Der Wien-Wahlkampf wird zweifellos Nachfolger finden: schlechte Zeiten für Kleine und alle Zwischentöne.
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Deutsche und Österreicher sind nicht nur durch die gemeinsame Sprache getrennt, sondern auch durch die auseinanderklaffende Analyse hiesiger Wahlergebnisse. Während hierzulande im linksliberalen Mainstream die abgesagte "Oktoberrevolution" in Wien am Tag danach den Ton der politischen Debatte dominierte, versagte sich ebendieses Milieu in Deutschland jegliche Erleichterung. Die "Süddeutsche Zeitung" sah sogar einen "politischen Tsunami" über das Land hereinbrechen.
In Österreich war davon am Montag nichts zu bemerken. Kultursoziologen werden die unterschiedlichen Wahrnehmungen hüben und drüben zweifellos als Folge der jeweils stark divergierenden nationalen Gemütslagen zu deuten wissen. In und um Wien ist man bekanntlich schon froh, dass es nicht so schlimm gekommen ist, wie es ja durchaus auch hätte sein können. Die Wahltagsbefragungen erlaubten schließlich bis zur Veröffentlichung der ersten wirklichen Hochrechnungen die rare Gelegenheit, einen Blick in eine alternative, aber eben doch mögliche Realität zu werfen. Dafür war man früher auf Schamanen und bewusstseinserweiternde Elixiere angewiesen, am Sonntag erledigte diesen Job die vergleichsweise respektable Zunft der Meinungsforscher ähnlich überzeugend.
Im Übrigen haftete den Wiener Gemeinderatswahlen (wie auch den oberösterreichischen Landtagswahlen) etwas Plebiszitäres an. Das ist nicht ohne Ironie in einem Land, in dem bereits das Nachdenken über die Einführung eines Mehrheitswahlrechts den vereinigten Bedenkenträgern kalte Schauer über den Rücken jagt. Dabei hatten beide Urnengänge die beiden wesentlichen Merkmale, die auch ein Mehrheitswahlsystem auszeichnen: eine klare Polarisierung zwischen zwei politischen Polen - vereinfacht ausgedrückt lautet diese: pro/contra Flüchtlinge - sowie eine Marginalisierung kleinerer Parteien und ihrer Positionen. Vom Verhältniswahlrecht bleibt immerhin der machtpolitische Kern, die Mandatsverteilung.
Nachdem die Strategie aufgegangen ist - zumindest in Oberösterreich für die FPÖ und in Wien für die SPÖ -, wird dieser Trend mit Sicherheit Fortsetzung finden: Die Duell-Konfrontation wird künftig, wo immer nur irgend möglich, der verlässliche Begleiter in Wahlkämpfen sein.
Ob das Konzept von Polarisierung, Emotionalisierung und Personalisierung auch mit drei statt nur zwei Kandidaten funktioniert, wird die Kampagne zur Nationalratswahl 2018 (oder eben vorher) zeigen. Aus heutiger Sicht wird es dabei drei Parteien geben, die realistischerweise den Anspruch auf den Bundeskanzler oder Platz eins erheben. Das ist, so muss betont werden, realpolitisch längst nicht dasselbe, weil bekanntlich auch schon die Nummer drei Kanzler geworden ist, in einem Wahlkampf läuft das jedoch für den Bürger im Wesentlichen auf das Gleiche hinaus.
Bis dahin werden SPÖ, ÖVP und FPÖ alles daransetzen, ja nur nicht aus diesem Rennen um die Spitzenposition herauszufallen. Das käme - aus Sicht der betroffenen Partei zumindest - dem schlimmstmöglichen Szenario gleich. Denjenigen außerhalb des medialen Fokus bleibt derzeit nämlich allenfalls der bemitleidenswerte Hinweis, dass die Sieger ja nur dank ihrer "Leihstimmen" gewonnen hätten.