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"Wir haben nichts davon, wenn uns die Grünen um die Ohren fliegen"

Von Walter Hämmerle

Politik

Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer warnt davor, den Koalitionspartner zu überfordern. Die Steiermark sieht der ÖVP-Spitzenkandidat gut aufgestellt, die Budgetlage sei allerdings angespannt.


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Am 24. November wählen 956.000 Steirerinnen und Steirer einen neuen Landtag. Eigentlich hätte die Wahl erst 2020 stattfinden sollen; dass Landeshauptmann und ÖVP-Spitzenkandidat Hermann Schützenhöfer mit FPÖ und Grünen für eine Vorziehung stimmte, hat ihm sein Regierungspartner und SPÖ-Spitzenkandidat Michael Schickhofer bis jetzt noch nicht verziehen. Immerhin hatten die beiden 2015 jene steirische "Reformpartnerschaft" fortgesetzt, die 2010 Schützenhöfer mit dem damaligen Landeshauptmann Franz Voves eingegangen war.

Voves war es auch, der als Stimmenstärkster Schützenhöfer 2015 den Chefsessel überlassen hatte; beide hatten zuvor eine schwere Niederlage erlitten. Dass der 1952 in Niederösterreich geborene Schützenhöfer dem Wahltag erwartungsvoll entgegenblicken kann, ist dieser ungewöhnlichen Wendung zu verdanken. Umfragen sagen ihm einen klaren Wahlsieg vorher.

Die "Wiener Zeitung sprach mit Schützenhöfer über die Unwägbarkeiten der Demokratie, den richtigen Umgang mit Partnern, Voraussetzungen für Türkis-Grün im Bund und die Herausforderungen im Land.

"Wiener Zeitung":Herr Schützenhöfer, ist Demokratie gerecht?

Hermann Schützenhöfer: Ich glaube schon, ja. Auf jeden Fall müssen wir sie nehmen, wie sie ist. Churchill wird das Zitat zugeschrieben, wonach die Demokratie die schlechteste aller Staatsformen sei, aber wir nun einmal keine bessere kennen. So sehe ich das auch.

Demnach müssen es Politiker und Parteien akzeptieren, dass Sie von den Wählern abgestraft werden, obwohl sie notwendige und langfristig positive Veränderungen umsetzen?

Ja, das kann passieren. Franz Voves (ehemaliger Vorsitzender der SPÖ Steiermark und von 2005 bis 2015 Landeshauptmann; Anm.) und ich haben das erlebt. Heute sagen alle, es war richtig, was wir umgesetzt haben, obwohl uns Prügel zwischen die Füße geworfen worden sind. Das muss man hinnehmen. Politik hat zwar schon die Aufgabe, das Richtige populär zu machen, aber sie muss trotzdem auch dann das, was sie für richtig hält, umsetzen, wenn es unpopulär ist.

Es hat Jahrzehnte gedauert, bis die Steiermark den Niedergang der alten Stahl- und Eisenindustrie verdaut hatte und mit dem Auto-Cluster neue Wege gefunden hat. Jetzt droht der nächste Strukturwandel, die Automobilbranche ist im Umbruch, Jobabbau droht. Was tut das Land, was kann das Land überhaupt tun?

Vergangene Woche hatte ich ein Treffen mit wichtigen Managern der Industrie. Die haben mir von einer Schwächephase der Autoindustrie erzählt, aber es war keine Rede von Massenentlassungen. Wir spüren einfach die Folgen des Abschwungs in Deutschland. Wir reagieren darauf, indem wir unsere Anstrengungen im Bereich Forschung und Entwicklung weiter verstärken. Dieses Tief müssen wir jetzt durchtauchen und dann wieder durchstarten, aber wir müssen uns als Industriestandort nicht gänzlich neu erfinden. Einschnitte wird es aber geben.

Aktuell fordern die Länder eine Erhöhung der Bundeszuschüsse zur Pflege als Ersatz für den Wegfall des Regresses. Selbst wenn das kommt, sind wir noch immer von einer umfassenden Lösung der Probleme bei der Pflege entfernt.

Ja, wir brauchen hier eine große Lösung. Dazu werden wir wohl über eine Versicherungspflicht oder Pflegeversicherung nachdenken müssen. Allein aus dem Budget werden wir das auf Dauer nicht finanzieren können. Was die aktuelle Debatte über die Kompensation für den Pflegeregress angeht, besteht für mich kein Zweifel, dass, wer anschaffen will, auch zu zahlen hat. Der Nationalrat hat als Wahlzuckerl den Regress einseitig und überfallsartig abgeschafft, daher muss der Bund auch die Kosten berappen - und zwar die vollen.

