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Wir brauchen eine gezielte Migrationspolitik

Von Ulrike Famira-Mühlberger

Gastkommentare
Ulrike Famira-Mühlberger ist stellvertretende Leiterin des Wirtschaftsforschungsinstituts.

Österreich sollte sich beeilen, die Rot-Weiß-Rot-Karte weiter zu attraktivieren.


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In den regelmäßigen Unternehmensbefragungen des Wifo zeigt sich seit vielen Monaten, dass der Mangel an Arbeitskräften zu den wesentlichen Wachstumshemmnissen von Betrieben gehört. Das, obwohl Österreich bislang stark von der EU-Binnenmigration profitiert hat. Dies ist nicht allen EU-Staaten gelungen. Das Arbeitskräfteangebot hat vor allem aufgrund der ausländischen Arbeitskräfte langfristig zugenommen.

Aber die demografischen Entwicklungen stellen uns vor große Herausforderungen: Die Prognosen zeigen, dass Menschen im pensionsfähigen Alter sowohl zahlen- als auch anteilsmäßig stark an Bedeutung gewinnen werden. Bereits heute halten sich Menschen unter 20 Jahren und Menschen über 65 Jahren die Waage. In 20 Jahren wird die Anzahl der Menschen über 65 um fast die Hälfte gewachsen sein: Während heute jede fünfte Person in Österreich über 65 ist, wird dies in 20 Jahren jede vierte sein.

Gleichzeitig wird die Anzahl der Personen im erwerbsfähigen Alter um rund vier Prozent sinken. Seit der Jahrtausendwende ist Österreichs Bevölkerung fast nur durch Migration gewachsen. Auch für die Zukunft wird angenommen, dass das Wachstum der Bevölkerung in Österreich ausschließlich durch Migration begründet sein wird. Was dies für den Arbeitsmarkt bedeutet, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Wir wissen, dass der Anstieg der Bildung von jüngeren Kohorten zwar einen späteren Erwerbseintritt bedeutet, aber auch eine höhere Erwerbsbeteiligung, insbesondere im höheren Alter.

Bei Frauen sehen wir zusätzlich einen verstärkten Trend zu einer höheren Arbeitsmarktbeteiligung. Höhere Bildung bedeutet ebenso, dass wir langfristig mit geringeren gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Invaliditätsrisiken rechnen können. Darüber hinaus wird die Angleichung des gesetzlichen Pensionsantrittsalter von Frauen auf jenes der Männer Frauen länger in Beschäftigung halten.

Die wohl unsicherste Komponente der künftigen Entwicklung am Arbeitsmarkt ist jene der Zuwanderung. Bislang hat Österreich stark von Zuwanderung profitiert - vor allem, weil aufgrund der EU-Binnenmigration das durchschnittliche Bildungsniveau der Zugewanderten relativ hoch ist. Durch eine höhere Zuwanderung von Drittstaatsangehörigen könnte sich das ändern.

Um dem vorzubauen, benötigt es zweierlei: gezielte Migration, die vorwiegend auf den mitgebrachten Qualifikationen beruht sowie gute Qualifizierungsmöglichkeiten für jene, die eine zu geringe Qualifikation mitbringen. Deutschland, wo das Problem des Arbeitskräftemangels noch drängender ist, startet eine Zuwanderungsoffensive und setzt auf eine "Chancenkarte" auf der Grundlage eines Punktesystems, das auf Qualifikation, Sprachkenntnisse, Deutschlandbezug, Berufserfahrung und Alter abzielt. Österreich sollte sich hier beeilen, die Rot-Weiß-Rot-Karte weiter zu attraktiveren und vor allem eine breite Qualifizierungsoffensive für Migrantinnen und Migranten anbieten.

Die Probleme liegen klar auf dem Tisch: Wollen wir unseren Wohlstand erhalten und hoffentlich ausbauen, wird eine gezielte Migrationspolitik samt kluger Integrationspolitik unumgänglich sein.

So eine Wirtschaft: Die Wirtschaftskolumne der "Wiener Zeitung". Vier Expertinnen und Experten schreiben jeden Freitag über das Abenteuer Wirtschaft.