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Windkraft: Stürmische Entwicklung

Von Klaus Faißner

Wirtschaft

Vor einem Jahr trat in Österreich das "neue" Ökostromgesetz in Kraft, das der Windkraft in manchen Gebieten einen enormen Aufschwung brachte. Ähnlich wie in Deutschland werden nun jedoch kritische Stimmen immer lauter, die eine Verzögerung des österreichweiten Ökostrom-Ausbaus befürchten lassen. Ein Blick nach Dänemark lässt aber das mögliche wirtschaftliche Potenzial erneuerbarer Energieformen erahnen.


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"Dem Land bietet sich eine Jahrtausendchance." - "Hier ist die Windenergie die Energie der Zukunft." - "Meine Vision ist, dass wir in zehn Jahren in der Energieerzeugung unabhängig sind und unser Bedarf ausschließlich durch erneuerbare Energien abgedeckt wird." Diese Aussprüche stammen nicht aus einem traditionellen Windkraftgebiet an der Nordseeküste - sondern aus dem Burgenland. In diesem Binnenland wurde bisher so gut wie kein Strom erzeugt.

Weder Landeshauptmann Hans Niessl noch die Chefs des Landesenergieversorgers BEWAG lassen Zweifel aufkommen, wohin der Weg gehen soll. Derzeit errichtet die BEWAG-Tochter Austrian Wind Power an mehreren Standorten der Parndorfer Platte, unweit des Neusiedler Sees, Windparks mit insgesamt 120 Windrädern. Nach der Fertigstellung im kommenden Jahr wird die BEWAG damit Strom im Ausmaß von zwei Dritteln des Verbrauchs aller burgenländischen Stromkunden erzeugen. Der Startschuss für diesen groß angelegten Ausbau der Windenergie erfolgte mit dem Inkrafttreten des "neuen", bundesweit geltenden Ökostromgesetzes am 1. Jänner 2003. "Damit war klar, dass das Engagement ökonomisch Sinn macht", erklärt BEWAG-Pressesprecher Gerhard Altmann. Nun sei das Unternehmen drauf und dran, von einem lokal agierenden Stromverteiler zu einem international tätigen Stromerzeuger zu werden: Über Engagements in Ungarn, Slowenien und Tschechien werde bereits nachgedacht.

Mit dem Vorurteil, dass Windanlagen in Österreich unrentabel seien, will Stefan Hantsch aufräumen. Der Geschäftsführer der IG Windkraft, dem Dachverband für Windenergie-Unternehmen, nennt zwei erstaunliche Gegenargumente: "In Österreich ist der durchschnittliche Windertrag höher als in Deutschland, wobei die Parndorfer Platte mit der norddeutschen Küste vergleichbar ist." Derzeit erzeuge man in Österreich 800 Gigawattstunden (800 Mill. Kilowattstunden) Strom aus Windenergie, was 1,5 Prozent des bundesweiten Verbrauches oder dem Bedarf von 220.000 Haushalten entspricht. Zum Vergleich: In Dänemark deckt die Windkraft rund 20 Prozent des gesamten Strombedarfs.

Protest von IV und Haider

Dennoch ist die Freude über den Ausbau von Ökostromanlagen bei weitem nicht ungetrübt. Gerade in den vergangenen Wochen wurden kritische Stimmen immer lauter, wobei sich besonders die Industriellenvereinigung (IV) hervortat. Sie forderte kürzlich eine umfassende Neuregelung des Ökostromgesetzes, da dieses Investitionen und Maßnahmen fördere, "die in keiner Weise den Kriterien von Effizienz, Wirtschaftlichkeit und sinnvollem Klimaschutz entsprechen". Der Grund für die "Kostenexplosion für Stromkunden" sei in den "offensichtlich lukrativen Einspeisetarifen" für Ökostrom zu suchen.

Im Ökostromgesetz ist nämlich geregelt, dass die Erzeuger von Ökostrom (u.a. Wind und Biomasse) von den Netzbetreibern höhere Tarife für das Einspeisen ins Stromnetz erhalten als andere Stromerzeuger. Die höheren Tarife bekommen die Netzbetreiber über Zuschlagszahlungen der Stromkunden rückvergütet. Und je mehr kWh die Ökostromproduzenten ins Netz einspeisen, desto höher werden diese Zuschläge.

Die geplante Erhöhung der Zuschläge für Stromkunden ab 1. Jänner 2004 für Ökostromanlagen um 0,06 Cent pro kWh (+ 52%) und für Kleinwasserkraftanlagen um 0,03 Cent pro kWh bedeute für die Industrie eine Zusatzbelastung von rund 21,6 Mill. Euro, warnte die IV weiter. Und wenige Tage vor Weihnachten legte der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider Einspruch gegen diese geplante Erhöhung ein, indem er das Inkrafttreten der Verordnung zum Ökostromgesetz - vorläufig - für ganz Österreich verhinderte. Wogegen Heinz Kopetz, Vorsitzender des Österreichischen Biomasse-Verbandes scharf protestiert: "Wenn sich an dieser Haltung nichts ändert, würde das zu einem langsameren Ausbau des Ökostroms führen und Importe von Atomstrom erhöhen. Das Vorgehen ist umso erstaunlicher, weil Kärnten bis 2002 bei der Förderung von Ökostrom sehr großzügig war."

