Trotz Förderung sind Stoffwindelnutzer in der Minderheit.
Wien. "Willst du dir das wirklich antun? Geht‘s dir noch gut?" - Auf diese und ähnlich Reaktionen stieß die Niederösterreicherin Melanie Zrost, als sie ankündigte, kein Plastik an die Haut ihres Nachwuchses zu lassen, sondern mit Stoffwindeln wickeln zu wollen. Mittlerweile ist ihre Tochter sieben Monate alt, und Zrost steht immer noch zu ihrer Entscheidung.
"Mein Mann hat Neurodermitis, und ich selber bin gegen alles Mögliche allergisch", erzählt die 34-Jährige. "Außerdem habe ich als Kindergärtnerin viele wunde Popos gesehen. Daher haben wir uns gedacht: Probieren wir‘s mit Stoffwindeln." Neben dem gesundheitlichen Aspekt gibt es noch einen weiteren Grund, warum sie auf Pampers & Co verzichtet. Zrost: "Ich will damit auch einen Beitrag zum Umweltschutz leisten. Ich habe gehört, es dauert ewig, bis eine Wegwerfwindel verrottet."
Eine Tonne Restmüll
pro Baby
In der Literatur findet man unterschiedliche Angaben. Mindestens 200 Jahre gehen ins Land, bevor sich die Windel in ihre Bestandteile aufgelöst hat, sagen die einen, zwischen 300 bis 500 Jahre die anderen. Faktum ist, dass Wegwerfwindeln riesige Mengen an Restmüll bilden.
Bevor ein Kind "sauber" ist, verbraucht es im Durchschnitt mehr als 4000 Wegwerfwindeln. "Das ist eine Tonne zusätzlicher Restmüll pro Baby", sagt Christiane Brunner, Umweltsprecherin der Grünen. Der Anteil der Wegwerfwindel am gesamten Restmüll betrage etwa in Wien 6 Prozent. Die Stadt Wien fördert daher die Verwendung von Mehrwegwindeln mit einem großzügigen Gutschein von 100 Euro. Dieser kann beim Kauf einer Wickel-Grundausstattung - bestehend aus Windeln, Überhosen und Stoffvlieseinlagen - im Fachhandel eingelöst werden kann.
Auch viele andere österreichische Gemeinden und Abfallverbände lassen es sich etwas kosten, um Eltern die Entscheidung für Mehrwegwindeln leichter zu machen. Aber eben nicht alle: Bei "ihrer" Gemeinde gebe es die Förderung nicht, bedauert Melanie Zrost.
Sie findet derzeit mit 25 Stoffwindeln das Auslangen. Vier bis sechs kommen im Schnitt pro Tag zum Einsatz. Diese sammelt sie in einem dicht verschließbaren Sack. Alle paar Tage werden die Windeln gewaschen - nur mit 60 Grad wohlgemerkt - und zum Trocknen an der Luft aufgehängt, um möglichst wenig Energie zu verbrauchen. Lediglich das Einwegvlies, das der leichteren Entsorgung des "großen Geschäfts" dient, kommt in den Restmüll. Die Überhose, die über die Stoffwindel kommt, wird bei Bedarf mitgewaschen.
"Die ökologischen Vorteile von Mehrwegwindeln sind schon da, vorausgesetzt, die Windeln werden nicht mit 90 Grad gewaschen, um dann im Wäschetrockner zu landen", betont Grüne-Umweltexpertin Brunner. "Auf jeden Fall sparen sich die Eltern durch den Einsatz von wiederverwendbaren Stoffwindeln viele hundert Euro."
Bei Greenpeace erfährt man Genaueres: "Auf die gesamte Wickelperiode aufgerechnet betragen die Kosten für Mehrwegwindeln ungefähr die Hälfte bis ein Drittel von jenen für Wegwerfwindeln. Im Durchschnitt spart eine Familie unter Berücksichtigung der Kosten für Strom, Waschmittel und Wasser im Lauf der gesamten Wickelperiode 500 Euro ein." Noch günstiger werde es, wenn ein weiteres Kind mit den Windeln gewickelt wird.
Das bestätigt auch Gerhard Feyferlik, Geschäftsführer der Firma Popolini, die seit zwanzig Jahren im Windelbusiness mitmischt. Er schätzt, dass in Österreich trotzdem nur 5 bis 10 Prozent der Babys mit Stoffwindeln gewickelt werden - "in Großstädten weniger, am Land mehr."
Warum es nur so wenige Stoffwindel-Nutzer sind, wo die Vorteile doch auf der Hand liegen, kann sich Melanie Zrost nur schwer erklären. Das Windel-Waschen mache weniger Arbeit, als viele glauben, sagt sie. Und immerhin kostet es auch Zeit, Wegwerfwindeln einzukaufen und nach Hause zu tragen. Dazu kommt der regelmäßige Gang zur Mülltonne.
Ohne Waschmaschine
wird‘s kompliziert
Doch da alles zwei Seiten hat, gibt es auch Situationen, in denen Stoffwindeln keine Option sind, etwa wenn man nicht regelmäßig waschen kann. Kindergärtnerin Zrost hat auch darüber bereits nachgedacht: "Übers Wochenende mit der Kleinen wegzufahren, ist mit Stoffwindeln kein Problem. Aber wir machen uns natürlich schon Gedanken, was wir bei einem längeren Urlaub tun, wenn wir keine Waschmaschine haben."
Praktisch denkende Eltern entscheiden sich für die Mischvariante "zuhause Stoff, unterwegs Plastik", wie aus Einträgen in diversen Internet-Diskussionsforen zum Thema "Stoffwindel versus Plastikwindel" hervorgeht.
Als weitere Gründe, die für die Wegwerfwindel sprechen, werden regelmäßig angeführt: "Stoffwindel kann verrutschen", "oft geht etwas seitlich vorbei, und die Überbekleidung ist verschmutzt", "kein Platz zum Windeltrocknen vorhanden", "Windeln werden nicht richtig sauber bzw. fleckenfrei", "Stoffwindelpopo ist sehr dick, man braucht untenherum größere Größen", "Kind verträgt Stoffwindel nicht" etc.
Melanie Zrost aber wird der Mehrwegwindel noch einige Jahre die Treue halten: Auch für ihr zweites Kind, das laut Plan im November zur Welt kommen soll, wird sie Windeln waschen.
Auf der Homepage des Vereins WIWA ist eine Liste jener Gemeinden verfügbar, die waschbare Wickelsysteme fördern: www.verein-wiwa.at