)
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 26 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Am Sonntagnachmittag hat die Palästinensische Autonomiebehörde zum ersten Mal die Todesstrafe exekutiert: Zwei Angehörige der palästinensischen Polizei, die mit ihren Dienstwaffen einen
privaten Familienzwist durch Mord beendeten, wurden von einem 10-köpfigen Erschießungskommando in einer Blitzaktion hingerichtet. Noch bevor es ein selbständiger Staat ist, hat damit Palästina die
schwindende Gruppe jener 95 Länder, die die Todesstrafe noch nicht abgeschafft haben, erweitert. Kein Schritt in Richtung Demokratie, sagen palästinensische Menschenrechtsgruppen.
Die Todesstrafe geht in Palästina auf die britische Mandatszeit und das Jahr 1936 zurück und wurde danach von den Jordaniern und im Bereich des Gazastreifens von den Ägyptern um jeweils
landesspezifische Verordnungen erweitert. Die Besetzung der Westbank und des Gazastreifens durch Israel 1967 setzte der Todesstrafe in diesen Regionen ein Ende.
Israels Gesetzgebung kennt die Todesstrafe nicht im allgemeinen Strafrecht, sondern nur in der Militärgesetzgebung und hat de facto seit 1962 · Hinrichtung Adolf Eichmanns · keine Exekutionen
durchgeführt. Die 1994 neu konstituierte Palästinensische Autonomiebehörde hat dekretiert, daß die Gesetze vor 1967 in den Autonomen Gebieten anzuwenden seien, obwohl im Oslo Übereinkommen
festgehalten ist, daß die Gesetze der Palästinensischen Autonomiebehörde · bis auf wenige Ausnahmen, die ihr all ein zur Regelung obliegen · von Israel approbiert werden müssen. Gerade gegen die
Todesstrafe hat Israel im Gaza-Jericho-Abkommen heftig opponiert · weniger aus allgemein humanitären Gründen, als zur Verhinderung von Exekutionen von an die Autonomiebehörde ausgelieferten
Verdächtigen. Die Rechtslage insgesamt ist in Sachen Todesstrafe in Palästina also keineswegs völlig klar.
Tatsächlich hat der Präsident der Autonomiebehörde, Yassir Arafat, auch bisher nicht eine der rund 15 seit 1995, als die beiden Gerichtshöfe · der zivile und der militärische · geschaffen wurden,
verhängten Todesstrafen exekutieren lassen · bis vergangenen Sonntag.
Nur ein Drittel der Verurteilten sind zivile Täter, alle anderen Angehörige der Polizei oder der Sicherheitskräfte. Auch die beiden Männer, die Sonntag in Gegenwart palästinensischer Minister und
einiger Angehöriger des Opfers erschossen worden sind, ware n Polizeiangehörige. Und das Opfer war ein höherrangiges Fatah-Mitglied. Die Fatah ist die Gruppe der politischen Führung, das hat bei
Arafats Entscheidung für die Exekution der Todesstrafe sicherlich eine Rolle gespielt. Zudem sind die Übergriffe palästinensischer Polizeikräfte in den letzten Monaten angestiegen und haben zu
verstärktem Unmut unter den Palästinensern geführt. Erst vor einer Woche etwa wurden einige Palästinensische Gesetzgeber von der palästinensischen Polizei verprügelt, als sie in Sachen Flucht eines
Hamas-Häftlings recherchierten. Palästinensische Journalisten und Menschenrechtler vermuten daher, daß Arafat mit diesen Exekutionen vor allem seinen Machtanspruch und den der Fatah-Gruppe festigen
wollte. Das wird auch durch den Umstand erhärtet, daß die Tat selbst erst am letzten Donnerstag verübt worden ist und das Verfahren in Windeseile durchgeführt worden ist.
Häufig, so klagen palästinensische Menschenrechtsgruppen, sind Verdächtige monatelang ohne Verfahren inhaftiert. Die zum Tode Verurteilten hatten auch keine Gelegenheit, gegen das Urteil zu berufen.
Einem Schuldigen ein gerechtes Verfahren vor einem ordentlichen Gericht zu gewähren, ist Kennzeichen eines demokratischen Gemeinwesens. Die palästinensischen Gerichte entsprechen nicht den
international anerkannten Standards für gerichtliche Verfahren, und die Richter sind nicht unabhängig. Die Palästinensische Autonomiebehörde hat die Aufnahme in den falschen Klub gesucht.