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Maria Fekter lobt Kindergartenpflicht als "Quantensprung". | Kein voller Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylwerber. | Eberau: Warten auf Entscheidung der Höchstgerichte. | "Wiener Zeitung": Der Nationale Integrationsplan hat am Dienstag verspätet den Ministerrat passiert. Die SPÖ war von Beginn an skeptisch. Wie haben Sie den Koalitionspartner überzeugt? | Maria Fekter: Es gab semantische Korrekturen, aber das Grundkonzept wurde nicht verändert.
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Bisher wurde kritisiert, dass der Aktionsplan zu wenig konkret sei . . .
Der Maßnahmenkatalog ist ein eigenes Paket mit 373 Seiten. Das ist aber nur ein Sammelwerk, weil ich ja selbst nicht in Maßnahmen, die beispielsweise die Stadt Wien macht, eingreifen kann. Wir haben die Handlungsfelder im Aktionsplan koordiniert, und die jeweils Verantwortlichen müssen diese dann umsetzen.
Wurden konkrete Maßnahmen ausverhandelt?
Die gibt es bereits und sie werden kontinuierlich fortgesetzt. Wir fangen ja in der Integration nicht bei Null an. Die wohl bahnbrechendste Maßnahme in Hinblick auf den Spracherwerb ist das Gratis-Kindergartenjahr und das verpflichtende Kindergartenjahr vor dem Schulbeginn. Dafür bin ich nicht zuständig, aber es ist der Quantensprung schlechthin.
Nun ist ja die Idee, einen Integrationsplan zu erstellen, nichts Neues. Ihr Amtsvorgänger Günther Platter hat einen ähnlichen Prozess gestartet, der aber rasch in Vergessenheit geraten ist. Wie verhindern Sie ein solches Schicksal für Ihr Papier?
Wir haben auf das, was meine Vorgänger an Vorarbeit geleistet haben, aufgebaut. Dazu sind Konzepte der Sozialpartner und Länder eingeflossen. Damit das ein andauernder Prozess ist, wird es die Steuerungsgruppe aus Sozialpartnern, Ministerien, Ländern und den Big Five der NGOs auch pro futuro geben.
Problematisch erscheint die Deutschpflicht für Zuwanderer vor der Einreise. Wie soll diese umgesetzt werden?
Weder der Universitätsprofessor, der einen befristeten Lehrauftrag hat, noch der Gurkenpflücker, der als Saisonnier arbeitet, muss Deutsch können. Aber wenn Personen wirklich alle Brücken hinter sich abbrechen und dauerhaft hier leben wollen, müssen sie nachweisen können, dass sie bis zu einem gewissen Ausmaß Deutsch können.
Nun kritisiert aber etwa das Deutsche Rote Kreuz, dass die Möglichkeit für diese Leute sehr eingeschränkt ist, überhaupt einen Deutschkurs zu besuchen. . .
Unsere Zuwanderer kommen großteils aus dem ehemaligen jugoslawischen Raum - dort ist es möglich, Deutschkenntnisse zu erwerben. Wir geben aber keine grundsätzlichen Regelungen vor, wie jemand diesen Spracherwerb erlangt.
Wann wird diese Forderung in ein Gesetz gegossen?
Wir arbeiten derzeit an der Rot-Weiß-Rot-Card, in diesem Zusammenhang können wir das gesetzlich verankern. Besonders beim Familiennachzug haben wir das Riesenproblem, dass Personen schon 20 Jahre hier leben und trotzdem nicht Deutsch können.
Gibt es einen Zeithorizont für die Rot-Weiß-Rot-Card?
Die Sozialpartner erarbeiten derzeit Kriterien, die eng mit den Bedürfnissen des Arbeitsmarkts abgestimmt sein werden.
Im Integrationsplan wird besonders auf die Berufstätigkeit Wert gelegt. Warum wehrt sich die Regierung so gegen eine Arbeitserlaubnis für Asylwerber?
Weil der Arbeitsmarkt ein sehr fragiles Gesamtsystem ist, das nicht dadurch beeinträchtigt werden soll, dass ungelernte und womöglich sehr günstige Arbeitskräfte jene verdrängen, die schon am Arbeitsmarkt Fuß gefasst haben. Wenn Asylwerber vollen Arbeitsmarktzugang hätten, dann würde sich auch niemand mehr legal um einen Quotenplatz bemühen.
Es wird häufig ein eigenes Integrationsstaatssekretariat gefordert. Wäre dies nicht für die Sache besser?
Ich bin die Ministerin, die den sozialen Frieden in Österreich gewährleisten muss. Und in diesem Zusammenhang passt die Integration inhaltlich gut ins Innenministerium. Es ist mir schon bewusst, dass es Gruppierungen gibt, die sich bei einer anderen Konstellation eine andere Beteiligung an den Fördertöpfen wünschen würden. Aber es steht bei Verhandlungen mehr Power dahinter, wenn das eine Ministerin macht, die eine breite Interessenslage mitbringt.
Aber es wird oft kritisiert, dass dadurch Integration, Asyl, Migration und Polizei vermischt werden und am Ende herauskommt, alle Migranten seien kriminell.
Da müssten sich all diejenigen, die das immer wieder erwähnen, fragen, ob sie nicht Teil dieser Meinungsbildung sind. Von mir kommt das mit Sicherheit nicht, wir trennen das.
Stichwort: Eberau. Warum ist die Debatte um die Erstaufnahmestelle derart entgleist? Haben Sie damit gerechnet?
Ich habe damit gerechnet, dass kontroversiell diskutiert wird. Was ich nicht erwartet habe, war die Aggressivität, mit der die Debatte geführt wird, und das unmenschliche Mobbing gegen den Bürgermeister und manche Gemeinderäte.
Ist das Projekt Eberau tot?
Wir haben in der Regierung vereinbart, dass wir auf Alternativstandortsuche gehen. Die Reaktionen aller Landeshauptleute sind hinlänglich bekannt. Auch wenn wir Alternativstandorte finden, hält sich meine Hoffnung also in Grenzen, dass plötzlich jemand die Aufnahmestelle haben will.
Noch einmal: Ist Eberau tot?
Es gibt eine Volksbefragung in Eberau und eine in den umliegenden Bezirken. Derzeit sammeln auch die Freiheitlichen in St. Georgen Unterschriften für eine Volksbefragung, um die Erstaufnahmestelle in Thalham zu schließen. Dann frage ich Sie: Wie soll ich mit all diesen Volksbefragungen umgehen?
Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Befragungen im Burgenland negativ ausgehen. Werden Sie dennoch auf Eberau beharren?
Wir schauen uns das mit den Alternativstandorten an. Außerdem habe ich ja die Anwesenheitspflicht vorgeschlagen, weil die Bewegungsfreiheit der Asylwerber von der ersten Minute an die Menschen sehr irritiert. Unter diesen geänderten Vorzeichen muss man sich das dann noch einmal anschauen. Und ich warte auf jeden Fall die höchstgerichtlichen Entscheidungen ab, dann ist die Debatte vielleicht auch wieder einer sachlichen Argumentation zugänglich. Aber ich werde mit Sicherheit nicht die Bagger unter Polizeischutz in Eberau auffahren lassen.
Die Oberösterreicherin Maria Fekter (53) ist Juristin und Betriebswirtin und seit 1. Juli 2008 ÖVP-Innenministerin. Siehe auch:Versuch und Irrtum als roter Faden
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