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"Wir brauchen Debatte ohne Schaum vor dem Mund"

Von Martyna Czarnowska

Europaarchiv

"Stürmische Zeiten" sieht Ursula Stenzel auf die EU zukommen. Für die ÖVP-Delegationsleiterin im Europäischen Parlament gehören die Türkei-Debatte, Terrorbekämpfung, Finanzrahmen und der Verfassungsprozess zu den wichtigsten Themen der beginnenden Legislaturperiode.


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Es sei eine enorm dramatische Entscheidung. ÖVP-Delegationsleiterin Ursula Stenzel macht kein Hehl daraus, dass sie die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei derzeit für "bedenklich" hält. Zu viele Fragen seien noch offen. "Wir brauchen eine ehrliche Debatte, ohne Schaum vor dem Mund", erklärt sie im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". So müsse überprüft werden, wie es tatsächlich mit Frauen- oder Minderheitenrechten in der Türkei aussehe: "Es kann nicht sein, dass die EU-Kommission grünes Licht für Gespräche gibt, wenn Papier und Wirklichkeit auseinander klaffen." Und selbst wenn Verhandlungen unabdingbar scheinen, sollte ihr Ausgang offen bleiben.

Den Vorschlag der deutschen CDU-Vorsitzenden Angela Merkel, der Türkei Alternativen zu einer Vollmitgliedschaft anzubieten, begrüßt Stenzel ebenso wie den kritischen Brief von EU-Agrarkommissar Franz Fischler. Denn die Union könnte sich mit der Aufnahme der Türkei übernehmen - und das zu einem Zeitpunkt, wo sie den Beitritt zehn neuer Länder noch "nicht verdaut" habe.

Einfluss könnte diese Debatte auch auf den Verfassungsprozess haben. Laut Stenzel haben französische EU-Parlamentarier bereits angekündigt, die Frage des Verfassungsreferendums mit der Türkei-Frage zu verbinden. Auch aus diesem Grund stehe der Verfassungsprozess unter keinem guten Stern. Sollten mehrere Länder in einem Referendum das Dokument ablehnen, würde der Vertrag von Nizza seine Gültigkeit behalten. "Das würde die EU schwächen", betont die Delegationsleiterin.

Klarere Worte notwendig

Als weiteren Arbeitsschwerpunkt der Union nennt Stenzel den Bereich Terrorbekämpfung und innere Sicherheit. "Die EU muss klarere Worte finden", meint sie. Nach der Tragödie von Beslan müsse sich die Union durchringen, "die innenpolitische Entwicklung in Russland ernsthaft zu analysieren". Ebenso müssten die transatlantischen Beziehungen "auf eine funktionierende Ebene gestellt" werden. Bei allem notwendigen Verständnis für die USA - Multilateralismus müsse vorherrschen.

Bei den Verhandlungen um den EU-Haushalt für die Jahre 2007 bis 2013 spricht sich Stenzel nicht - wie etwa die SPÖ - für die Erhöhung der Beiträge aus. Bevor der Rahmen erhöht werde, müsse eine reelle Einschätzung der Kosten erfolgen. Vielleicht wären dann Umschichtungen zielführender.