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"Wir haben genug qualifizierte Arbeitskräfte"

Von Christoph Rella

Politik

Arbeiterkammer, FPÖ auf einer Linie. | "Mehr Lehrstellen statt Zuwanderer." | Wien. Es ist eine Allianz mit Seltenheitswert, wenn der Präsident der Arbeiterkammer (AK), Herbert Tumpel, und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache inhaltlich gleiche Positionen beziehen. Was sie eint, ist die Ablehnung der von Außenminister Michael Spindelegger und Sozialminister Rudolf Hundstorfer befürworteten Einführung der sogenannten Rot-Weiß-Rot Card für Schlüsselarbeitskräfte aus dem Nicht-EU-Ausland. Begründet hatten die beiden Minister ihren Vorstoß mit den sinkenden Bevölkerungszahlen: Sollten bis zum Jahr 2030 nicht mindestens 100.000 Menschen zuwandern, drohe das Pensions- und Sozialsystem zusammenzubrechen, hieß es.


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"Statt vorschnell nach einer Rot-Weiß-Rot Card und mehr Zuwanderung zu rufen, muss zunächst der Arbeitsplatzmangel in Österreich und nicht ein vermeintlicher Fachkräftemangel bekämpft werden", sagte Tumpel am Mittwoch und stellte sich damit hinter Gewerkschafts-Boss Rudolf Kaske, der bereits tags zuvor davor gewarnt hatte, zu viele ausländische Arbeitskräfte ins Land zu holen.

Mangel suggeriert?

Den schwarzen Peter in der Zuwanderungsdiskussion schob der AK-Chef dann allerdings nicht etwa den Ministern, sondern den österreichischen Unternehmen zu: Diese würden trotz Förderungen von bis zu 30 Prozent immer weniger Lehrlinge ausbilden, gleichzeitig aber nach billigen Fachkräften aus dem Ausland rufen. "In der öffentlichen Debatte wird ein akuter Facharbeitermangel suggeriert", wetterte Tumpel. "Tatsächlich tut die Wirtschaft aber nichts für die Ausbildung junger Menschen." Immerhin sei die Zahl der Lehrlinge im ersten Lehrjahr österreichweit im Juni im Vergleich zu 2008 um mehr als 5000 (minus 13,5 Prozent) zurückgegangen. In der Industrie liege der Rückgang sogar bei 20 Prozent.

Sorge, dass etwa österreichische Arbeitnehmer kommendes Jahr zu kurz kommen könnten, äußerte Tumpel im Zusammenhang mit der geplanten Öffnung des Arbeitsmarktes für die neuen EU-Staaten im Mai 2011. Rund um Österreich gebe es demnach ein Arbeitskräftereservoir von rund sieben Millionen Menschen, die daheim um bis zu 30 Prozent weniger verdienen würden als in Österreich. Die Rot-Weiß-Rot Card habe daher für ihn "keine Priorität", so der AK-Chef. "Wir haben genügend qualifizierte Personen im Inland, die derzeit Arbeit suchen."

Mit drastischen Worten sekundiert wurde Tumpel von FPÖ-Obmann Strache, der Spindeleggers Vorstoß als "gemeingefährlichen Supergau" bezeichnete und davor warnte, dass der Arbeitsmarkt von ausländischen Arbeitskräften "überschwemmt" werden könnte. Statt diese Menschen ins Land zu lassen, brauche es mehr Arbeitsplätze und ein "Paket, um bis 2030 zusätzlich rund 100.000 Kinder in Österreich zu ermöglichen."

5000 gehen jährlich

Dass es dafür womöglich zu spät ist, glaubt man wiederum in der Wirtschaftskammer. "Die Zahl der Geburten ist zwischen 1993 und 2001 um 20 Prozent gesunken", rechnete Kammerpräsident Christoph Leitl vor. In Folge dessen werde nicht nur die Zahl der Lehranfänger, sondern auch jene der Facharbeiter sinken. "Zweifellos muss Österreich das Potenzial der in Österreich lebenden Menschen nutzen", erläuterte Leitl. "Aber derzeit verlassen jährlich um rund 5000 Personen mehr unser Land, als zurückkehren." Geht es nach ihm, kann Österreich bis zu 20.000 Zuwanderer "leicht verkraften".