Haider begründete den Schritt mit einer "spürbaren Verteuerung der Stromrechnung sowohl für Haushalts- als auch für Industriekunden". Was aber der IG Windkraft-Chef nicht verstehen kann: Derzeit mache der Ökostromanteil ein Prozent der Stromrechnung aus. Eine Erhöhung von 0,06 Cent bringe laut Hantsch einem Durchschnittshaushalt eine Mehrfachbelastung von zwei Euro pro Jahr - "ob das viel ist, muss jeder selbst beurteilen."

"Windkraft schafft Jobs"

Doch auch von Seiten der Bürgerinitiativen bläst den heimischen Windkraftbetreibern derzeit stärkerer Gegenwind ins Gesicht. Ein Grund dafür ist laut Hantsch der große Zeitdruck, da die derzeit geltenden (auf zehn Jahre nach der Inbetriebnahme gesicherten) Einspeisetarife nur für Projekte gelten, die bis Ende 2004 bewilligt werden. Dennoch müsse sich jeder (potenzielle) Windkraftbetreiber im Klaren sein, dass Zweifel der Bevölkerung nur durch umfangreiche Information ausgeräumt werden könnten. Vor allem eine Verschandelung des Landschaftsbildes und gesundheitliche Konsequenzen wegen Infraschalls (eine unterhalb der menschlichen Hörgrenze liegende Frequenz) machen vielen Sorgen. "Was das Landschaftsbild angeht, ist die ansässige Landbevölkerung lockerer als jene Menschen aus der Stadt, deren Wochenendhaus in der Nähe eines möglichen Windanlagenstandortes steht", schmunzelt Hantsch. Und beim Infraschall gebe es keine wirklichen Indizien für eine gesundheitliche Gefährdung. Wenig kann der Geschäftsführer der IG Windkraft dem oft gebrachten Vorwurf abgewinnen, dass erneuerbare Energien infolge der von ihnen verursachten Strompreiserhöhungen "Arbeitsplatzkiller" seien: "Studien ergeben, dass mehr Arbeitsplätze durch Biomasse und Windkraft geschaffen werden, als durch höhere Strompreise verloren gehen." Laut Hantsch wurden im Windenergie-Sektor allein im abgelaufenen Jahr 2.300 neue Arbeitsplätze geschaffen.

Wieder drängt sich ein Vergleich mit Dänemark auf:1979 baute das ursprünglich als Schmiede gegründete Kleinunternehmen Vestas seine erste Windenergieanlage. Nach steiler Expansion erfolgte 1998 der Börsegang an der Kopenhagener Börse. Seit 2002 liefert der weltweit größte Offshore-Windpark in der Nordsee mit 80 Windanlagen Strom für 150.000 Haushalte. Die Fusion mit dem dänischen Konkurrenten NEG Micon sicherte die Nummer-eins-Position am Weltmarkt mit einem künftigen Anteil von etwa 35 Prozent und einer Mitarbeiterzahl von etwa 8.500 Personen.

Preiskampf in Deutschland

Schon länger und weit heftiger als in Österreich werden Windkraftanlagen in Deutschland attackiert. Dem tritt Peter Ahmels, Präsident des Bundesverbandes Windenergie, entschieden entgegen. Am krassesten wurden seiner Meinung nach die Bürger bei den anstehenden Strompreiserhöhungen der Energieversorgungsunternehmen hinters Licht geführt: "Hier werden bewusst falsche Zahlen genannt, um die Menschen gegen die erneuerbare Energie aufzubringen." Denn Strompreiserhöhungen von bis zu zehn Prozent (1,8 Cent pro kWh) mit den Mehrkosten durch erneuerbare Energieformen zu begründen, entspreche einfach nicht der Wahrheit. Weil im abgelaufenen Jahr die erzeugte Windstrommenge gar nicht zugenommen habe (v. a. wegen anhaltender Flauten in der Hitzeperiode), "kann es gar keine Preiserhöhungen durch Windstrom geben".

Die wahren Gründe ortet Ahmels ganz woanders: "Die insgesamt erzeugte Strommenge ist knapper geworden, wodurch der Strompreis an der Leipziger Strombörse stark gestiegen ist." Auch der plakative Vorwurf, dass zu jeder erzeugter kWh Windenergie im gleichen Maße zusätzliche Kapazitäten an kalorischen Kraftwerken oder Atomkraftwerken zur Verfügung gestellt werden muss, stimme nicht, meint Ahmels. Diese Ausgleichsenergie, die bei Flauten vorhanden sein muss ("Regelenergie") habe sich mengenmäßig nicht proportional zur Windkraft entwickelt, sondern sei zurückgegangen. "In Österreich besteht die Möglichkeit, mit Speicherkraftwerken auszuregeln", ergänzt Hantsch. Allgemein müsse aber die gesamte E-Wirtschaft flexibler werden.