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Budapest. Das Urteil des slowakischen Vize-Premiers Dusan Caplovic könnte härter nicht sein. "Wir haben eine Roma-Generation liquidiert", zitierte die Tageszeitung "Pravda" am Dienstag den auch für Minderheiten zuständigen Politiker aus Anlass des internationalen Roma-Tags. 20 Jahre lang sei nichts geschehen, und es werde mindestens genauso lange dauern, bis eine neue Generation veränderter Roma herangewachsen sei, die Chancen auf dem Arbeitsmarkt hätten und stolz darauf seien, Roma zu sein.
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Alte Klagen aus neuem Mund? Schließlich ist die Misere der Roma in der Slowakei nicht erst seit kurzem ein drängendes Problem. Umso überraschender mag es für den Außenstehenden sein, dass ausgerechnet der Ultranationalist Ján Slota und der Vorsitzende des Roma-Parlaments Ladislav Fizík schon im April vergangenen Jahres ein Kooperationsabkommen unterzeichneten. Fizík, der seit 2006 als persönlicher Berater Slotas fungierte, bezeichnete den Chef der SNS damals gar als einzigen Politiker mit Herz und Willen zur Unterstützung für die Roma.
Unterdessen hat die Regierung ebenfalls immer wieder ihren Willen zu einer Verbesserung der Lage der Roma kundgetan. Caplovic selbst setzte einen deutlichen Akzent, als er die langjährige Roma-Bevollmächtigte Klara Organová im Vorjahr gegen Anina Botosová austauschte. Botosova gilt im Gegensatz zu Organová als ambitioniert und engagiert. Seit 1995 arbeitet sie mit Minderheiten, und seit 2003 war sie im Arbeits- und Sozialministerium konkret mit Roma-Projekten befasst. Im Oktober unterzeichnete sie ein auf fünf Jahre angelegtes Memorandum mit dem in Pressburg ansässigen Regionalzentrum des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen.
Dennoch sind weiterhin kaum Verbesserungen festzustellen, wenngleich sich die amerikanische U.S. Steel, der größte Auslandsinvestor in der zweitgrößten slowakischen Stadt Kaschau, neuerdings bei der Ausbildung von Roma engagiert.
Die Bemühungen werden dadurch erschwert, dass es kein verlässliches Zahlenmaterial über die Roma-Population in der Slowakei gibt. Darauf weist das Institut für öffentliche Roma-Politik hin. Danach bekennen sich offiziell gerade einmal 91.000 von gut 5,5 Mio. Slowaken zur Roma-Minderheit, tatsächlich wird die Zahl der Roma auf 360.000 bis 600.000 geschätzt. Es gibt auch keine verlässlichen Studien zum Lernverhalten von Roma.
Ins triste Bild passt, dass im März endgültig ein Fall ad acta gelegt wurde, der für viel öffentliches Aufsehen gesorgt hatte: Die Staatsanwaltschaft in Kaschau stellte die Ermittlungen wegen der mutmaßlich illegalen Sterilisation von drei Roma-Frauen nunmehr endgültig ein.