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EU-Kommissar Johannes Hahn im Interview zur EU-Industrieoffensive.
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Brüssel. Beim "Wettbewerbsrat" am 21. Februar will die Kommission die Industrie wieder stärker an Europa binden. Es geht dabei um Leitlinien, die einen Ausbau der industriellen Investitionen ermöglichen. Teile Europas leiden an der Abwanderung von Produktionsbetrieben, damit einher geht hohe Arbeitslosigkeit und sinkender Wohlstand. Die "Wiener Zeitung" sprach mit EU-Kommissar Johannes Hahn, welche Hürden dabei zu nehmen sind.
"Wiener Zeitung": Die USA treiben ihre Re-Industrialisierung kräftig voran, der Rückgang der Arbeitslosigkeit dort scheint das Konzept zu bestätigen. Ist die EU mit der jetzigen Industrie-Offensive nicht ein bisschen spät dran?
Johannes Hahn: Wir haben 2012 sechs Schlüsseltechnologien definiert (Nanoelektronik, Nanotechnologie, Elektronik, Fertigungstechnologien, Biotechnologie und Materialwissenschaften, Anm. d. Red.). Jetzt kommt die Einschätzung dazu, dass wir Industrieansiedlungen finanziell unterstützen. Aber es ist richtig, wir brauchen auch die Produktionsstandorte in Europa.
Ein Schlüssel dazu sind die Energiepreise. Die EU-Kommission legte doch einen Schwerpunkt auf die Reduzierung von Schadstoffen und verärgerte damit viele Industriebranchen in Europa, die ohnehin schon hohe Umweltstandards haben.
Der Emissionshandel hat nicht funktioniert, weil durch die Krise in Europa plötzlich zu viele Zertifikate vorhanden waren. Darauf haben wir reagiert.
Es herrscht eine gewisse industriefeindliche Grundstimmung, sollte die EU-Kommission nicht auch hier stärker gegenarbeiten?
Politik ist immer auch Ausdruck von Stimmungslagen in der Bevölkerung. Das ist ein heikles Terrain, denn dabei geht es gar nicht so sehr um Populismus, sondern darum, dass der Politik vorgeworfen wird, undemokratisch zu agieren, wenn sie sich beispielsweise gegen Bürgerinitiativen stellt. Und es wird der Industrie vorgeworfen, eine starke Lobby zu bilden - doch ich kann ihnen sagen, dass auch manche NGOs nicht von Pappe sind.
Aber ohne politische Unterstützung wird die Industrie-Offensive keinen Erfolg haben ...
Wir können es in drei Bereiche gliedern. Von staatlichen Beihilfen für manche Industriezweige sind wir weit weg, im Forschungsbereich dagegen läuft es sehr gut. Und im dritten Bereich, der Energie, ist Europa sehr gespalten. Länder wie Frankreich setzen auf Atomkraft, Deutschland ringt mit der Energiewende. Und Energiegewinnung aus Fracking (Schiefergas) wird wieder querdurch teilweise als bedrohlich empfunden.
Das ist kein besonders optimistischer Befund für die Zukunft.
Wir müssen stärker mit der Industrie zusammenspielen. Auch die Industrie macht es sich manchmal zu einfach und schiebt die Verantwortung auf die Politik. Auch sie muss sich stärker einbringen, auch bei der Bevölkerung.
Johannes Hahn ist seit 2010 EU-Kommissar für Regionalpolitik. Davor leitete der einstige Obmann der Wiener ÖVP das Wissenschaftsressort. Seit 2003 sitzt der 56-Jährige mit abgeschlossenem Philosophiestudium zudem im Vorstand der Novomatic AG.