Offshore-Windpark "Baltic 1" produziert Strom für 50.000 Haushalte. | Zingst. (dpa) Seit Montag produzieren die 21 Windräder des Offshore-Windparks "Baltic 1" Strom. Vor Jahren hatte es heftige Widerstände gegeben. Die Atomkatastrophe von Fukushima aber bringt der Windenergie neuen Schub. Auch der Bürgermeister des Ostsee-Heilbades Zingst hat seinen Frieden mit dem Windpark "Baltic 1" gemacht.
"Irgendwann muss man sagen: Jetzt ist es gut", sagt Andreas Kuhn, einst heftiger Gegner des Projektes. Viele Jahre waren er und seine Mitstreiter gegen den Windpark, der rund 16 Kilometer vor der Küste des vielbesuchten Badeortes entstand, vorgegangen. Bis schließlich das Oberverwaltungsgericht in letzter Instanz für den Park entschied.
Die Bedenken Kuhns sind nicht völlig ausgeräumt. So könnte etwa ein Öltanker mit einem der massiven Fundamente der Windräder kollidieren - es sei für alle eine Schreckensvorstellung, dass der breite Sandstrand im Urlaubsparadies mit schwarzem Öl verklebt ist. Unklar sei auch, wie Tiere auf den Windpark reagieren. Kraniche etwa, die zweimal im Jahr auf ihren Zügen zwischen Afrika und Skandinavien die Vorpommersche Boddenlandschaft überqueren. Umweltschützer warnen zudem davor, dass die extrem lauten Arbeiten beim Rammen der Windrad-Fundamente Kleinwale verwirren und ihr sensibles Gehör schädigen könnten.
Eine Befürchtung allerdings ist offenbar ausgeräumt. Touristen scheinen sich nicht an den deutlich sichtbaren Windrädern am Horizont zu stören. Über Ostern seien die Gästebetten auf der Halbinsel voll wie nie gewesen, sagte Kuhn.
Offshore-Windparks statt 20 Kernkraftwerken
So gehen die Planungen für weitere Offshore-Windparks zügig weiter. Auf See nämlich liegt dem deutschen Bundesverband Windenergie zufolge die Energieausbeute von Windkraft-Anlagen um bis zu 40 Prozent höher als an Land. Auf dem Meer weht der Wind einfach stärker und stetiger. Bis 2030 sollen vor den Küsten Deutschlands Windenergieanlagen mit einer Leistung von 25.000 Megawatt entstehen. Das entspricht der Kapazität von gut 20 Kernkraftwerken, die in Deutschland in absehbarer Zeit vom Netz genommen werden sollen.
Nord- und Ostsee seien gut für Offshore-Anlagen geeignet, betont auch EnBW-Vorstand Hans Peter Villis. "Baltic 1" verfügt über 21 Windräder mit jeweils 2,3 MW Leistung. Sie sollen jährlich bis zu 185 Gigawattstunden Strom erzeugen, was für die Versorgung von 50.000 Haushalten reichen würde. EnBW steckt schon tief in der Planung für den zweiten Ostsee-Windpark vor Rügen. Dort sollen dann 80 Windkraftanlagen ab 2013 Strom für rund 340.000 Haushalte liefern. Der Karlsruher Energiekonzern will auch in der Nordsee zwei Windparks bauen.
Auch an Land ist das Potenzial der Windkraft noch lange nicht ausgeschöpft. Einer Studie zufolge könnte allein mit Windkraftanlagen an Land bis zu 65 Prozent des deutschen Strombedarfs gedeckt werden.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat bei der offiziellen Eröffnung von "Baltic 1" für neue Technologien im Energiebereich ein Sonderprogramm der staatlichen KfW-Bank in Höhe von 5 Milliarden Euro angekündigt.
Merkel bekräftigte, dass der Atomausstieg "deutlich beschleunigt" werden solle. Es müssten aber realistische Ziele gesetzt werden. Deutschland werde weiter einen Energiemix brauchen. "Wir wollen eine Energiewende mit Augenmaß und eine, die klappt", sagte die Kanzlerin.
EnBW-Chef Villis forderte eine Anpassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Es müsse darüber diskutiert werden, ob die Vergütung für Investoren ausreichend sei. "Es wäre schade, wenn Unternehmen woanders als in Deutschland investieren würden", sagte der Manager.
Die Energie Baden-Württemberg (EnBW) - in Österreich mit einem Anteil von 32,5 Prozent Großaktionär bei der niederösterreichischen EVN - hatte das Offshore-Projekt "Baltic 1" im März 2008 übernommen und vor einem Jahr den symbolischen Grundstein gelegt. Der Energiekonzern plant bereits einen zweiten, sechs Mal so großen Windpark mit 80 Windkraftanlagen rund 32 Kilometer nördlich der Insel Rügen, der 2013 in Betrieb gehen soll. Villis bezifferte die Investitionskosten für beide Parks auf rund 1,2 Milliarden Euro.