Der Wahlkampf der rechtskonservativen SVP, von anderen Parteien heftig als ausländerfeindlich kritisiert, hat auch einen Karikaturisten der New York Times inspiriert: Er ließ das Schweizer Kreuz zu einem Hakenkreuz gerinnen. Die Empörung war entsprechend groß. Der Chef der SVP, Ueli Maurer, nimmt im "WZ"-Interview unter anderem zu der Frage Stellung, ob er mit seinem Wahlkampfstil den Eidgenossen nicht einen Bärendienst erwiesen hat.
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"Wiener Zeitung": Sie haben erklärt, auf kantonaler Ebene mit dem Wahlkampf nicht zufrieden zu sein. Wieso?Ueli Maurer: Wir führen eine nationale Kampagne und eigentlich müsste die von den einzelnen Kandidaten in den Kantonen aufgenommen und verstärkt werden. Leider beschränken diese sich jedoch hauptsächlich darauf, sich zurückzulehnen und zuzuschauen, was wir machen.
Könnte das vielleicht daran liegen, dass sich ihre Kampagne auf Bundesrat Blocher konzentriert und nicht so sehr auf Sachthemen?
Maurer: Nein, eigentlich nicht. Es ist vielmehr so, dass die nationale Partei so stark und dominant ist, dass man glaubt nichts tun zu müssen. Aber auch die Fokussierung auf Blocher, wie man sie jetzt wahrnimmt, das ist nicht das Kernstück des Wahlkampfs. Im Gegensatz zu dem, was man jetzt so schreibt, hatten wir noch nie einen thematisch so schwergewichtigen Wahlkampf wie dieses Mal. Wir haben die ganze Thematik der Ausländerpolitik, die Grünen haben die Klimapolitik, das prallt täglich aufeinander. Hinzu kommen die ganzen Finanzen und die Sozialwerke. Blocher war sozusagen eine Episode von drei, vier Wochen. Aber die Fokussierung, wie man sie in den Medien beschreibt, die findet so nicht statt. Die Kampagne Blocher an sich hat vielleicht 20, 30 Prozent des Wahlkampfs ausgemacht.
Stichwort Ausländerpolitik. Manch einer empfindet den Wahlkampf der SVP als zu aggressiv. Wie sehen Sie das?
Maurer: Also zuerst einmal zu den Fakten. Wir haben tatsächlich ein Problem:22 Prozent Ausländer. Insgesamt gesehen haben wir mit Ausländern keine Probleme, hatten auch nie Probleme. Hunderttausende haben sich integriert. Seit wir diese Zuwanderung insbesondere aus dem Balkan hatten, haben wir eine zunehmende Kriminalität. Zwei von drei Tätern sind Ausländer bei uns, die Gefängnisse sind zu 70 Prozent mit ausländischen Straftätern besetzt. Wenn man die Vergewaltigungen nimmt, sind 80 Prozent ausländische Täter, beim Drogenhandel sind es 75 Prozent, bei Vergehen gegen Leib und Leben etwa 60 Prozent. Wir haben an den Schulen ein zunehmendes Problem mit der Jugendgewalt. Dazu haben wir eine Initiative für die Ausweisung krimineller Ausländer lanciert. Wir sagen dort: Wer vorsätzlich tötet oder vergewaltigt, wer mit Menschen oder Drogen handelt, hat das Land nach Verbüßung der Strafe zu verlassen. Bis Ende letzten Jahres war das noch im Strafgesetzbuch verankert. Der Richter hatte die Möglichkeit, als Zusatzstrafe einen Landesverweis auszusprechen. Dann wurde jedoch das Strafgesetz revidiert und ist dieses Jahr in Kraft getreten. Jetzt haben wir diese Möglichkeit nicht mehr. Wir möchten diese Möglichkeit wieder schaffen. Dazu wurde auch das Plakat mit dem schwarzen Schaf kreiert. Das ist nicht der Ausländer, sondern der schwerstkriminelle Ausländer und den wollen wir wirklich nicht. Die Initiative wurde massiv gezeichnet. Wir haben in drei Monaten, noch dazu während der Sommerferien, 200.000 Unterschriften gesammelt und jetzt kommt natürlich die Reaktion. Man hat plötzlich gesehen, da läuft etwas ab und dem hat man eigentlich inhaltlich nichts entgegenzusetzen, weil jeder Bürger in der Schweiz denkt: "Ja, kriminelle Ausländer wollen wir nicht". Und weil man das im Wahlkampf nicht so zugestehen kann, hat man sich darauf beschränkt, den Stil der Kampagne zu kritisieren und in dieser Diskussion stehen wir eigentlich.
