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Willkommen in Absurdistan

Von Christoph Rella

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Der französische Schriftsteller und Philosoph Albert Camus nannte den Fußballsport einmal "eine absurde Aufgabe in Dauerschleife". Durchaus der Mythos-Gestalt Sisyphos ähnlich: Immer wieder, singen die einen. Immer weiter, sprach einst Oliver Kahn. "Ab Sonntag fieberte ich dem Donnerstag entgegen, wenn wir Training hatten, und ab Donnerstag dem Sonntag, wenn wir Spiel hatten", dichtete der Fußballer und Torwart Camus und hielt damit fest: Fußball, das ist ein ständiger Neuanfang unter Kraft, Schweiß und Tränen, wo selbst die peinlichste Niederlage immer noch eine aussichtsreiche Chance darstellen kann - ja muss.

Und warum? Weil es ohne den Blick nach vorne und das heilige Versprechen der Absolution und des Neuanfangs wohl kaum ein Kicker lange im Fußball, der im überwiegenden Teil von Zufall, absurden Fehlentscheidungen der Unlogik lebt, aushalten würde. "Ich begriff, dass der Ball nie so auf einen zukommt, wie man es erwartet", schrieb Camus. Und als Tormann wusste er, wovon der redete, nahm er doch die Kunst der Skurrilität auf besondere Weise wahr: den abgefälschten Schuss, die Unberechenbarkeit, das spontane Moment des Spiels.

Und so kommt es auch, dass in Zeiten wie diesen Klubs wie ein FC Chelsea ein Weißwurstfinale crashen, walisische Underdogs durch die Premier League wirbeln und die Griechen Europameister werden können. Demzufolge wäre sogar ein Aufstieg Rapids in die höheren Sphären des Europa League oder das Erreichen des EM-Halbfinales fürs heimische Nationalteam, wie das einmal ein Ex-Fußballer in einem Zeitungskommentar forderte, durchaus denkbar. Freilich erwarten sollte man nichts, wie wir dank Camus wissen. In der Absurdität des Fußballs ist alles möglich. Aber das ist auch irgendwie schön.