)
Der türkische Europaminister Egemen Bagis betont die Brückenfunktion seines Landes. Im Interview mit der "Wiener Zeitung" geißelt er die Visumpflicht für Türken und fordert die Europäer auf, von der Türkei zu profitieren.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
"Wiener Zeitung": Die Türkei intensiviert ihre Beziehungen mit ihren Nachbarländern, scheint ihre Außenpolitik derzeit mehr auf den Osten auszurichten. Wird Europa für die Türkei unattraktiv?
Egemen Bagis: Die Türkei normalisiert sich. Sie war schon immer eine Brücke zwischen Ost und West, zwischen den Kulturen und Zivilisationen. Sie will nun beide Enden der Brücke stärken. Je besser die Beziehungen zum Osten sind, umso besser kann die Türkei bei den Beziehungen mit dem Westen vermitteln. Welches andere Land könnte sonst diese Rolle übernehmen?
Wird der Europäischen Union also noch immer Aufmerksamkeit zuteil?
Die Frage ist eher, ob die Türkei genügend Aufmerksamkeit bekommt in der EU. Immerhin haben wir den Schlüssel zur Lösung vieler Probleme in Europa. Dieses braucht zum Beispiel neue Energieressourcen. Der Iran hat riesige Erdgasreserven, und wir könnten sie in den Westen bringen. Sie sollten Ihren Außenminister fragen, ob die Türkei genug beachtet wird.
Das habe ich. Er wirbt aber eher für die EU-Aufnahme der Länder des Westbalkans.
Können diese Länder die Probleme der EU lösen? Wir sind ein großer Markt, eine Barriere gegen illegale Immigration, ein Nato-Land. Manche Leute fragen mich, wie es kommt, dass wir gut genug sind, für unsere Partner zu sterben, unsere Soldaten in den Kosovo, nach Afghanistan oder in den Irak zu schicken, aber nicht gut genug scheinen, der EU beizutreten.
Ist es da nicht ärgerlich, dass Türken noch immer so viele Schwierigkeiten haben, ein Visum für die EU zu bekommen, während etwa Serben nun visumfrei reisen können?
Es ist ärgerlich - und nicht akzeptabel. Wir versuchen das zu ändern. Wenn die Visumpflicht aufgehoben wird, könnte es zwar anfangs einen Anstieg bei der Zahl der Ausreisen geben, aber danach würden auch mehr Menschen wieder in die Türkei zurückkehren. Wenn es Reisefreiheit gibt, würde es auch dem Handel helfen und zur Stärkung der Demokratie in der Türkei beitragen.
Ist die Demokratie in der Türkei schwach?
Sie ist stärker als je zuvor.
Dennoch geht es mit der demokratischen Öffnung, wie die Regierung auch ihre Initiative zu mehr kulturellen Rechten für Kurden nennt, langsam voran. Ebenso haben sich die Beziehungen zu Armenien nicht normalisiert.
Änderungen brauchen Zeit. Wir müssen die Menschen überzeugen, und wir wollen mit allen reden. Zum ersten Mal gibt es eine Regierung, die den Kurden, Armeniern, Aleviten, Roma die Hand reicht. Wir versuchen ihre Probleme zu verstehen und zu lösen. Die demokratische Öffnung richtet sich nicht nur an Kurden sondern an alle im Land.
Egemen Bagis ist seit einem Jahr EU-Chefverhandler der Türkei. Er kam 2002 für die Regierungspartei AKP ins Parlament. Danach war er unter anderem Vorsitzender des interparlamentarischen Ausschusses Türkei-USA.