Wie geht es damit weiter?
Maurer: Die Unterschriften müssen noch beglaubigt werden. Dann werden wir sie zu Beginn des nächsten Jahres einreichen und der Bundesrat dazu Stellung nehmen. Ich nehme einmal an, er wird sie ablehnen, oder einen Gegenvorschlag machen. Dann berät das Parlament darüber, gibt eine Abstimmungsempfehlung ab und die Volksabstimmung wird dann 2009 stattfinden. Wenn die Initiative dann durch das Volk angenommen wird, dann braucht es noch das Gesetz. Das Inkrafttreten kann dann 2011, 2012 erfolgen.
Noch kurz zu ihrem kontroversiellen Plakat, bei dem ein Schwarzes Schaf aus der Schweiz geworfen wird. Die rechtsextreme NPD hat dieses Plakat 1:1 für ihren Wahlkampf übernommen. Wie finden Sie das?
Maurer: Das ärgert mich natürlich, weil wir uns täglich vom rechtsextremen Block abgrenzen. Auch hier in der Schweiz. Die NPD kenne ich nicht im Detail, aber die sind ja auch nicht ganz koscher. Aber wenn wir uns mit denen auf einen Rechtsstreit einlassen, dann geben wir denen nur noch eine Gelegenheit, sich zu profilieren. Also schweigen wir das einfach tot und ärgern uns im Stillen.
Thema Blocher: Sie haben gedroht, in die Opposition zu gehen, wenn er nicht mehr in den Bundesrat gewählt wird. Damit wäre es dann auch mit der Konkordanz vorbei. Wie wünschenswert wäre denn das und ist das überhaupt vereinbar mit der direkten Demokratie?
Maurer: Ich glaube, dass die Schweiz auf absehbare Zeit nur in einem Konkordanzsystem zu regieren ist. Etwas anderes ist nicht möglich, weil wir dieses Konkordanzsystem auch in 26 Kantonen haben. Die kann man nicht nach einem solchen Prinzip regieren und den Nationalstaat anders. Diese Drohung ist im Rahmen der Politik der letzten 20 Jahre zu verstehen, um die die Schweiz eigentlich noch immer kämpft. 1992 war die Abstimmung zum EWR und das hat das Land damals geteilt. Alle politischen Parteien, alle Medien, alles was politisch etwas zu sagen hatte, wollten in den EWR mit dem Fernziel EU-Beitritt, so wie Österreich. Blocher war damals die Figur, die den Widerstand gegen den EWR aufgebaut hat und daher ist auch seine politische Bedeutung für die Schweiz zu verstehen. Für die eine Hälfte ist er der Retter der Schweiz und für die andere Hälfte ist er deren Vernichter. Ich glaube es ist ganz zentral, dass es Blocher ist, der diese Position im Bundesrat vertritt. Man zielt klar auf Blocher, man will Blocher nicht mehr wählen, weil man diese Politik aus dem Bundesrat haben will. Wenn Blocher gefällt ist oder nicht mehr gewählt ist, dann ist das wie ein symbolischer Akt. Dann wäre dieser Widerstand zusammengebrochen. Von daher kommt unsere Drohung: Entweder Blocher, oder wir gehen in die Opposition und ich bin überzeugt davon, dass man Blocher am Schluss wählen wird, weil man nicht in die Opposition will. In den nächsten Jahren wird dieser Widerstand gegen einen EU-Beitritt hoch zentral. Es hat sich ja inzwischen sehr viel verändert. Vor vier, sechs Jahren war auch noch die Wirtschaft der Meinung, wir müssen der EU beitreten. Heute gibt es kaum mehr einen vernünftigen Schweizer, der der EU wirklich beitreten möchte. Es gibt noch politische Grabenkämpfer, die diese Situation 1992 bis 2000 erlebt haben, und eigentlich müssen wir diese Generation noch politisch überleben, aber dann ist die Situation geklärt. Für diesen Kampf ist Blocher noch wichtig. Aber wir werden weiterhin ein Konkordanzsystem haben. Ich glaube die Schweiz funktioniert sonst nicht.
Ist es dann nicht eine sehr schwache Drohung, wenn sie auf der einen Seite mit dem Oppositionsgang winken, andererseits aber erklären, dass die Schweiz ohne Konkordanzsystem nicht funktionieren würde?
