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Immer weniger traditionelle Beschäftigungsformen und geradlinige Karrierewege. | Mehr Risiken, mehr Eigenverantwortung für den Einzelnen. | Mankos in der Bildungsplanung kommen teuer zu stehen.
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Sänger, Rennfahrer, Frisörin, Zirkusartistin - die Jobwünsche von Kindern sind ebenso amüsant wie vielfältig - und sie ändern sich so rasch wie die Lieblingsfarbe der Sprösslinge.
Das eine, das einzige Berufsziel ist ohnehin längst passé. Der erste Formalbildungsweg ist längst nicht mehr einzig entscheidend für den Verlauf der Karriere. Heute startet man mit einer Ausbildung und endet gar nicht selten in einem ganz anderen Berufsfeld. Ein Drittel der Erwerbstätigen in Österreich ist nicht mehr in dem einst erlernten Beruf tätig, schätzt man beim Arbeitsmarktservice - Tendenz steigend.
Flexibilität ist auf dem Arbeitsmarkt das Gebot der Stunde. Die Berufsfelder ändern sich - und wer nicht auf der Strecke bleiben will, muss die Veränderung mitmachen. Aber wie sieht sie wirklich aus, die Arbeitswelt der Zukunft? Was wird aus all den verhinderten Sängern, Rennfahrern
und Hochseilartisten?
Ganz konkret wird die Prognose nicht ausfallen können. Fix ist nur: Die Arbeitswelt der Zukunft wird um vieles heterogener und schnelllebiger, und zwar in mehrfacher Hinsicht. Wagen wir also gemeinsam einen Blick in die
Glaskugel. Wissenschafter prophezeien die Erosion der Vollzeitarbeitsplätze.Das Normalarbeitsverhältnis, diese "Grundfigur der Beschäftigungsverhältnisse", wie es Politologe Emmerich Tálos so treffend bezeichnet, galt als Standardmodell für Männer im 20. Jahrhundert - also der unbefristete, arbeits- und sozialrechtlich abgesicherte Vollzeitjob.
Es ist nicht davon auszugehen, dass Vollzeitstellen in den nächsten Jahren aussterben werden - aber fest steht, dass daneben diverse andere Beschäftigungsverhältnisse aus dem Boden sprießen wie die Schwammerl. Ihr Nährboden ist die steigende Anforderung nach Flexibilität. Da wird es Teilzeitstellen verschiedener Art geben, ebenso befristete Verträge, geringfügig Beschäftigte, Arbeit auf Abruf, Leiharbeit und allerlei neue Formen der Selbständigkeit. Neben den Klein- und Mittelbetrieben (KMU) werden die EPU (Ein-Personen-Unternehmen) die Unternehmenslandschaft
prägen.
Licht und Schatten dieser neuen Beschäftigungsformen lassen sich schon erahnen. Zwar wird nicht jedes atypische Arbeitsverhältnis als prekär zu bezeichnen sein, also schlecht bezahlt sein und keine sozialrechtliche Absicherung
bieten. Dennoch wird es für viele Menschen schwierig bis unmöglich werden, von diesen neuen Jobs ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Möglicherweise driftet der
Arbeitsmarkt in Zukunft auseinander: Viele prekäre Beschäftigungsverhältnisse am unteren Ende, in der Mitte einige Jobs aus traditionellem Guss und oben eine Zahl von
hochflexiblen, sehr individuellen Arbeitsformen.
Gegen die Hypothese der überbordenden Minijobs spricht jedoch die Tatsache, dass die Menschen immer älter werden. Mehr Menschen werden den Arbeitsmarkt verlassen, als über den Bildungsmarkt nachkommen werden. "Jetzt haben wir zu viele Leute und zu wenig Jobs. Irgendwann werden es zu wenig
Leute und zu viele Jobs sein", prophezeit der Wirtschaftsweise Rainer Münz.
Wenn also mehr Nachfrage nach Arbeitskräften besteht, als es Arbeitnehmer gibt, könnte der einzelne Mitarbeiter mehr Spielraum bei der Gestaltung seines Arbeitsplatzes haben, meint Münz.Sprich: Wer gerne mehr als eine Teilzeitstelle hätte, weil er sonst finanziell nicht das Auslangen findet, hat Chancen, dies bei den Verhandlungen mit seinem Chef auch durchzusetzen. Und umgekehrt: Wer es sich leisten kann, ein halbes Jahr zu arbeiten und die andere Hälfte zu pausieren, der wird dies in Zukunft viel leichter bewerkstelligen können.
