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"Wir brauchen den Privatsektor"

Von Konstanze Walther

Wirtschaft

Mangel an Energieversorgung hält Entwicklungsländer zurück.


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"Wiener Zeitung": Laut einer Schätzung der Internationalen Energieagentur haben 1,3 Milliarden Menschen auf der Welt keinen Zugang zu Elektrizität. Also mehr als jeder siebte Weltbürger.

Carlos Pascual: "Ohne Strom gibt es keine Impfungen und keine Investoren."
© US Botschaft Wien

Carlos Pascual: Und mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung, nämlich 2,7 Milliarden Menschen, haben keinen Zugang zu sauberen Kochgelegenheiten. Vor allem für Frauen ist das ein großes Gesundheitsrisiko, da sie es zumeist sind, die täglich den sich in der Hütte entwickelnden Rauch einatmen.

Mehrere Studien haben gezeigt, dass Energie der wichtigste Faktor für die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes ist - für das Entstehen von Unternehmen, die Schaffung von Arbeitsplätzen. Aber auch für den Gesundheitssektor ist Strom unabdingbar: Das reicht von Kühlketten für Impfstoffe bis zu funktionierenden Monitoren in Spitälern. Mit dem Zugang zu Elektrizität wird nicht nur das Wirtschaftswachstum gefördert, sondern es werden auch Millionen von Leben gerettet.

Welche Regionen sind betroffen?

Die größten Schwierigkeiten beim Zugang zu Energie sind in den subsaharischen Ländern Afrikas und in den Ländern Südasiens. Von den 1,3 Milliarden Menschen, die keinen Zugang zu Elektrizität haben, leben rund 800 Millionen in diesen Regionen.

Gibt es Schätzungen darüber, wie viel Energie mehr produziert werden müsste, wenn jeder Mensch Zugang zu Elektrizität hätte?

Das kommt auf die Form der Energie an und die Effizienz bei Produktion und Verwendung. Zum Beispiel wird heute ein Gutteil bei der Produktion von Öl und Gas verschwendet - einfach nur durch das Abfackeln von Gas in Russland, Nigeria, Irak. Würde man dieses Gas auffangen, wäre das zudem deutlich umweltschonender als die bisherige Methode in diesen Regionen, Strom zu erzeugen: nämlich mit Generatoren, die mit Dieselöl oder schwerem Heizöl laufen, die einen viel höheren Anteil an dem schädlichen Kohlenstoff haben. Oder man baut Wind- und Solarparks. Es müssen also nicht notwendigerweise die derzeit geförderten fossilen Brennstoffe ausgeweitet werden.

In der Theorie hört es sich natürlich gut an, Solarenergie in Afrika zu erzeugen. Aber die Investitionen in so eine Infrastruktur sind noch teurer als für herkömmliche Energie. Um diese Investitionen ins Land zu locken, bräuchte man wiederum verfügbare Energie. Es ist ein Henne-Ei-Problem. Wer baut also diese Infrastruktur?

Das ist ein wichtiger Punkt. Die Herausforderung für die Länder ist es, ein Umfeld zu schaffen, das private Investoren anlockt. Um bis 2030 alle Menschen mit Elektrizität zu versorgen, muss bis dahin jedes Jahr die Summe von 48 Milliarden Dollar investiert werden. Schaut man sich das Budget für Entwicklungshilfe an, scheint es unlösbar zu sein.

Aber diese 48 Milliarden Dollar sind wiederum nur drei Prozent von dem, was private Unternehmen jedes Jahr in Energie-Infrastruktur investieren. Wenn wir einen Weg finden, dass Unternehmen einen Teil in Entwicklungs- und Schwellenländer investieren, dann können wir dieses Elektrizitätsproblem lösen. Ein Teil unserer Arbeit ist es, sich die Frage zu stellen, wie man staatliche Mittel verwendet, um entweder einen Teil der politischen Hindernisse für Investments abzuschaffen oder wenigstens das Risiko von Investments zu reduzieren, um es attraktiver für den Privatsektor sein zu lassen. Mit der UN-Initiative "Sustainable Energy for All", die übrigens federführend von Wien aus geleitet wird (von Kandeh Yumkella, dem Generaldirektor der Unido, Anm.), versuchen wir Staaten, Banken, private Investoren und Nicht-Regierungs-Organisationen zusammenzubringen, um Lösungen zu finden.

Wie viele Länder machen da mit?

In nur kurzer Zeit haben sich 52 Länder gemeldet. Das ist ermutigend, denn offenbar wird es immer mehr Ländern klar, dass sie kompetitiv sein müssen, um Privatkapital anzulocken.

Welches Land hat dabei große Fortschritte gemacht?

Eines der beeindruckendsten Länder ist Ghana.

Nun ja, Ghana hat auch ein großes Rohölvorkommen, ein Land, das wahrscheinlich vergleichsweise attraktiv für Investoren ist.

Ja, aber zusätzlich hat Ghana seine lokale Politik geändert, um ein besseres Klima zu schaffen - etwa für Unternehmer, die in die Entwicklung von Kochherden investieren. Ghana reformiert auch die Gesetze im Elektrizitätssektor, um den Konsumenten zu garantieren, dass, falls sie ihre Rechnungen zahlen, sie ständig und ununterbrochen mit Elektrizität versorgt werden. Da gibt es derzeit eine Reihe von Ländern, die versuchen, mit Garantien zur Stromversorgung zu arbeiten. Selbst ein Land wie Nigeria, das bis dato größte Probleme bei der Stromversorgung gehabt hat, obwohl es viel Öl- und Gasvorkommen hat. Länder realisieren, dass es auf sie alleine ankommt, eine Umgebung zu schaffen, wo der Privatsektor sich beteiligt.

Zur PersonCarlos Pascualist US-Sonderbeauftragter für Energie. Davor war Pascual US-Botschafter in Mexiko, musste aber 2011 wegen - durch Wikileaks offengelegter - Differenzen mit dem damaligen mexikanischen Präsidenten das Amt zurücklegen. Davor arbeitete Pascual unter anderem für USAID (US Agentur für Internationale Entwicklung).