Maurer: Wir drohen, aber wir meinen es natürlich auch ernst. Es geht uns nicht um Regierungsbeteiligung, oder nicht Regierungsbeteiligung, sondern um den Kurs des Landes. Und wenn wir den nicht mit Blocher innerhalb der Regierung vertreten können, dann werden wir das eben von außerhalb tun. Das würde dann tatsächlich zur Zerreißprobe führen. Aber da müssen wir durch, es geht um die Weichenstellung der Schweiz und es ist allen klar in diesem Land: Wenn Blocher nicht gewählt wird, dann geht die SVP tatsächlich in die Opposition. Die Wähler müssen sich da entscheiden: Entweder Konkordanz oder ein duales System mit Opposition und Regierung. Jedem ist bewusst, dass die Schweiz zur Konkordanz verdammt ist, aber wenn wir das nicht so deutlich sagen, dann wählt man Blocher nicht. Aber wir bewegen uns hier sicher nicht auf dünnem Eis. Wir haben uns das sehr gut überlegt, ob wir in die Opposition gehen könnten, was dann passieren würde und würden das auch tun.
Notfalls sogar mit Unterstützung einer neu zu gründenden Parteizeitung, wie Sie erklärt haben...
Maurer: Das wurde etwas hochgeschaukelt, aber es wäre natürlich ein Mittel. Wir sind nämlich die einzige Partei in der Schweiz, die nicht selbst ein eigentliches Organ hat. Die "Neue Zürcher Zeitung" beispielsweise ist eine freisinnige Zeitung. Da können Sie nur Namensaktien eintragen lassen, wenn Sie Mitglied der FDP sind, sonst geht das nicht. Dann gibt es Blätter der Innerschweiz, das sind CVP-Blätter. Aber wir haben nichts, nur die Weltwoche hegt gewisse Sympathie für uns. Aber eigentlich haben wir keine Verbindungen. Wenn Sie eine Oppositionspolitik machen wollen, dann müssen Sie auch medial stärker auftreten. Aber das ist nur ein kleiner Bestandteil von dem, was wir uns überlegt haben.
Bis jetzt war es meist relativ ruhig um Schweizer Wahlen bestellt. Das hat sich spätestens seit den Krawallen in Bern geändert. Wie unangenehm ist es eigentlich, die mediale Aufmerksamkeit des Auslands zu haben, noch dazu in Belangen, die man üblicherweise nicht mit der Schweiz verbindet?
Maurer: Es ist zwar nicht sehr angenehm, aber man darf das auch nicht überschätzen. Die Schweiz wird so schnell von der Weltbühne wieder verschwinden, wie sie aufgetaucht ist. So interessant sind wir auf die Dauer dann doch nicht. Was mich anfangs wirklich geärgert hat, waren diese Berichte, dass die Schweiz fremdenfeindlich sei. Ich bin der Überzeugung, von allen Ländern in Europa, gehört die Schweiz zu jenen, die sich am besten mit Fremden arrangieren. Aber wir haben ein Gewaltproblem und das müssen wir lösen. Hingegen diese Krawalle: Da ist wahrscheinlich ehrlicherweise einzugestehen, dass die Schweiz mit einiger Verspätung halt auch ein Stück weit zur Normalität kommt. In dem Sinne, dass man das austrägt. Man hat lange die linken Krawallanten unterschätzt und sich auf die relative wenigen Rechtsextremen konzentriert, die in der Schweiz glücklicherweise relativ unpolitisch sind, im Gegensatz zum linken Spektrum, das auch gewalttätiger ist. Das hat man etwas unterschätzt. Da hat man sich dann etwas geschreckt, aber auch das ist nicht der Normalzustand der Schweiz. Aber es ist auch nicht schlecht, wenn sich einmal eine politische Situation auf diese Weise entladen kann. Das ist zur Kenntnis zu nehmen und zu schauen, wie man in Zukunft darum herum kommt.
Sie haben sich als Wahlziel 100.000 zusätzliche Stimmen gesetzt. Würden Sie es als Niederlage sehen, wenn Sie das nicht erreichen?
Maurer: Ich würde es als Niederlage sehen, wenn wir nicht effektiv zulegen könnten. Die genannte Zahl ergibt sich aus unserer Mitgliederzahl, die sich auf rund 100.000 beläuft. Da haben wir parteiintern gesagt: Jedes Mitglied muss jemanden suchen, der letztes Mal noch nicht SVP gewählt hat. Ihr müsst mithelfen die Schweiz zu stärken. Das ist gut durchgedrungen, bis an die Basis. Wir wollten da einen Schneeballeffekt erzielen. Das Ziel 100.000 neue Wähler zu erhalten ist wahrscheinlich zu hoch gegriffen. Aber wir werden sicher zulegen.
