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"Der schlimmste Fehler: Man weiß, was geändert gehört, aber man tut nichts." | "E-Mails werden Briefsendungen zum Teil verdrängen." |
§§"Wiener Zeitung": Ist Ihnen in den letzten Tagen und Wochen angesichts dessen, was sich rund um Ihren Managerkollegen Martin Huber von den ÖBB ereignet hat, manchmal mulmig geworden? * | Anton Wais: Nein, überhaupt nicht. Die Österreichische Post ist ein völlig anderes Unternehmen als die Bahn. Und zu irgendwelchen Vorwürfen, die Huber gemacht wurden, kann ich nicht Stellung nehmen, weil mir jede konkrete Information fehlt.
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Man hat aber doch den Eindruck, dass da ein Manager eines staatsnahen Infrastrukturunternehmens, der manchmal hart durchgegriffen und sich nicht nur Freunde gemacht hat, nicht nur wegen seines Managementstils ins Fadenkreuz geraten ist.
Ein Manager muss damit rechnen, dass seine Handlungen von den Medien, von den Aktionären oder seinem Eigentümer in Frage gestellt werden. Es ist auch selbstverständlich, dass es Diskussionen gibt, wenn manche Entscheidungen nicht das gewünschte Ergebnis bringen. Wir standen ja im vergangenen Jahr, als uns das Versandhaus Quelle als großer Kunde im Paketgeschäft verloren ging, auch in der Kritik.
Sie waren viele Jahre lang als Manager bei Siemens tätig, einem sehr großen Unternehmen, das gelegentlich wegen seiner Bürokratie kritisiert wurde. Was ist der gravierendste Unterschied zwischen einem großen privaten Konzern und einem mehrheitlich in Staatseigentum befindlichen Unternehmen wie der Post?
Bei Siemens habe ich öfter etwas erlebt, das mir eine Lehre war, die ich dann später hier bei der Post anwenden konnte.
Und welche Lehre war das?
Dass ein Vorgesetzter gewusst hat, dass man personell oder strukturell etwas ändern muss; dass er gewusst hat, er kann es ändern, weil er in einer Führungsposition ist, und es nicht getan hat. Das ist der schlimmste Managementfehler, den man machen kann: Man weiß, man kann etwas ändern, man weiß, was geändert gehört, und man tut es nicht.
Und warum handeln manche Manager in solchen Situationen nicht?
Wahrscheinlich weil sie davor zurückscheuen, in harte Auseinandersetzungen zu gehen. Das ist zwar menschlich vielleicht nicht unsympathisch, aber als Manager braucht man auch Konfliktbewusstsein.
Zum Beispiel gegenüber dem Betriebsrat?
Nicht nur gegenüber dem Betriebsrat, sondern auch innerhalb des Managements. Wir haben, als wir den Job hier bei der Post übernommen haben, gesagt, wir gehen zum Zahnarzt, bevor es weh tut. Bei vielen der Schritte, die wir gesetzt haben, war zu dem Zeitpunkt, als wir es getan haben, noch nicht wirklich ersichtlich, dass es notwendig ist. Aber ein oder zwei Jahre später wäre es tödlich gewesen, es nicht getan zu haben. Nehmen wir die 1000 Postämter, die wir zwischen 2001 und 2005 zugesperrt haben. Darauf zu verzichten, wäre sicher noch einige Jahre finanzierbar gewesen. Aber es ging darum, das Unternehmen nachhaltig für die Zukunft zu stärken.
Der Chef eines Infrastrukturunternehmens, das sich mehrheitlich in Staatseigentum befindet, muss bei einschneidenden Maßnahmen allerdings immer auch potenzielle politische Auswirkungen seiner Entscheidungen berücksichtigen?
In jedem Unternehmen, nicht bloß in staatsnahen Unternehmen, muss sich das Management gelegentlich die Frage stellen, was realistischerweise möglich ist. Und zwar nicht nur theoretisch, sondern ganz praktisch; was unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen auch tatsächlich erreichbar ist.
Das Ziel, die Österreichische Post an die Börse zu bringen, haben sie demgemäß von Beginn an als realistisch eingeschätzt?
1999, nachdem ich gerade zum Generaldirektor bestellt worden war, hat einer der Aufsichtsräte zu mir gesagt: "In einer der nächsten Aufsichtsratsitzungen werden Sie uns sagen müssen, wann Sie glauben, dass die Post kapitalmarktfähig sein wird." Wir haben daraufhin sehr rasch mit der Vorbereitung auf den Kapitalmarkt begonnen.
Damals wurde als Alternative zu einem Börsegang von manchen Experten und auch Politikern durchaus auch die Hereinnahme eines großen Partners wie der Deutschen Post ventiliert.
Da gab es tatsächlich einige, die damals überlegt haben, ob man sich nicht einen reichen Partner suchen sollte, was dem Finanzminister auf einen Schlag einen Batzen gebracht hätte. Zweitens hat man uns im Jahr 2000 nicht zugetraut, dass wir jemals so viel Geld verdienen werden, dass wir die jährlich notwendigen Investitionen aus dem eigenen Cash-flow finanzieren können. Und drittens gab es Zweifel daran, ob es in Österreich überhaupt ein Management gibt, das ein Unternehmen wie die Post kapitalmarktfähig machen und nach wirtschaftlichen Kriterien führen kann.
Vermutlich keine angenehme Situation für einen neuen Chef?
Aber es hat damals eines bewirkt: Wir hatten als Vorstand ein gemeinsames Feindbild, nämlich diejenigen, die sagten: Die können das nicht.
Das hat uns enorm angestachelt, dem Eigentümer zu zeigen, dass wir es doch können.
