SPÖ und ÖVP wollen sich öffnen, weil sie wissen, dass sie ganz normale Bürger nicht mehr ansprechen. Die Chancen stehen schlecht.
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Reden wir nicht lange darum herum: Menschen, die sich freiwillig in einer politischen Partei engagieren - und ich meine: wirklich engagieren, nicht nur als Karteileiche -, weisen die eine oder andere verhaltensauffällige Besonderheit auf. Solche Menschen sind natürlich sicherlich nicht schlechter, womöglich auch nicht besser, sie sind nur, nun ja, anders als der Rest. Das kann jeder bestätigen, der das Innenleben von Parteien jemals aus intimerer Nähe kennengelernt, sich aber trotzdem nicht von der gesellschaftlichen Realität verabschiedet hat. Und obwohl man dies nicht unbedingt von den Parteiführungen aller Farben behaupten kann, haben mittlerweile auch diese bemerkt, dass das Gros ihrer Bewegungen akut gefährdet ist, endgültig des Anschlusses an die Probleme der Zeit verlustig zu gehen.
"Öffnung" heißt deshalb das Zauberwort für die Parteien, mit dessen Hilfe sie sich wieder auf die Höhe der Zeit hieven wollen. Ohnehin nicht erst seit gestern, das Schlagwort geistert schon gefühlte Jahrzehnte durch das Vokabular reformeifriger Parteimanager. Der Erfolg hielt sich freilich bis dato in engem Rahmen. Den jüngsten Versuch unternehmen aktuell die steirischen Sozialdemokraten, die sich mit Gastmitgliedschaften auf Zeit für neue Zielgruppen öffnen wollen; als Zuckerl winkt sogar die Möglichkeit eines Mandats im Landtag via Parteiliste.
Solche Bemühungen sind natürlich aller Ehren wert und dies umso mehr, als sie an der romantischen Vorstellung von demokratischer Politik als direkter Bürgerbeteiligung anknüpft. Von daher ist es nur naheliegend, dass sich insbesondere die beiden "Altparteien" von Zeit zu Zeit gegen die schleichende Verknöcherung stemmen. Zumal in immer kürzeren Abständen neue politische Projekte starten, die das Hohelied der Bürgerdemokratie auf den Lippen führen. Beim BZÖ und dem Team Stronach war es noch reine PR-Strategie, die Neos sind immerhin ehrlich bemüht.
Der Sexappeal jedes Newcomers beruht auf seinem Image als Anti-Systempartei; es ist die Kampfansage an das Establishment, an "die da oben", von dem einst die Grünen zehrten und bis heute die FPÖ; die Neos sind nur das jüngste Beispiel für die Dynamik. Natürlich locken solche politischen Start-ups auch allerlei absonderliche Gestalten an, Glücksritter und Schlimmeres, aber eben auch eine nicht geringe Zahl an ganz normalen Bürgern, die ihr Leben am Puls der Gegenwart meistern müssen. Solche Personen sind für SPÖ und ÖVP zunehmend schwer erreichbar geworden. Und nicht selten stehen die beiden Parteien für all das, was die politisch Engagierten unter den Normalos ändern wollen. Kurz: SPÖ und ÖVP sind das beste Mobilisierungsargument für politische Mitarbeit - nur eben nicht bei, sondern gegen die beiden Regierungsparteien.
Wirklich attraktiv sind SPÖ und ÖVP respektive ihre diversen Vorfeldorganisationen allenfalls dort, wo es um die Durchsetzung von klassischen Klientelinteressen geht. Hier immerhin ist der kurze Weg zur Macht ein Asset. Das macht Rot und Schwarz zu effizienten Interessensdurchsetzungsorganisationen, was nicht einmal etwas Schlechtes ist, nur in den Ohren von unverbesserlichen Idealisten und normalen Bürgern ganz entsetzlich klingt.