Was ist eigentlich schlecht an der EU?
Maurer: Die EU ist gut, sie passt nur einfach nicht für die Schweiz. Es gibt manche schöne Frau, die passt nicht zu mir, aber sie gefällt mir. Die Schweiz ist von ihrer Geschichte her anders gewachsen. Sie ist föderalistisch aufgebaut, sie ist direktdemokratisch. Dieses Modell hat zurzeit in der EU keinen Platz, das führt zur Selbstaufgabe der Schweiz. Wir sind ein Land mit drei Kulturen, drei Sprachen. Die Schweiz könnte ihre Eigenständigkeit auf die Dauer nicht bewahren. Zum einen geht es da um die Mitsprache der Bevölkerung, die eingeschränkt wird, dazu habe ich die Angst, dass das Zusammenleben der unterschiedlichen Kulturen gefährdet wird. Auch wirtschaftlich ist es für ein reiches Land ein Nachteil. Wir sollten uns auf die Vorteile besinnen, die eine kleine Volkswirtschaft hat. Mitten in so einem großen Kuchen kann die Schweiz, wenn sie sich geschickt anstellt, ihren Wohlstand vergrößern. Wir haben jahrelang auf die EU geschaut und versucht uns überall anzupassen und langsam wächst das Selbstverständnis und das Selbstbewusstsein der Schweiz.
Österreich geht es recht gut in der EU...
Maurer: Für Österreich war dieser Schritt wahrscheinlich richtig. Österreich hatte in der Geschichte immer Großmachtsgelüste, nehmen wir die Donaumonarchie. Österreich war immer gerne bei den Großen. Auch die Neutralität nach dem Weltkrieg war eigentlich aufgezwungen. Die Schweiz hat hingegen eine andere Geschichte. Österreich hat die Öffnung besser getan, denn Österreich war eher abgekapselt als die Schweiz. Die Schweiz ist traditionell sehr weltoffen für alles, was Welthandel und Wirtschaft ist, wir hatten keine andere Chance. Österreich war wirtschaftlich weniger weltoffen als die Schweiz. Noch heute ist das so. Wir haben Weltkonzerne in aller Welt. Österreich hat trotz allem in der Wirtschaft noch etwas Kleinkariertes. Ich meine das jetzt nicht nur negativ, ich schätze das auch. Aber die Voraussetzungen zwischen den beiden Ländern sind einfach anders.
Wo sehen Sie die Probleme heute in der Schweiz?
Maurer: Im Ausländerbereich haben wir ähnliche Probleme wie die ganze westliche Welt. Die nächsten Jahre wird es weiter eine Zuwanderung geben. Die ist deshalb problematisch, weil sie zunehmend aus fremden Kulturen kommt. Da werden wir uns - und ganz Westeuropa -überlegen müssen, was wir für Spielregeln schaffen. Religionen usw., das darf man einfach nicht unterschätzen. Die Geschichte hat es immer wieder unterschätzt und man unterschätzt es wahrscheinlich auch jetzt. Also Stichwort: Abendland-Morgenland. Ich weiß auch nicht, wo wir am Schluss stehen werden, aber im Moment versucht man das Problem zu verniedlichen und irgendwann wird es explodieren. So wie im Moment agiert wird, haben wir nichts aus der Geschichte gelernt. Das wird ein Problem für die Schweiz sein: Wie regeln wir unser Zusammenleben? Ein weiteres Problem sind, wie in allen Industrieländern, die Staatsfinanzen und die Demographie. Es geht um weniger Arbeitskräfte und damit verbunden die Sicherung der Sozialwerke. Das ist auch etwas, was uns in den nächsten 20, 30 Jahren beschäftigen wird. Und es gibt vielleicht noch ein drittes Grundproblem: Wir müssen selbstbewusster und eigenständiger werden. Wir müssen der Wirtschaft und dem Individuum Mensch mehr Freiheit gewähren, jeder Staat hat die Tendenz zu regeln, einzuengen, zu reglementieren und das geht immer zu Lasten der Freiheit und zu Lasten des Wettbewerbs. Hier haben wir in der Schweiz in den letzten Jahren wirklich gesündigt. Mit diesen drei Grundprinzipien, lassen sich die anderen Probleme lösen. Man kann feststellen, wir leben glücklicherweise am Rande des Paradieses.
