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"Wir brauchen Vertragsänderung, um Krise zu lösen"

Von Brigitte Pechar

Europaarchiv
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Politologin Puntscher-Riekmann fordert einen Konvent.


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"Wiener Zeitung":Schon von 2001 bis 2003 hat ein Konvent eine Verfassung für die EU erarbeitet, die aber nach negativen Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden Ende 2007 durch den leicht abgeschwächten Vertrag von Lissabon ersetzt wurde. Wie sinnvoll oder notwendig ist ein solcher Konvent heute angesichts der Bemühungen der Regierungen, eine Wirtschafts- und Währungsunion zu schaffen, die auch eine Banken- und Fiskalunion einschließt?Sonja Puntscher-Riekmann: Ich halte einen Konvent für sehr sinnvoll. Das ist der richtige Weg, weil wir ansonsten nichts an der Struktur von Lissabon bewegen können. Wir brauchen eine Vertragsänderung, um mit der Krise zurechtzukommen. Und große Vertragsänderungen sind nur durch einen Konvent zu legitimieren. Es braucht Rechtsgrundlagen, wo man sich nicht bei jeder passenden Gelegenheit davon verabschieden kann. Ich sehe aber auch die Schwierigkeiten; einige Akteure werden dagegen sein. Aber ich verweise darauf, dass auch das Europäische Parlament immer einen Konvent gefordert hat.

Zur Lösung der Krise braucht es rasch greifende Instrumente. Ist ein Konvent, in dem jahrelang gearbeitet wird, der richtige Ansatz?

Das wird einige Monate brauchen. Aber wir haben jetzt zwei Jahre herumgetan auf der Suche nach Lösungen - die Märkte blieben durch diese Schnellschüsse unbeeindruckt. Der Vertrag von Lissabon hat kaum Möglichkeit geschaffen, um die Wirtschaftspolitiken besser zu koordinieren. Solange sich die Regierungen selbst koordinieren müssen, tun sie das nicht. Sie brauchen ein Instrument, mit dem Fehlverhalten korrigiert werden kann - siehe etwa die Nichteinhaltung des Stabilitätspakts durch Frankreich und Deutschland oder auch das Ignorieren der griechischen Daten bei der Aufnahme in den Euro. Die Beamten von Eurostat haben seit den späten 1990ern die Staaten gewarnt und gesagt: "Wir haben ein Problem." Aber niemand hat reagiert. Es braucht daher Vertragsbestimmungen, die der EU-Kommission mehr Macht geben.

Die gemeinsame Schuldenverwaltung auf europäischer Ebene bedingt auch eine gemeinsame Steuerpolitik, und am Ende stehen dann die Nationalstaaten, die sich vermutlich dagegen wehren. Warum auch sollte etwa Österreich günstige Anleihen für Irland mitfinanzieren, wenn Irland gleichzeitig an einer Körperschaftssteuer von 12 Prozent festhält und damit auch noch Arbeitsplätze abziehen kann?

Genau das wird in einem solchen Konvent zu diskutieren sein. Wenn wir Schulden vergemeinschaften, werden wir auch einen gewissen Grad an Steuer- und Budgetpolitik vergemeinschaften müssen. Aber die unterschiedlichen Steuersysteme - begonnen mit der Flat-Tax - sind ein Problem, weil das zu einem Steuerwettbewerb führt, der tief in die Sozialpolitik eingreift und eine Spirale nach unten auslöst. Wir müssen daher darüber reden, was das für die Sozialsysteme bedeutet. Und genau dazu braucht es einen Konvent. Denn bisher gibt es kein legitimiertes Gremium, in dem so etwas diskutiert werden kann. Die Geheimverhandlungen der Regierungschefs sind auch aus demokratiepolitischer Sicht problematisch.

Was bleibt - sollte es tatsächlich zu einer Fiskalunion kommen - noch für die nationalen Parlamente?Zieht die europäische Bevölkerung da mit?

Das wird auch ein Kommunikationsproblem werden. Die schnellen Lösungen haben das Feuer am Dach nicht gelöscht. Ein Konvent wäre ein klares Signal an die Finanzmärkte: Jetzt machen wir Nägeln mit Köpfen. Die Verlagerung der Steuerpolitik setzt ein großes Maß an Solidarität der Staaten und der Bürger voraus. Wir können nicht mehr sagen, der Club Med gehört in die Kategorie der Sünder, während andere alles richtig gemacht, daher helfen wir nicht. Spanien zum Beispiel hatte kein Schuldenproblem, sondern eine Immobilienblase, an der alle europäischen Banken - vor allem die deutschen - blendend verdient haben. Diese Verknüpfung wird zu wenig kommuniziert und entsprechend reagiert die Bevölkerung. Wir brauchen also eine andere Form der Solidarität. Das heißt nicht, dass Griechenland nicht seinen Beitrag leisten und ein Steuersystem aufbauen muss, mit dem man Steuern auch eintreiben kann. Dass die griechischen Reedereien von Steuern befreit sind, ist auch eine Schwäche der Union. Eine Renationalisierung scheint mir aber keine Lösung zu sein, weil das die Ansteckungsgefahr verstärkt. Das kann auch Italien, ja sogar Frankreich betreffen. Wie viele müssen es noch sein, bis wir sagen: Wir sitzen in einem Boot.

Zur Person



SonjaPuntscher- Riekmann

Die 57-Jährige ist Universitätsprofessorin für Politische Theorie und Ideengeschichte unter Berücksichtigung der europäischen Politik am Institut für Politikwissenschaft der Universität Salzburg. 1994 war sie kurz Nationalratsabgeordnete der Grünen.