Zum Hauptinhalt springen

Wir Erdöl-Junkies: Am schmerzhaften Entzug führt kaum ein Weg vorbei

Von Von Hermann Sileitsch

Analysen

Der Appell der Verbraucherländer an die ölfördernden Nationen beim Welt-Öl-Gipfel in Jeddah (Dschidda) wirkt wie das Geständnis eines Drogensüchtigen: Ja, wir sind abhängig von Erdöl. Bitte die Dosis erhöhen! | Prompt retournierte der Gastgeber ein paar freundliche Worte: Aber sicher, man werde die Ölproduktion um 500.000 Barrel pro Tag steigern. Hurra!


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die Freude war freilich etwas verfrüht: Zum einen mehren sich die Zweifel, dass die Ankündigung der Saudis mehr ist als eine rasch hingeworfene Beruhigungspille.

Und zum anderen scheinen die Gesetzmäßigkeiten des Marktes völlig außer Kraft. Es kommt mehr Öl auf den Markt, also sinken die Preise? Weit gefehlt! Nach einem kurzen, hoffnungsvollen Absinken kennt der Ölpreis wieder nur die sattsam bekannte Marschroute: steil nach oben. Es scheint nur eine Frage von Stunden, wann der vorläufige Höchststand von 140 Dollar pro Fass eingestellt und übertroffen wird.

Auch die Experten lizitieren munter weiter: Aktueller Spitzenreiter bei den Prognosen ist das französische Institut IFP, demzufolge der Preis bis 2015 auf 300 Dollar (gut 192 Euro) pro Fass steigen soll. Was natürlich die Spekulationen auf steigende Ölpreise noch zusätzlich anheizt.

Aber auch ganz nüchtern betrachtet ist die derzeitige Situation eine besondere: Der brandneue Welt-Energie-Bericht von BP stellt fest, dass der Ölpreis seit mehr als sechs Jahren kontinuierlich ansteigt. Das ist der längste Anstieg, seit Aufzeichnungen geführt werden - immerhin seit 1861. Ein weiteres interessantes Detail: Zwar hat laut BP der weltweite Energiebedarf 2007 weiter stark zugenommen. Die Nachfrage nach Öl steigt aber nur in jenen Ländern besonders stark, die die Verbraucherpreise subventionieren - das sind neben den Erdöl-Exportnationen vor allem die Boomländer Indien und China.

Vor diesem Hintergrund überrascht es umso mehr, dass nicht einmal eine sensationelle Entscheidung Chinas die Ölpreis-Rally einbremsen konnte: Das Reich der Mitte erhöht nämlich den Benzinpreis deutlich, um die enorme Nachfrage im eigenen Land zu drosseln. Und der Ölpreis? Der steigt trotzdem weiter.

Wenn also alle Versuche, die "Droge" billiger zu erhalten, scheitern, bleibt als sinnvolle Alternative nur ein Entzug. Oder besser gesagt, eine Substitutionstherapie - denn ein Energieverzicht würde den Patienten (das Wirtschaftswachstum) gleich mit umbringen.

Öl zu ersetzen wird schmerzvoll. Es liegt darin aber auch eine Chance: Das britische Wirtschaftsmagazin "Economist" hat alternative Energie als das kommende Boom-Thema ausgerufen. Ein solches könnten wir nach New-Economy, Biotech und Immobilien auch gut brauchen - und es wäre mit Sicherheit kein Hype, denn diese Therapie muss nachhaltig wirken.