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"Wir erkennen Spaniens Gesetze nicht mehr an"

Von Clemens M. Hutter

Gastkommentare
Clemens M. Hutter war Auslandschef der "Salzburger Nachrichten".

Kataloniens Nationalisten brachen die Verfassung ganz bewusst, um auf populistischen Fischzug zu gehen.


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"Ich werde nicht aufgeben und nicht vor den unrechtmäßigen Handlungen jener zurückweichen, die an den Urnen verloren haben." So kämpferisch gab sich der abgesetzte und ins Ausland geflüchtete katalanische Präsident Carles Puigdemont, dessen Flucht vor einem internationalen Haftbefehl die Polizei in Schleswig-Holstein beendete. Die deutsche Justiz prüft, ob er an Spanien ausgeliefert werden soll, damit er sich unter anderem wegen Rebellion verantworte. Dafür drohen bis zu 30 Jahre Haft.

Trotzdem beschuldigte Puigdemont die spanische Regierung, die Rechtsstaatlichkeit aufs Spiel zu setzen, um die Einheit des Landes zu sichern. Das mag seinen Anhängern imponieren, verstößt aber genau so gegen die spanische Verfassung wie das verfassungswidrige Referendum vom 1. Oktober, in dem sich die Katalanen für die Unabhängigkeit ihres Landes entschieden. Um Puigdemonts eigenartige Rechtsauffassung zu decken, rief sein Parlament am 27. Oktober die Unabhängigkeit der "Republik Katalonien" aus. Nur Stunden später setzte Madrid die katalonische Regierung ab, übernahm die Verwaltung der Region und setzte Neuwahlen für den 21. Dezember an, die den "Unabhängigkeitsparteien" einen knappen Sieg brachte. Am 30. Oktober erhob die spanische Generalstaatsanwaltschaft Anklage gegen die abgesetzten Regierungsmitglieder wegen Rebellion, Aufruhrs und Veruntreuung öffentlicher Gelder für das illegale Referendum. Da hatte sich Puigdemont bereits nach Belgien abgesetzt.

Spaniens Verfassung qualifiziert Puigdemonts Strategie als Rechtsbruch, sie rechtfertigt auch die Absetzung seiner Regierung. Artikel 2 der Verfassung legt "die unauflösliche Einheit der spanischen Nation (als) gemeinsames und unteilbares Vaterland aller Spanier" fest. Daher sind Volksabstimmungen in den 17 autonomen Regionen über die Unabhängigkeit illegal. Nach Artikel 472 macht sich der Rebellion schuldig, wer sich "erhebt, um die Unabhängigkeit eines Teils des nationalen Territoriums zu erklären". Erfüllt aber eine Region nicht die Pflichten aus der Verfassung, "kann die Regierung (nach Artikel 155) die nötigen Maßnahmen ergreifen, um die Pflichten aus der Verfassung durchzusetzen".

Mangels militärischer Mittel wandte Puigdemont eine verführerische populistische und scheindemokratische Methode an: In einem Referendum äußere das Volk seinen Willen und das wiege schwerer als die Verfassung. Also folgerte er aus dem Referendum und dem Beschuss seines Parlaments: "Wir erkennen Spaniens Gesetze nicht mehr an."

Die katalanische Regierung und knapp die Mehrheit der Katalanen handelten so wie der Schwanz, der den Hund wedeln soll – nämlich den Rechtsstaat. Da helfen auch die Vorwürfe an die spanische Regierung nichts. Ein Beispiel: Katalonien ist wirtschaftlich Spaniens Zugpferd und zahlt jährlich 16 Mrd. Euro in den Finanzausgleich für bedürftige Regionen. Höhe und Verteilung des Finanzausgleichs legt aber die spanische Regierung fest. Deshalb wirft Katalonien Madrid vor, unablässig "die katalanische Kuh zu melken". So kann sich also der Täter, der die Verfassung bricht, als Opfer stilisieren und die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien in das Recht auf Selbstschutz umdeuten.

Die politische Bilanz seit dem Referendum ist ernüchternd: Das am 21. Dezember gewählte katalanische Parlament konnte sich bis jetzt auf keine Regierung einigen. Die "Republik Katalonien" ist eine Fata Morgana, die aber bestens zur Legendenbildung taugt. Die Prozesse gegen die Führer der Unabhängigkeitsbewegung werden den Lokalpatrioten Anlässe zu Agitation und emotionaler Propaganda liefern. Und erhalten die Angeklagten schwere Strafen, dann ist Kataloniens "nationalen Helden" populistische Langzeitwirkung sicher.