Sorge um Zukunft der Afghaninnen - Hilfsorganisationen schlagen Alarm.
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"Meine Freundinnen sind nur noch daheim und können nicht das Haus verlassen." Wenn Maryam Haidari von ihren Bekannten in Afghanistan erzählt, stockt ihre Stimme immer wieder. Doch sie will ihre Geschichte und die ihrer Freundinnen erzählen, und sie tut es in Wien, bei einer Solidaritätskundgebung. Vor fünf Jahren ist die junge Afghanin nach Österreich geflohen, nun verfolgt sie mit Entsetzen die Ereignisse in ihrem Herkunftsland.
Denn nach der Machtübernahme durch die Taliban steht hinter der Zukunft der afghanischen Frauen ein großes Fragezeichen - außer Frage steht allerdings, dass die Afghaninnen dies künftig nur begrenzt mitgestalten dürfen. Zwar hat ein Sprecher der Taliban vor wenigen Tagen zugesichert, dass Frauenrechte respektiert werden sollen, fügte aber gleich hinzu, dass dies in den Rahmen der Scharia passen müsse. Und das islamische Recht wird von den Taliban streng fundamentalistisch ausgelegt. Das Ergebnis dieser Interpretation während des Taliban-Regimes Mitte der 1990er Jahre waren Verbote und strenge Vorschriften, deren Übertretung teils mit drakonischen Strafen geahndet wurde. Mädchen durften nicht in die Schule, Frauen nicht allein auf die Straße gehen. Dass die Afghaninnen nun wieder von Bildung, Arbeit außerhalb des Hauses und aus der Öffentlichkeit ausgeschlossen werden, sei nicht gesagt, hieß es noch zu Anfang der Woche.
Radikale Ideologie
Doch nur wenig später machte ein hochrangiger Taliban-Vertreter klar, dass die Situation der Frauen von einer kleinen Gruppe vorgegeben werde: Ein Rat islamischer Gelehrter werde das letzte Wort haben, ob Mädchen in die Schule gehen dürfen und wie sich Frauen zu kleiden haben. Vielleicht werde es eine Burka sein, die den ganzen Körper und das Gesicht verhüllt, vielleicht ein dem Kopftuch ähnelnder Hidschab.
Für Maryam Haidari ist aber klar, dass sich die Lage der Frauen verschlechtern werde. Selbst wenn die Schultore für Mädchen weiterhin offenbleiben, "weiß ich nicht, unter welche Ideologie die Bildung gestellt wird", sagt die junge Frau im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Im Moment würden sich die Taliban vor den Medien der westlichen Welt zurückhalten und behaupten, Frauen Zugang zu Berufstätigkeit und Bildung zu gewährleisten. "Doch unter der Scharia sind wir keine gleichwertigen Menschen", führt Haidari aus. Diese radikale Ideologie bekämen schon Schulkinder eingeimpft.
Dabei haben sich Afghaninnen in den vergangenen 20 Jahren einiges erkämpft - auch Maryam Haidari und ihre Freundinnen. "Wir waren immer unterwegs und wollten ein aktiver Teil der Gesellschaft sein", berichtet sie. "Wir wollten arbeiten, besonders die Arbeit mit Medien hat uns interessiert. Ich denke sehr oft daran, dass wir Afghaninnen jahrelang dafür gekämpft haben, dass wir zumindest in den Großstädten wie Kabul, Herat oder Masar-i-Scharif das Haus verlassen können, um zu arbeiten oder zu studieren. Jetzt ist all diese Mühe kaputtgemacht worden, und wir stehen wieder bei null." Haidaris Freundinnen hätten noch vor kurzem an Demonstrationen für Frauenrechte teilgenommen, "und jetzt wissen sie nicht, ob sie morgen, übermorgen oder nächste Woche noch am Leben sind - denn alles kann passieren."
Proteste am Hindukusch
Menschenrechtsorganisationen und andere Institutionen in etlichen Ländern schlagen daher schon Alarm. Aber auch in der Politik gibt es Forderungen, vor allem Frauen und Kindern sowie Aktivisten, Medien- und Kunstschaffenden Zuflucht zu gewähren. In einigen europäischen Städten kam es zu Kundgebungen als Signal der Unterstützung. In Wien etwa riefen dazu am Donnerstag die SPÖ-Frauen und die Volkshilfe auf, die Maryam Haidari eingeladen hatten.
Auch am Hindukusch selbst formiert sich Widerstand. Am Nationalfeiertag versammelten sich Menschen in mehreren Städten und präsentierten sich mit der afghanischen Nationalflagge, welche sich seit der Machtübernahme durch die Taliban zu einem Protestzeichen gegen die Islamisten entwickelt hat. Bei den Demonstrationen wurden mehrere Menschen getötet, die Hintergründe waren zunächst unklar.