Ursprünglich sollte die derzeit noch vor Konkurrenz geschützte Briefzustellung, die profitabelste Geschäftssparte der Post, schon 2009 dem Wettbewerb geöffnet werden. Ich nehme an, es hat Sie gefreut, dass die Marktöffnung nun auf 2011 verschoben wurde?
Das ist keine Frage von Emotionen. Wir hatten uns jedenfalls bereits auf 2009 eingestellt. Ich glaube aber, dass der europäische Markt 2009 noch nicht reif dafür gewesen wäre.
Warum wäre der Markt nicht reif gewesen?
Es gibt in vielen Ländern, wie beispielsweise auch in Österreich, noch kein Lizenzsystem. Die EU-Kommission hat ja bloß festgelegt, dass ein neuer Marktteilnehmer entweder eine Lizenzgebühr bezahlen oder eine flächendeckende Zustellung gewährleisten muss. Da fehlen aber noch detaillierte nationale Regelungen. Es ist in Bezug auf die Wettbewerbsbedingungen, um nur ein weiteres Beispiel zu nennen, auch noch völlig offen, ob es einen Branchenkollektivvertrag für Postdienstleistungen geben wird oder nicht. Manche unserer Konkurrenten sind mit dem Handelskollektivvertrag unterwegs, andere mit dem Kollektivvertrag für das Transportgewerbe. Wenn diese und andere Themen vor 2011 geklärt werden, und ich glaube, dass das sehr rasch möglich wäre, dann halte ich den Postmarkt für liberalisierungsreif.
Vervollständigen Sie bitte: Beamte sind .. .
Beamte sind gute Mitarbeiter in meinem Haus.
Werden in zehn oder 15 Jahren bei der Post AG noch Beamte beschäftigt sein?
Das haben nicht wir zu bestimmen, das ist ausschließlich Sache des Gesetzgebers. Solange es das Beamtendienstrecht in der gegenwärtigen Form gibt, wird es Beamte bei der Post geben.
Und was würden Sie sich vom Gesetzgeber wünschen?
Ich halte die heutige Situation für bewältigbar. Seit 1996 wird bei uns niemand mehr pragmatisiert, trotzdem haben wir aber Tausende jüngere Pragmatisierte im Haus, die noch 20 oder 25 Jahre für uns arbeiten werden. Wenn der Staat da helfen will, könnte er ja versuchen, mit uns Modelle zu finden, wie man uns mehr Flexibilität verschaffen kann. Bei der Telekom Austria scheint das Problem allerdings gravierender zu sein, daher glaube ich, dass eine Änderung der Rahmenbedingungen eher von dort ausgehen wird.
Würden Sie sich einem wie bei der Telekom diskutierten Modell der Auslagerung von Beamten allenfalls anschließen wollen?
Ich kann das erst beantworten, wenn ich weiß, wie das Modell ausschaut und man es durchrechnen kann. Derzeit ist das für uns alles finanzierbar, ich rede deswegen auch nicht von einem Problem. Aber wir müssen uns natürlich auf die Zukunft vorbereiten und darauf, wie sich unsere Geschäftsfelder und das Verhalten unserer Kunden ändern. Dass E-Mails den Brief bis zu einem gewissen Grad verdrängen, ist ein Faktum. Dass Internetbanking und der private Mitbewerb immer stärker werden ebenfalls.
Während andere Unternehmen angesichts der schwierigen Situation an den Kapital- und Kreditmärkten derzeit bemüht sind, ihre Kapitalbasis zu stärken und die Verschuldung zu reduzieren, haben Sie kürzlich ein Aktienrückkaufprogramm angekündigt, um die Kapitalbasis abzuschlanken.
Wir haben heute einen Verschuldungsgrad von nicht einmal 20 Prozent, was im internationalen Branchenvergleich, aber auch im Vergleich mit anderen börsenotierten Unternehmen sehr niedrig ist. Auf den ersten Blick bedeutet das, wir haben zu viel Geld. Aber natürlich wollen wir ausreichende Flexibilität erhalten, um zu investieren. Aber eine so niedrige Verschuldung, wie wir sie haben, ist für den Kapitalmarkt nicht sexy. Wir sind ja keine Bank. Also haben wir uns entschlossen, uns die Möglichkeit eines Aktienrückkaufs zu schaffen.
Wenn Sie Aktien über die Börse zurückkaufen, würde das allerdings indirekt dazu führen, dass der Beteiligungsanteil der ÖIAG wieder über die gegenwärtigen 51 Prozent steigt.
Wir werden das, bevor wir konkrete Schritte setzen, mit der ÖIAG besprechen und ihr gegebenenfalls anbieten, auch Aktien aus ihrem Bestand zu kaufen.
Haben sich bei der Österreichischen Post auch Hedgefonds eingekauft?
Wir haben sehr viele unterschiedliche Aktionäre, aber wie bei fast alle großen börsenotierten Unternehmen sind darunter vermutlich auch Hedgefonds.
Anton Wais wurde 1948 geboren, studierte Rechtswissenschaften an der Universität Wien und arbeitete sieben Jahre im Kabinett von Josef Staribacher, des damaligen Ministers für Handel, Gewerbe und Industrie. Danach war Wais 20 Jahre hindurch in unterschiedlichen Funktionen - zunächst im deutschen Stammhaus - für den Siemens-Konzern tätig. 1982 wechselte er zu Siemens Österreich. 1996 wurde Wais in den Vorstand von Siemens Österreich berufen, wo er die Zuständigkeit für die Bereiche Verkehrstechnik, Energieübertragung, -verteilung und -erzeugung innehatte. Im Juli 1999 wurde er zum Vorstandsvorsitzenden der Österreichischen Post AG bestellt, betrieb die Restrukturierung des Unternehmens, das 2006 erfolgreich an die Wiener Börse gebracht wurde.