Auslöser: schlechte Studienbedingungen. | Viele Forderungen an die Politiker. | Kein Ende in Sicht: "Wir bleiben!" | Wien. "Warum ich da bin?", fragt Lena Wittmann. "Ganz einfach, weil die Uni in dieser Form Scheiße ist", sagt die 20-jährige Studentin der Theaterwissenschaft und legt auch gleich eine Begründung nach: "Unlängst musste ich aus einer überfüllten Vorlesung gehen, weil ich einfach keine Luft mehr bekommen habe. Die Bedingungen, unter denen wir hier studieren müssen, kann sich kein Mensch vorstellen."
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Und ihre Kollegin, Anná Laszló, fügt hinzu: "Das Maß ist voll. Ich studiere Internationale Entwicklung, wir sind 2500 Studenten und haben nicht einmal ein Institut!"
Mehrere tausend Studenten haben sich am Freitag den Aktivisten angeschlossen, die seit Donnerstagnachmittag das Audimax, sowie mehrere weitere Hörsäle der Uni Wien besetzen, und Freitagnachmittag in einer spontanenen Demo zu mehreren Unis zogen. Auch in Graz wurde ein Hörsaal besetzt. An der TU in Wien kam es ebenfalls zu Versammlungen. Für Anná, Lena und ihre Kollegen ist klar: "Wir sind gekommen, um zu bleiben." Notfalls wolle man das ganze Wochenende mit der Besetzung weitermachen.
Tausende Studenten sind da - ebenso viele Gründe werden für den Protest genannt. Was als Besetzung an der Bildenden Kunst gegen das dreigliedrige Uni-System (Stichwort Bologna) begann, überraschte in seiner jetzigen Dimension auch die offiziellen Vertreter der Studenten. Diese versuchten zwar, sich einzubringen, wollten jedoch nicht als Veranstalter auftreten. Dennoch zog man Freitagnachmittag zufrieden Bilanz: "Tausende Studierende" hätten gezeigt, "dass sie genug von Hahns Politik haben". Für die kommenden Tage seien weitere Proteste geplant.
Gegen die Verschulung
Noch am Freitag wurde an einem umfangreichen Forderungskatalog gefeilt. Laut Aussendung einigte man sich letztlich auf fünf Hauptforderungen: Nein zu Studiengebühren, nein zu Zugangsbeschränkungen, nein zur Verschulung der Studiengänge an den Unis und ein Ende der prekären Dienstverhältnisse für Lektoren. Zudem will man zwei Prozent des BIP für das Bildungssystem.
Im Audimax selbst wechselte das Programm seit Donnerstag zwischen harten Debatten und Party mit DJ-Musik und Live-Auftritten von Studentenbands. Nichtsahnende, die auf der Suche nach einer Vorlesung ins Audimax kamen, wurden vertröstet: "Die findet leider nicht statt", sagt etwa Jus-Studentin Angelika - "oder besser Gott sei Dank!" "Frechheit - und was ist mit meinem Recht auf Bildung?", meint ein anderer Student, dessen Vorlesung ausgefallen ist.
Sogar der Vorsitzende des Unirates der Uni Wien, Nationalbank-Vizepräsident Max Kothbauer, kam ins Audimax, um sich ein Bild von der Lage zu machen: "Im Prinzip stimme ich mit den Anliegen der Studenten überein - über die Art der Ausdrucksweise kann man streiten", sagte er gegenüber der "Wiener Zeitung". Man habe leider zu wenig Geld, um genügend Professoren zu stellen.
Bei der Demo mit mehreren hundert Teilnehmern am Freitag Nachmittag, dominierten Parolen wie "Bildung ist für alle da" und "Solidarisieren - mitmarschieren." An eine polizeiliche Räumung des Audimax, die am Donnerstagabend noch im Raum stand, wurde am Freitag nicht mehr gedacht.
Eigene Putztrupps
Zwist gab es um angebliche Sachbeschädigungen in der ersten Nacht der Besetzung. Das Rektorat sprach von Schäden in der Höhe von "50.000 bis 100.000 Euro". Eine Glastüre sei zerbrochen, Wände bemalt worden. Studentenvertreter wiesen die Höhe der Schäden zurück - die Proteste verliefen schonend für das Gebäude: "Wir malen nur mit Kreide, die ist rasch abwaschbar." Zudem sorgten studentische Putztrupps für Sauberkeit.
Solidaritätsadressen für die Besetzer kamen von SPÖ-nahen Jugendorganisationen, der Bundesjugendvertretung und der GPA. Auch die Grünen Peter Pilz und Werner Kogler zeigten sich im Audimax. Sogar FPÖ-Wissenschaftssprecher Martin Graf äußerte Verständnis: Die Streiks seien "Auswuchs der gescheiterten Bildungspolitik von Minister Hahn". Kritik kam von ÖVP-Wissenschaftssprecherin Beatrix Karl: "Mit dem Besetzen von Hörsälen werden keine Studienbedingungen verbessert".
Wissen: Zugangsbeschränkung
Die Modalitäten von Zugangsbeschränkungen zu einzelnen Studienrichtungen sind in Paragraf 124b des Universitätsgesetzes geregelt. Demnach kann das Rektorat einer Universität bei bestimmten Fächern "den Zugang entweder durch ein Aufnahmeverfahren vor der Zulassung oder durch die Auswahl der Studierenden bis längstens zwei Semester nach der Zulassung beschränken".
Die Modalitäten von Zugangsbeschränkungen zu einzelnen Studienrichtungen sind in Paragraf 124b des Universitätsgesetzes geregelt. Demnach kann das Rektorat einer Universität bei bestimmten Fächern "den Zugang entweder durch ein Aufnahmeverfahren vor der Zulassung oder durch die Auswahl der Studierenden bis längstens zwei Semester nach der Zulassung beschränken".
Namentlich genannt sind die Fächer Medizin, Psychologie, Tiermedizin und Zahnmedizin. In diesen vier Fächern gilt in Deutschland bundesweit ein Numerus clausus, weshalb viele abgewiesene deutsche Studenten in Österreich studieren wollen.
Für andere Fächer, die in mindestens einem deutschen Bundesland dem Numerus clausus unterliegen, kann die Bundesregierung auf Antrag aller Universitäten, an denen diese Fächer angeboten werden, Zugangsbeschränkungen erlassen, "wenn durch die erhöhte Nachfrage ausländischer Staatsangehöriger die Studienbedingungen in diesen Studien unvertretbar sind". Dies ist der sogenannte "Notfallparagraf".Quotenplätze für Österreicher gibt es nur in Medizin und Zahnmedizin.
Die Auswahl der Studenten erfolgt über Aufnahmetests (Medizin), Eignungstests und Bewerbungsgesprächen (Tiermedizin) oder anhand des Studienerfolgs während des ersten Semesters (etwa Psychologie an der Uni Wien). Die Zulassung muss nach qualitativen Kriterien erfolgen. Das Prinzip "wer zuerst kommt, malt zuerst" ist nicht zulässig.
Neben den oben genannten Fächern werden auch Zugangsbeschränkungen für Publizistik und Kommunikationswissenschaften, Biologie, Betriebswirtschaftslehre sowie Bildungs- und Erziehungswissenschaften diskutiert.