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Willkommen in Vöslauistan!

Von Christian Ortner

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Was Afghanistan und ein Dorf in Niederösterreich am heutigen Freitag gemeinsam haben.


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Im beschaulichen Bad Vöslau, einem kleinen Kurort südlich von Wien, der bisher nicht wirklich als Islamisten-Hochburg aufgefallen ist, wird heute ein Hauch von Kabul wehen. Denn die Betreiber des dortigen Thermalbads reservieren einen Teil ihrer Anlage heute ausschließlich für Frauen.

Nun ist zwar grundsätzlich von überschaubarer Bedeutung, wer wann in Bad Vöslau ins Wasser geht - aber auf der Symbolebene ist das eine ganz katastrophale Aktion, nicht zuletzt für die Emanzipation der Frau. Das Argument, diese Trennung der Geschlechter sei in ihrem Interesse, ist an Zynismus und Verlogenheit nicht zu überbieten. Auch die Taliban argumentieren ihr Gebot, Frauen dürften das Haus nicht verlassen, mit der dreisten Lüge, dies sei ja nur im Interesse ihrer eigenen Sicherheit. Tatsächlich werden hier zentrale Errungenschaften der Frauenrechtsbewegung der vergangenen Jahrzehnte zur Disposition gestellt - vor allem eben, dass Frauen und Männer im öffentlichen Leben völlig gleichgestellt sind.

Dass man das im Jahr 2021 gegen Angriffe aus einem Milieu, in dem eine bestimmte Religion und eine bestimmte Ideologie eine merkwürdige Allianz eingehen, verteidigen muss, ist kein gutes Zeichen. Werden wir als Nächstes, dieser reaktionären Logik folgend, über eigene Frauenabteile in der U-Bahn oder im Flugzeug diskutieren, über getrennte Frauenräume in Restaurants oder bei Dorf-
festen? Mit gutem Grund hat die Stadt Wien derartige Begehren, in der Hauptstadt Scharia-konforme Badregeln durchzusetzen, abgelehnt: "In den Freibädern der Stadt Wien findet nur öffentlicher Badebetrieb für alle Badegäste statt." Leider schmiegt sich der an sich völlig irrrelevante Event in Bad Vöslau völlig an einen Zeitgeist an, der die Aufklärung zurückdrehen will und Menschen wieder zunehmend nach Hautfarbe, Geschlecht oder anderen Distinktionsmerkmalen unterscheidet und ungleich behandelt. Etwa, wenn in Deutschland eine Uni den Job eines Antirassismus-Beauftragten ausschreibt - und Menschen mit weißer Hautfarbe für die Position ausschließt. Oder wenn an US-Unis zunehmend die Hautfarbe von Studenten in die Bewertung ihrer akademischen Arbeiten einfließt: Schwarze bekommen Bonuspunkte, Asiaten Punkteabzug. Oder wenn einer der größten Filmproduzenten der Welt, Amazon, nur noch Schwule Schwule spielen lassen will, Juden Juden oder Farbige Farbige. Dabei ist immer das gleiche Phänomen zu beobachten: Der Rassismus kehrt zurück und nennt sich Antirassismus. Auch die Verbannung der Frauen in ihnen zugewiesene Zonen kehrt zurück - und nennt sich "Ein Ort, der für weiblich gelesene Personen sicher ist", wie die Projektbetreiberin des Vöslauer Apartheid-Badevergnügens das im milieutypischen Schwurbelsprech nennt. Wobei nicht uninteressant ist, was das feministische Magazin "EMMA" 2018 schrieb: "Belästigt, beschimpft, begrabscht: Frauen werden in Freibädern zu Freiwild. Die Täter? In großer Mehrheit Migranten." Noch in der Nachkriegszeit gab es in Österreich in manchen Bädern Schilder "Männer" und, an anderer Stelle "Frauen". Dass die irgendwann abmontiert wurden, galt einmal als überfälliger Fortschritt.