Die Erwerbsarbeit der Zukunft winkt uns also auch mit mehr Spielräumen, weil sie weniger von Kontinuität geprägt ist als bisher. Und dies gilt nicht nur für Unternehmer, sondern erstmals auch für die Beschäftigten. Mit anderen Worten: Der Einzelne hat mehr Möglichkeiten bei der Gestaltung seiner (Arbeits-)Zeit, die Kehrseite des höheren Risikos ist - wie immer - eine Chance.
Doch nicht nur die Beschäftigungsformen ändern sich rapide, auch die Branchen sind einem dynamischen Wandel unterworfen. Diese "Doppelspirale" ist chancenreich, aber eben auch beängstigend, sagt Unternehmensberater Othmar Hill.
Als eine der Zukunftsbranchen schlechthin gilt der Bereich Gesundheit und Soziales - nicht zuletzt wegen der demografischen Entwicklung. Allein in Deutschland werden aufgrund der Überalterung der Gesellschaft im Jahr 2015 fast drei Millionen Arbeitskräfte fehlen. Für den gesamten EU-Raum schätzt Rainer Münz die Lücke auf dem Arbeitsmarkt auf rund 70 Millionen Menschen in den kommenden 40 Jahren. "Und wenn wir alle zehn Jahre länger arbeiten, würde sich die Lücke von 70 auf 30 Millionen reduzieren", sagt der Wissenschafter. Dennoch ein wirklich beängstigendes Szenario. Münz sieht das eher nüchtern: "Wir werden nur drei Möglichkeiten haben: Die Wirtschaft schrumpfen zu lassen, noch länger zu arbeiten oder Migranten ins Land zu holen." Zu welcher Option die Österreicher eher tendieren, ist aus seiner Sicht schwer abzuschätzen, denn "all das mögen die meisten Österreicher nicht".
Wenn man von Zukunftsbranchen spricht, darf auch IT nicht fehlen, Green IT, um genauer zu sein. Informationstechnologien werden noch stärker unser Leben durchdringen. Aus der Verquickung von Umwelt- und Klimaschutz und Datenübertragung ergeben sich spannende Betätigungsfelder. Wer effizienzsteigernde Technologien entwickelt, wird heiß begehrt sein. Der Klimawandel wird sich aber auch global ganz massiv auswirken: Denn Millionen von Klimaflüchtlingen werden ihr Land verlassen müssen, vertrieben durch Dürren oder Überschwemmungen. Diese Menschen werden nicht nur behelfsmäßige Unterkünfte brauchen, viele von ihnen werden auch im Gastland bleiben und arbeiten wollen. Dass uns für den Umgang mit den Klimaflüchtlingen ein globaler Plan fehlt, wie Wissenschafter Münz betont, wird uns noch teuer zu stehen kommen.
Aber auch auf nationaler Ebene gibt es ein Manko zu beklagen, das schmerzhaft teuer kommt: Das Fehlen einer vorausschauenden Bildungs-Planung. Kein Wunder, dass etwa 60 Prozent der Studenten immer die gleichen zehn Studienrichtungen inskribieren, wie Hill beklagt. Was fehlt, ist vorausschauende Bildungs-Information der jungen Menschen. Um in der bunten, schnellen Jobwelt von morgen bestehen zu können, ist das richtige Wissen zur richtigen Zeit schließlich das beste Rüstzeug. Und letztendlich gilt Heute wie Morgen: Was man gern macht, macht man gut. Euphorie im Job ist wohl ein ebenso wichtiges Kapital. Dann wird aus dem Beruf die Berufung.
Aus der Sicht von Unternehmensberater Hill hat der Begriff Arbeit ohnehin ausgedient: "Arbeit war sowieso eine schlechte Erfindung. Wer will schon Arbeit? Die Leute wollen sinnstiftende und lustvolle Aufgaben." Wie war das noch mit dem Sänger oder Zirkusartisten?