Die ÖVP ist die einzige Partei, die mit allen anderen Parteien im Parlament koalitionsfähig ist. Ist das besonders pragmatisch und klug oder nur besonders machtgesteuert?

Auch wenn wir jetzt dank Sebastian Kurz zweimal hintereinander stärkste Kraft geworden sind, sind wir nicht allein auf der Welt. Das habe ich ihm auch persönlich gesagt. Mit wem auch immer eine Regierung zustande kommt, es sollte ein Partner sein, von dem wir annehmen können, dass es die ganze Legislaturperiode hält. Dass das auch für uns schwierig sein wird, ist allen klar. Wir werden einen Teil unserer Wähler verlieren, egal, mit wem wir am Ende regieren. Die Wähler sind längst ständig auf Wanderschaft.

Worauf sollte die ÖVP dann achten?

Entscheidend ist, dass sich die Volkspartei in den Bereichen Wirtschaft, Steuern und Migration als starker Faktor in einer gemeinsamen Regierung wiederfindet. Dabei muss man aber bedenken, was von einem Partner verlangt, was ihm zugemutet werden kann. Wir haben nichts davon, wenn wir als ÖVP die Regierungsverhandlungen haushoch gewinnen und uns dann anschließend der Partner um die Ohren fliegt. Keine Seite darf gezwungen werden, ihre Seele zu verkaufen. Auf dem Weg zu diesem Ziel ist es eigentlich egal, wie lange die Verhandlungen dauern, solange es nur erreicht wird.

Wenn Sie das Jammertal sehen, in dem sich die SPÖ derzeit befindet, denken Sie dann, dass genau das auch der ÖVP hätte blühen können? Immerhin lag die ÖVP noch 2015 in Umfragen bei unter 20 Prozent.

Ich habe erlebt, wie wir 2005 in der Steiermark den Landeshauptmann verloren haben; die Sozialistische Jugend hat damals einen Fackelzug zur ÖVP-Zentrale in Graz veranstaltet; ich kann mich noch gut an unsere Gesichter damals erinnern. Und ich habe auch etliche Siege und Niederlagen im Bund hautnah miterlebt. Von daher verspüre ich weder Freude noch Genugtuung angesichts der Lage der SPÖ. Helmut Kohl hat einmal gesagt, in einer Niederlage findet sich nichts Gutes, außer, dass man die wirklichen Freunde kennenlernt. Deshalb sollte sich auch der Stärkere selbst stets fragen, wie er als Schwächerer behandelt werden wollte. Das Blatt kann sich schnell ändern.

Einst war die steirische ÖVP berühmt dafür, dass sie neue, radikale Ideen wälzte, heute hört man kaum mehr solche Vorschläge. Warum?

Hier widerspreche ich Ihnen. In den vergangenen zwei Perioden haben ÖVP und SPÖ einen radikalen Strategiewechsel mit mutigen Reformen im Land umgesetzt, und das ohne Rücksicht auf die eigenen Parteiinteressen. Wir haben Gemeinden und Bezirke fusioniert, Bezirksgerichte und Schulen zusammengelegt und auch beim Sozialstaat Leistungen gedeckelt. Wer hat das sonst noch gemacht? Keiner, obwohl mich bei einem Bier andere Landeshauptleute gefragt haben: "Wie habt ihr das geschafft? Das wäre bei uns auch notwendig?"

Ich vermute, Sie werden jetzt nicht verraten, wer das gesagt hat.

Natürlich nicht!

Und die Reformen für die Zukunft?

ÖVP und SPÖ haben den Gesundheitsplan 2035 präsentiert, da warten wieder große Herausforderungen.

Mit den schwarz-roten Gemeinsamkeiten scheint es derzeit aber vorbei, nachdem Sie Neuwahlen gegen den Willen der SPÖ beschlossen haben.

Wir haben bis zur Entscheidung über den Wahltermin gut zusammengearbeitet. Meine Hand zur Zusammenarbeit ist weiterhin ausgestreckt. Die Steiermark steht gut da, wir sind hinter Oberösterreich zweiter in Sachen Export.

Und trotzdem beurteilt Standard & Poor’s ihre Budgetlage nur mit AA+ und negativem Ausblick.

Ja, wir stehen vor Herausforderungen. Deshalb werden Sie von mir auch keine Ideen hören, die unsere Schulden erhöhen. Niemand kann mehr ausgeben, als er einnimmt.

Sie werden im Februar 68. Wenn Sie Erster werden und wieder Landeshauptmann, werden Sie dann die gesamte Periode bis 2024 durchdienen?

Ja, ich trete für fünf Jahre an.