Wo würden Sie bei der staatlichen Überregulierung ansetzen?
Maurer: Für mich ist ein wichtiger Punkt die Garantie und der Schutz des Eigentums. Weil jede staatliche Regelung schränkt ja irgendwo das Eigentum und die Freiheit von jemanden ein. Wer regelt, schränkt die Freiheit eines anderen ein. Wir müssen wieder ganz konsequent das Eigentum schützen und das Eigentum sind auch meine Steuern und mein Eigentum. Es hat sich da ein komisches Verständnis von Steuergeschenken eingebürgert: Man tut so, als würde einem der Staat etwas schenken, wenn er einem nicht 100 Prozent wegnimmt. Wenn man das Eigentum schützt, sollte man also schon bei den Steuern ansetzt und dem Bürger nur das wegnehmen, was man tatsächlich braucht. Dann würde sehr viel an Freiheit, an Dynamik, an Pionier-Geist wieder geweckt werden. Die Schweiz ist stark geworden wegen des Pionier-Geists, weil Leute mehr geleistet haben. Das wird bei uns immer weniger interessant, weil der Staat dem Tüchtigen sehr viel wegnimmt. Ein weiteres Stichwort ist die Eigenverantwortung, auch in der Schule. Der Staat legt seine Hand heute auf unsere Kinder. Wenn Sie in der Schweiz ein Kind haben, dann kommt am fünften Tag irgendeine staatliche Kinderpflegerin vorbei und erklärt, wie man das Kind wickeln soll. Dann hat man die Kinder nie mehr selbst, sondern der Staat kümmert sich in jeder Lage darum. Sie lernen Zähne putzen in der Schule, sie feiern Weihnachten in der Schule. Das ist jetzt etwas weit hergeholt, aber letztlich beginnt es dort, dass der Staat mit Beamten immer mehr in das Leben eingreift. Das ist ein Verlust der Eigenverantwortung. Bei den Kindern ist das auch extrem. Die Frau wird zur Gebärmaschine und dann sind die Kinder in der Krippe und der Staat betreut sie bis ans Lebensende und alle finden das noch gut. Ich glaube man hat den Leuten zuviel weggenommen und wir sind auf dem Weg zum Sozialstaat oder auf dem Weg zu einem sozialistischen Staat, habe ich manchmal Angst.
Wie sieht ihr Alternativmodell aus?
Maurer: Wir können das Rad natürlich nicht zurückdrehen, aber wir müssen zusehen, dass wir nicht noch mehr in diese Richtung ausbauen. Wer seine Kinder betreuen lassen will, der soll selbst dafür aufkommen. Schließlich ist nicht der Staat für die Kinder verantwortlich, sondern die Eltern. Die brauchen natürlich eine spezielle Unterstützung, mit steuerlichen Entlastungen im Besonderen. Ich glaube es ist auch ein Gesellschaftsproblem. Frauen, die "nur" Kinder haben, sind sozusagen Frauen zweiter Klasse, weil die nicht arbeiten. Sie sind ein Verlust für die Volkswirtschaft. Diese Einstellung ist doch völlig doof. Da fehlt das Verständnis, das die Gesellschaft zur Weiterentwicklung eben Kinder braucht. In der Schweiz kommen auf eine Frau 1,3 Kinder. Wären wir auf 2,1, wären alle Probleme der Sozialversicherungen auf einen Schlag gelöst.
Noch einmal zur Finanzpolitik. Sie wollen die Steuern reduzieren. Denken Sie dabei an die Einkommenssteuer?
Maurer: Wir sind der Meinung, dass wir die Mehrwertsteuer senken müssten, weil die Einkommenssteuern bei uns in der Regel schon sehr niedrig sind. Wir haben die direkten Einkommenssteuern von Ländern und Gemeinden und dann noch die Einkommenssteuer des Bundes. Wir können nur über die Einkommenssteuer des Bundes selbst befinden und da bezahlen etwa 20 Prozent der Bevölkerung 80 Prozent der direkten Bundessteuer. Das ist schon eine Reichtumssteuer. Einkommen bis 60.000 Franken bezahlen gar keine Steuer. Da können Sie eigentlich nicht weiter entlasten. Wenn Sie wirklich entlasten wollen, dann setzen Sie am besten bei der Mehrwertsteuer an, weil da alle im gleichen Ausmaß betroffen sind. Und je niedriger die Mehrwertsteuer ist, desto kleiner ist auch die Versuchung, der EU beizutreten.