Putin schlägt in seiner Rede zur Lage der Nation gegenüber dem Westen konziliante Töne an - und hofft auf Donald Trump.
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Moskau. Ein einig Land, vom Friedensgedanken getrieben, vom machtgierigen Westen propagandistisch missbraucht, ist bereit, seinem Feind die Hand zu reichen, um mit ihm gemeinsam den Kampf gegen den Terrorismus aufzunehmen, der die Welt bedroht. Wladimir Putin hat am Donnerstag sein neues Drehbuch vorgestellt. Russlands Präsident hofft darauf, dass ein Reset der amerikanisch-russischen Beziehungen unter Barack Obamas Nachfolger Donald Trump seine geopolitische Position stärkt und Russland aus dem Würgegriff der Sanktionen befreit. Denn soziale Massenproteste kämen Putin vor seiner geplanten Wiederwahl 2018 ungelegen. Russland braucht daher dringend ausländische Investitionen und eine Refinanzierung von Schulden staatlicher Energiekonzerne und Banken. Entsprechend konziliant war der Ton, den Putin im prunkvollen St. Georgs-Saal des Kreml am Donnerstag vor der versammelten Staatselite gegenüber dem Westen anschlug. Jedenfalls deutlich gemäßigter, als man es in den vergangenen Monaten gewohnt war.
"Wir wollen mit niemandem eine Konfrontation, wir suchen keine Feinde", versicherte Putin bei seiner jährlichen Rede an die Nation, die Millionen Russen live im Internet verfolgten. "Wir brauchen Freunde." Vor allem aber streckte er Donald Trump, den Moskau im Wahlkampf verdeckt unterstütze, großmütig die Hand aus. "Es ist wichtig, dass wir unsere Beziehungen normalisieren und anfangen, unser bilaterales Verhältnis auf gleichberechtigter Ebene zu entwickeln", sagte der Kremlchef, dessen Rede mehrmals durch den Applaus der anwesenden Staatsvertreter unterbrochen wurde. Russland sei dazu bereit, beteuerte Putin - vor allem ein stärkerer gemeinsamer Kampf "gegen den internationalen Terrorismus" in Syrien schwebt ihm vor. Was Putin nicht offen aussprach: Um Moskaus Verbündeten Bashar al-Assad die Macht zu sichern, soll Washington Schulte ran Schulter mit Moskau den Rebellen den Garaus macht.
Barack Obama hatte dies stets abgelehnt. Er verstand die von Putin in den vergangenen Jahren immer wieder bemühte "gemeinsame Verantwortung für die globale Sicherheit" als Synonym für Russlands Ambitionen, sich als neue regionale Militärmacht im Nahen Osten zu etablieren, und unterstütze moderate Rebellengruppen im Kampf gegen Syriens Dikator al-Assad. Trump hingegen hat kaum Berührungsängste mit Moskau. Eine konziliantere Russlandpolitik dürfte für ihn auch heißen, dass er Putin freie Hand bei dessen Militärangriffen in Syrien lässt, Kriegsverbrechen nennt der Westen diese.
Auf einen weiteren Streitpunkt zwischen dem Westen und Russland ging Putin in seiner Rede hingegen mit keinem Wort ein: den Konflikt mit der Ostukraine. Auf die Sanktionen hingegen schon. Der Westen wolle, "dass Russland nach seiner Pfeife tanzt und wir unsere nationalen Interessen negieren", so Putin in seiner 69-minütigen Ansprache. Russland werde das nicht aber niemals zulassen.
Deutlich mehr Zeit als für die Außenpolitik widmete der Kremlführer vor den 1000 Gästen - auch der umstrittene tschetschenische Republikchef Ramsan Kadyrow war nach Moskau geeilt gekommen - innenpolitischen und Wirtschaftsfragen. Putin bemühte sich, Optimismus auszustrahlen. Die Schrumpfung der Realwirtschaft sei zu Ende, es gebe sogar ein "kleines Wachstum der Industrie". Der Rückgang des Bruttoinlandsprodukts dürfte für 2016 um die 0,2 Prozent liegen. 2015 lag das Minus demnach bei 3,7 Prozent - wegen der gesunkenen Ölpreise und westlicher Strafmaßnahmen gegen Russland wegen der Ukraine-Krise.
Putin, der das geeinte Volk Russlands zu noch mehr sozialer und politischer Eintracht aufrief, sprach sich dafür aus, die Anstrengungen für eine Diversifizierung und Modernisierung der Wirtschaft fortzusetzen sowie kleine und mittlere Betriebe zu fördern. Die Regierung solle bis spätestens Mai einen Aktionsplan bis zum Jahr 2025 aufstellen, sagte Putin. Dieser solle ab 2019 bis 2020 höhere Wachstumsraten als diejenigen der Weltwirtschaft ermöglichen.