von Leefbaar Rotterdam, aus der einst Pim Fortuyn hervorging. Der Trend zu Lokalparteien drückt die wachsende Distanz vieler Niederländer zur etablierten Politik aus. In den übrigen Metropolen Amsterdam, Utrecht und Den Haag gewann die linksliberale Partei Democraten66 (D66), die traditionell in urbanen, gebildeten Schichten stark ist. Mit 12 Prozent (2010: 8,2 Prozent) wurde sie zur großen Wahlsiegerin. Einen besonderen Triumph erlebte D66 in Amsterdam, wo sie nach fast 70 Jahren die Sozialdemokraten als stärkste Partei ablöste. Bemerkenswert ist der Erfolg umso mehr, weil D66 aus der Opposition den Sparkurs der Regierung mitträgt, anders als diese jedoch dafür nicht abgestraft wurde.
Die Socialistische Partij stieg von gut vier auf knapp sieben Prozentpunkte. Stärkste landesweite Kraft allerdings war der Christen Democratisch Appel (CDA), der seine Hochburgen in ländlichen Gebieten hat. Als einzige der drei großen traditionellen Parteien konnte der CDA, der sich auf Regierungsebene in der Opposition befindet, seine Verluste gering halten und fiel von 15,2 Prozent auf lediglich 14,4 Prozent.
Nicht ins Gewicht fallen landesweit die erneuten Erfolge der Rechtspopulisten, denn die Partij voor de Vrijheid (PVV) von Wilders trat wie 2010 lediglich in zwei Kommunen an: In Den Haag musste sie sich D66 knapp geschlagen geben. In Almere, einer Trabantenstadt nahe Amsterdam, lag sie deutlich vorne. Für die PVV geht der Wahlkampf nun erst richtig los: Vor Wilders auf dem Podium stand ein Plakat mit der Aufschrift "und jetzt: 22. Mai" - der Tag der Europawahlen in den Niederlanden.
Regierung stehen schwere Zeiten bevor
Die sozialliberale Koalition, die die Niederlande regiert, geht indes schweren Zeiten entgegen. Angezählt ist sie zwar noch nicht, doch unterstreicht das Ergebnis der Regionalwahlen, dass ihr Amalgam, das gemeinsame Projekt der Haushaltssanierung, rissig wird. Auch in anderen Punkten wie dem von der VVD angestrebten Unter-Strafe-Stellen illegalen Aufenthalts klaffen die Positionen weit auseinander. Vor allem für die sozialdemokratische PvdA wird der Rest der Legislaturperiode somit zum Balanceakt, denn in den landesweiten Umfragen sind die Sozialisten schon lange an ihr vorbei gezogen. Gleiches gilt für die VVD von Premier Rutte in Bezug auf die Rechtspopulisten. Gestärkt hat die Kommunalwahl nicht zuletzt auch die Zentrifugalkräfte in Den Haag.