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Tallinn. "Wir leben nicht länger in einem friedlichen Europa". Mit deutlichen Worten empfing der estnische Präsident Toomas Hendrik Ilves seinen Amtskollegen Heinz Fischer am Montag in Tallinn. Die Krise um die Ukraine wird in der ehemaligen Sowjetrepublik mit beträchtlicher russischsprachiger Minderheit mit großer Sorge verfolgt. Und der Präsident des Nato-Landes, der einst in den USA studierte und während der Sowjetunion für den US-finanzierten Sender "Radio Free Europe" arbeitete, legte nach. Russland könne so kein strategischer Partner sein, richtete Ilves aus, kritisierte Wladimir Putins Wien-Besuch vergangene Woche und zog Parallelen zwischen der russischen Krim-Annexion und jener des Sudentenlandes durch Hitler-Deutschland 1938. Neutralitäts-Verfechter Fischer zeigte sich "überrascht" über die Äußerung von Transatlantiker Ilves; er sprach lediglich von einem "Rückschlag" und einer "Beeinträchtigung" der Beziehungen zu Russland, rückte aber nicht von der strategischen Partnerschaft ab. Stattdessen meinte Fischer, es sei weise, nicht alle Diskussions-Kanäle zu schließen.
Harmonischer war der Austausch der beiden Staatsmänner in Sachen EU-Erweiterung. Insbesondere die Beitrittsfähigkeit des Kandidatenlandes Serbien interessierte die Nordeuropäer. Estland, das strenge Budgetdisziplin hält und dessen Staatsschulden lediglich zehn Prozent des BIPs betragen (in Österreich sind es etwa 75 Prozent), ist gegen eine Erweiterung um jeden Preis. Gleichzeitig fühlt sich das Land zurückgesetzt, da es zehn Jahre nach dem Beitritt zur Union in der öffentlichen Debatte noch immer als "neues Mitglied" firmiert. Man fühle sich "zwar nicht als Staat zweiter, aber eineinhalbter Klasse". Umso wichtiger sei es jenen Ländern, bei der Vergabe der EU-Kommissare endlich ein schwergewichtiges Ressort zu erhalten, richtete Ilves seinem Gast aus.