Rumäniens Parlamentspräsident über vergangene und kommende Machtkämpfe.
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"Wiener Zeitung":Letzten Sommer hat ein erbittert geführter Machtkampf zwischen Präsident Traian Basescu und Premier Victor Ponta Rumänien erschüttert. Wie lautet die Lehre, die man möglicherweise ziehen kann?Valeriu Zgonea: Wir haben jetzt einen Vertrag zwischen Präsident und Premier, der das friedliche Nebeneinander sichert. Ich als Parlamentspräsident überwache die Einhaltung. Der Konflikt war wichtig für unser demokratisches Verständnis. Wir haben gelernt, dass es wichtig ist, gemeinsam an einem Tisch zu sitzen und zu kooperieren. Und wir verändern die politischen Institutionen.
Es wird an einer Verfassungsänderung gearbeitet?
Wir als noch sehr junge Demokratie müssen exakt fixieren, wo der Präsident, der Premier, das Parlament zuständig ist. Die rumänischen politischen Institutionen dürfen einander nicht bekämpfen. Es muss eine Zusammenarbeit im nationalen Interesse geben.
Also war es so, dass der Premier dem Präsidenten ins Handwerk gepfuscht hat und umgekehrt?
Sagen wir so: Es gibt bei den jeweiligen politischen Institutionen viel Interpretationsspielraum. Wir haben jetzt beschlossen, dass das eindeutiger definiert werden muss.
Was war Ihrer Meinung für den Machtkampf wirklich ausschlaggebend. Persönliche Animositäten ...
Es waren Emotionen im Spiel ...
... man hat sich gegenseitig vorgeworfen, mit kriminellen Organisationen zusammenzuarbeiten.
Nein. Das Wichtige ist, dass wir gelernt haben, dass so etwas in der nächsten Zeit nicht mehr vorkommen darf, in den nächsten zehn oder zwanzig Jahren.
Das nächste große politische Projekt Rumäniens ist der Schengen-Beitritt. Seit drei Jahren wird in Bukarest daran hart gearbeitet. Welche Signale erhalten Sie in der Frage von Österreich?
Österreich unterstützt uns in dieser Frage zu 100 Prozent. Wir haben die Vorgaben erfüllt, jetzt geht es nur noch um, sagen wir, technische Fragen. Die europäischen Staaten, die Vorbehalte haben, haben diese aus politischen Gründen, nicht weil wir die Bedingungen nicht erfüllen. Aber unser Hauptaugenmerk liegt in der Entwicklung unserer Wirtschaft.
Da gibt es interessante Statistiken, die besagen, dass Rumänien seine EU-Fonds überhaupt nicht ausschöpft. Rumänien ist EU-weit an letzter Stelle. Wo liegen die Gründe dafür?
Wir sammeln noch Erfahrungen. Wir und die Bulgaren sind die Letzten, die der EU beigetreten sind. Wir haben hart gearbeitet, waren aber nicht erfolgreich. Auch hat uns die Wirtschaftskrise hart getroffen - die Mittel zur Kofinanzierung fehlen. Jetzt wollen wir ein neues Modell schaffen, nach österreichisch-deutsch-polnischem Vorbild. Wir werden die Verfassung ändern, Regionen bilden und diesen Regionen das Pouvoir geben, um EU-Fondsmittel anzusuchen.
Aber der Hauptvorwurf der EU besteht doch darin, dass in Rumänien Korruption nach wie vor ein enormes Problem ist. Sind die Verwaltungsstrukturen zu ineffizient?
Ich will hier nicht die Vorgängerregierung kritisieren. Aber der Rahmen, den diese angewandt hat, war nicht sehr effizient.
Einweiteres großes Projekt der rumänischen Regierung ist die Einführung des Euro. Wann soll es soweit sein? 2019, 2017?
2019 ist ein realistisches Datum. Dann haben wir die EU-Ratspräsidentschaft inne.
Sie sind als Präsident des Abgeordnetenhauses Hüter der parlamentarischen Demokratie. Was halten Sie davon, wie im Nachbarland Ungarn damit umgegangen wird?
Ungarn muss lernen, dass es Teil der EU-Familie ist und Entscheidungen mittragen muss. Manche Dinge sind nicht verhandelbar.
Zum Beispiel?
Respekt vor Minderheiten, respektvoller Umgang mit Nachbarn, Respekt vor den EU-Verträgen. Ich glaube nicht, dass wir in Europa israelische Fahnen verbrennen sollten, wie das letztes Jahr geschehen ist. Österreich und Rumänen können hier versuchen, auf Ungarn einzuwirken.
Zur Person
Valeriu Zgonea: Seit Juli 2012 ist der Sozialdemokrat Präsident des Abgeordnetenhauses. Am vergangenen Donnerstag war er in Wien zu Besuch bei Nationalratspräsidentin Barbara Prammer. Anschließend stellte er sich den Fragen der "Wiener Zeitung".