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"Wir haben enormen Aufholbedarf"

Von Walter Hämmerle

Politik
Bandion-Ortner verspricht "intensivste Ermittlungen" in Causa Hypo. Foto: Strasser

Bandion-Ortner: Justiz braucht mehr Wirtschaftswissen. | Neue Ausbildung und Strukturen für Staatsanwälte und Richter. | Härtere Strafen für Bilanzvergehen. | "Wiener Zeitung": Bei den Ermittlungen zur Kärntner Hypo Alpe Adria sehen viele die rigorosen Untersuchungen in Bayern als Garanten dafür, dass auch in Österreich allfällige Straftaten aufgedeckt werden . . . | Claudia Bandion-Ortner: Das weise ich massiv zurück, ich kann Ihnen garantieren, dass wir in dieser Causa intensivst ermitteln. Wir haben für die notwendigen Ressourcen gesorgt: An der Causa Hypo arbeiten drei Staatsanwälte, hinzu kommt eine Sonderkommission von 15 Ermittlern des Innenministeriums; und mit Doris Wohlschlägl-Aschberger haben wir eine hochqualifizierte externe Bank- und Kapitalmarktexpertin engagiert, die den Behörden hilft, die Untersuchungen zu kanalisieren.


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Staatsanwälte bringen nur geringe und oft gar keine wirtschaftliche Ausbildung in ihren Beruf mit. Das möchte und will ich ändern. Hinzu kommt, dass wir mit Jahresbeginn die Möglichkeit geschaffen haben, dass die Justizbehörden nun externes Know-how zukaufen können. Das steigert die Effizienz der Ermittlungen enorm. In der Causa Kärntner Hypo und darüber hinaus müssen wir keinen Vergleich mit den Bayern scheuen. Es gibt eine sehr, sehr intensive Kooperation mit den Kollegen in München: Da die Kriminalität Grenzen überschreitet, müssen dies auch die Ermittlungen tun.

Was soll sich strukturell ändern, damit die Justiz bei der Verfolgung von Wirtschaftsdelikten auf Augenhöhe mit den Kriminellen agiert?

Wir werden - angesiedelt jeweils bei den Standorten der Oberlandesgerichte in Wien, Linz, Innsbruck und Graz - vier Kompetenzzentren für die Verfolgung von Wirtschaftskriminalität einrichten. Zudem will ich verstärkt die Möglichkeit schaffen, Ermittler-Teams zu bilden, Schnittstellen zur Finanzmarktaufsicht oder Nationalbank schaffen und externe Experten zu konkreten Fachgebieten heranziehen. Schließlich möchte ich die wirtschaftliche Ausbildung von Richtern und Staatsanwälten ausbauen. Hier haben wir tatsächlich enormen Bedarf.

Warum hat die Justiz nicht viel früher reagiert, das Phänomen der Organisierten Wirtschaftskriminalität über Grenzen hinweg ist ja keineswegs neu?

Das müssen Sie meine Vorgänger fragen. Hier wurde einiges verabsäumt. Wir müssen jetzt neue Strukturen aufbauen. Bereits im Zuge der Ausbildung zum Richter oder Staatsanwalt soll eine Spezialisierung möglich sein, etwa über einen Lehrgang in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsuniversität. Unsere Leute brauchen ein wirtschaftliches Grundverständnis; ich will auch die Möglichkeit schaffen, dass Richteramtsanwärter in ihrer dreijährigen Ausbildung für einige Monate Praxisluft in großen Unternehmen, der Finanzmarktaufsicht oder bei Wirtschaftstreuhändern schnuppern.

Wie schnell wollen Sie diese Pläne umsetzen?

Es soll sehr bald konkrete Ergebnisse geben, eine Arbeitsgruppe arbeitet daran.

Sehen Sie darüber hinaus rechtlichen Aufholbedarf, um der ausufernden Wirtschaftskriminalität beizukommen?

Nachholbedarf haben wir beim Bilanzstrafrecht. Verstöße dagegen werden viel zu oft noch als Kavaliersdelikt angesehen, dabei bauen darauf schwerwiegende Straftaten wie Untreue und Betrug auf. Derzeit haben wir hier einen Strafrahmen von maximal einem Jahr, Mir schwebt hier eine Erhöhung des Strafrahmens auf bis zu drei Jahre vor, wie das auch in Deutschland der Fall ist. Zudem möchte ich die derzeit acht Bilanzdelikte zu einem qualifizierten Straftatbestand zusammenführen und ins Kernstrafrecht überführen. Bilanzen sind einfach Vertrauenssache.

Abgesehen von Wirtschaftskriminalität müssen wir, um Waffengleichheit herzustellen, sicher mittelfristig über Online-Durchsuchungen, die virtuelle Observation, nachdenken. Dies jedoch nur bei Verdacht schwerer Verbrechen und nur nach richterlichem Beschluss. Hier muss stets das eherne Prinzip der Verhältnismäßigkeit zugrunde gelegt werden.

Apropos Verhältnismäßigkeit: Sehen Sie die bei Ermittlungen gegen Väter- und Tierschützer-Aktivisten wegen des Verdachts einer terroristischen Vereinigung gewahrt (siehe Artikel unten)?

Ich kann laufende Verfahren nicht kommentieren. Ich plädiere aber für ein gewisses Grundvertrauen in die Richterschaft. Ich habe volles Verständnis für Aktivisten, die für ihre Interessen kämpfen, aber es geht immer auch um das Wie: Nötigung, Drohung oder strafbare Handlungen sind eine Grenze, die nicht überschritten werden darf. Ungeachtet dessen sehe ich bei den Väterrechten durchaus Verbesserungsbedarf: In der ersten Jahreshälfte soll es dazu eine Enquete geben, wo es um eine bessere Durchsetzung des Besuchsrechts und Änderungen bei der Obsorge gehen wird. Wir sprechen zu viel über die Rechte von Müttern und Vätern und zu wenig über jene der Kinder - diese aber haben ein Recht auf beide Elternteile.